19. G·E·M Markendialog 2015
Die digitale Beschleunigung verlangt mehr Markenführung
19. Februar 2015
SEMINARIS CampusHotel Berlin
Zum 19. Mal führte die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ihre jährliche Frühjahrsveranstaltung durch - den G·E·M Markendialog. Das Thema am 19. Februar 2015 im SEMINARIS CampusHotel Berlin::
Die digitale Beschleunigung verlangt mehr Markenführung
Digitale Beschleunigung, so Friedrich Neukirch, Präsident der G·E·M, in seiner Begrüßung, fängt ein für unsere Zeit insgesamt zutreffendes Thema ein: das Unbehagen der Menschen an der überall stattfindenden Wandlungs-Beschleunigung.

Dieses Unbehagen thematisierte der Gießener Philosoph Odo Marquard bereits vor 20 Jahren:
"Wir leben in einer Welt der Wandlungs-Beschleunigung, aber wir leben nicht behaglich in dieser Welt. Für zu viel Veränderung ist das Menschenleben zu kurz; die Kürze unseres Lebens zwingt uns zur Schnelligkeit. Doch Menschen sind grundsätzlich langsam. Daraus entsteht die Fundamental-Schwierigkeit der modernen Welt: Wir müssen beides leben – die Schnelligkeit (Zukunft) und die Langsamkeit (Herkunft)."
Schnelligkeit der modernen Welt auf der einen Seite – grundsätzliche Langsamkeit der Menschen auf der anderen Seite. Konkreter auf das Metier bezogen, das uns beschäftigt: Digitale Beschleunigung auf der einen Seite – Sicherheit und Vertrauen bietende Marken auf der anderen Seite. Daraus haben wir das Thema "Die digitale Beschleunigung verlangt mehr Markenführung" für den 19. G·E·M Markendialog entwickelt – aufbereitet von Referenten aus Wissenschaft und Praxis:
– Wie viel digitale Beschleunigung verträgt der Mensch?
Keynote von Prof. Dr. Werner Thiede
– Digitale Beschleunigung <vs.> Etablierte Unternehmen
Prof. Dr. Thomas Rudolph, Oliver Hempel und German Schulz
– Hektisches Reagieren <vs.> Nachhaltiges Vertrauen
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch und Marcus Macioszek
– Back to the Essentials <vs.> Trend Hopping
Prof. Dr. Dirk-Mario Boltz, Prof. Dr. Carsten Baumgarth und Teilnehmer des
19. G·E·M Markendialogs.
Keynote:
Wie viel digitale Beschleunigung verträgt der Mensch?
Die Keynote-Speech hielt Prof. Dr. Werner Thiede, Theologe und Publizist, der sich mit der digitalen Welt, ihren positiven und negativen Facetten, schon länger auseinandersetzt. 2013 ist sein Buch "Die digitalisierte Freiheit" erschienen, 2014 in zweiter Auflage. Wenige Tage vor dem 19. G·E·M Markendialog wurde sein neuestes Buch ausgeliefert: "Digitaler Turmbau zu Babel". Jeder Teilnehmer erhielt ein druckfrisches Exemplar.

Professor Thiede spitzte die Frage "Wie viel digitale Beschleunigung verträgt der Mensch?" zu auf die Frage: Wie bekommt uns das auf die Dauer? Diese Frage stellt sich mit Dringlichkeit. Doch sie beschäftigt uns wohl aus gegenläufigen Interessenlagen heraus. Die einen wollen auf Biegen und Brechen wissen, wie hoch sich das Tempo treiben lässt. Andere mögen sich dagegen von der digitalen Hetze bereits beschädigt fühlen und wollen überlegen, wie man individueller und kultureller Entschleunigung näher treten könnte. Friedrich Nietzsche habe, so Thiede, sich bereits im 19. Jahrhundert mit der Beschleunigung befasst und sei zu der Erkenntnis gelangt, dass mit einem immer höheren Tempo sich die menschliche Wahrnehmung verändert: "Bei der ungeheuren Beschleunigung des Lebens wird Geist und Auge an ein halbes oder falsches Sehen und Urteilen gewöhnt".
Professor Thiede schlussfolgert: "Es kommt darauf an, zu einer menschengerechteren Lebensart zurückzuschalten, um nicht von den beschleunigten Verhältnissen um genau das gebracht zu werden, was eigentlich Menschsein und Menschenwürde zutiefst ausmacht: klares, ruhiges, gewissenhaftes und verantwortliches Denken." Daher auch die Empfehlung: "Je mehr es den digitalen Beschleunigern eilt, desto eiliger sollte ein Weg aus der Beschleunigungsfalle hinaus gesucht und gefunden werden."
Professor Werner Thiede endet seine Keynote mit: "Und wie viel digitale Beschleunigung verträgt nun der Mensch tatsächlich? Meine Antwort auf diese Frage lautet kurz und bündig: Der Mensch verträgt jenes Maß an digitaler Beschleunigung, das es ihm noch erlaubt, sein Menschsein zu bewahren."

Aufmerksamer Zuhörer des Vortrages von Professor Thiede war Prof. Götz W. Werner, der am Vorabend mit dem »G·E·M Award« 2015 geehrt worden war.
In der Diskussion greift er den Gedanken von Beschleunigung und Entschleunigung auf. Hatte er sich doch gerade in seiner März-Kolumne von "alverde", dem Monatsmagazin von dm-drogerie markt, dazu geäußert: "Es sollte unser Anliegen sein, den Zeitraum zwischen dem oft externen Reiz und der eigenen Reaktion zu dehnen. Wir können dies auch ‚Reflektieren‘ nennen." Denn, so Götz Werner, als Markenführer versuchen wir ständig, Reize auszusenden. Und erzeugen damit Reaktionen. "Aber genau das ist diese menschliche Frage, die wir uns stellen müssen: Was richten wir damit an?" Hier geht es um Verantwortung als Unternehmer. "Letzten Endes versuchen wir, mit unseren Marken anderen Menschen zu helfen, ihre Biografie zu gestalten, ihr Leben besser bewältigen zu können. Das wäre für mich Marketing: anderen Menschen helfen, ihr Leben so zu gestalten, dass sie später sagen können‚ es war mühevoll und anstrengend, aber es hat Sinn gemacht. Und das ist die Verantwortung, die wir als Marketingleute haben."
Block I:
Digitale Beschleunigung <vs.> Etablierte Unternehmen
Der erste Themenblock geht davon aus, dass die digitale Welt Beschleunigung bringt, dass sich aber Marketers schlecht gewappnet fühlen für dieses digitale Zeitalter. Daher die Überschrift: "Digitale Beschleunigung <vs.> Etablierte Unternehmen". Ein Beitrag aus der Wissenschaft, zwei Beiträge aus der Unternehmenspraxis.
Prof. Dr. Thomas Rudolph, Direktor des Forschungszentrums für Handelsmanagement der Universität St. Gallen, hatte im Herbst 2014 seine neue Studie "Cross-Channel Management" vorgelegt, die zweite Studie nach 2011. Und zu dieser Studie heißt es: "Die Erkenntnisse aus dieser Trendstudie fordern eine neues Marketing-Verständnis, eine Anpassung in der Organisationsstruktur und mehr Wissen im Management über diesen rasanten Veränderungsprozess." Auf Basis dieser Studie sprach er über "Wirkungsvolles Cross-Channel Management in Zeiten des digitalen Wandels".

Anhand von vier Thesen berichtet Professor Rudolph aus den Projekten des Forschungszentrums.
These 1: Die Digitalisierung revolutioniert alle Handelsbranchen. Unternehmen müssen sich proaktiver auf die neuen Herausforderungen einstellen.
These 2: Der schnell voranschreitende Wandel im Kauf- und Konsumverhalten verlangt einen tiefgreifenden Umbau vieler Handelsunternehmen. Eine stringente Markenführung entpuppt sich als Herkulesaufgabe.
These 3: Erfolgreiches Cross-Channel Management basiert auf einem fokussierten Leistungsversprechen, welches den Markenaufbau strategisch leitet.
These 4: Cross-Channel Management kann sich erst dann positiv auf das Unternehmensergebnis auswirken, wenn neben der Marktstrategie auch die organisatorischen und verhaltensmäßigen Voraussetzungen für Synergien geschaffen wurden.
15 Vortrags-Charts zum Download (pdf 2,2 MB)
Professor Thomas Rudolph schließt seinen Vortrag mit der Aufforderung: "Es braucht Change-Management-Kompetenz. Wir brauchen viel agilere Gefäße im Unternehmen, die abteilungsübergreifend arbeiten. Wir brauchen Vernetzungskompetenz. Es braucht Organisationskompetenz im Sinne einer Redimensionierung und es braucht Führungskompetenz."
Wie sieht es dazu heute in den Unternehmen aus? Ein Bericht von der "Digital & Social Media Conference” der Association of National Advertisers (ANA) vom 28. Juli 2014 beginnt mit: "Many brands are still not ready for the digital era as their marketing departments lack the skillsets necessary to thrive in the connected age”. Und so lautet die Überschrift zu den beiden Praxis-Berichten im ersten Block "Digitale Beschleunigung <vs.> Etablierte Unternehmen" auch: Die Antworten auf die digitale Welt im Unternehmen verankern. Es berichten Oliver Hempel, Head of Global Digital Marketing and eCommerce, Faber-Castell in Stein bei Nürnberg, und German Schulz, Leiter Marken-Management, VfL Wolfsburg.

Oliver Hempel unterstreicht, dass von großer Bedeutung sei, die Mitarbeiter in das Thema "digital" einzubinden. Er habe zu Beginn viele Präsentationen gehalten, um den Mitarbeitern in den verschiedensten Bereichen des Unternehmens zu erklären, was ein Hashtag ist, was Social Media, worin der Unterschied zwischen Facebook und Twitter besteht, was Instagram ist, was wichtiger und was schneller sei und ob man eine Homepage dann überhaupt noch braucht. Es ginge darum, das Verständnis der Mitarbeiter für das Digitale zu erreichen. Die Mitarbeiter wollen wissen: Digitale Welt – Was ist da anders? Was muss bleiben? Wie bringen wir das Neue mit dem Bisherigen in Einklang? Hier braucht es Antworten, um die digitale Welt im Unternehmen zu verankern.
Als besonderes Problem bezeichnete Hempel das Silo-Denken in den Unternehmen. Jeder verfolgt seine eigenen Ziele, hat sein Revierdenken und will sein Revier verteidigen. Doch digital geht das gesamte Unternehmen an, muss für das Unternehmen ganzheitlich angegangen werden. Nur so ist die Schnelligkeit des Digitalen realisierbar. Hempel sieht sich selbst in der Rolle eines CDO, eines Chief Digital Officer, mit einer abteilungsübergreifenden Aufgabe. Damit alle Mitarbeiter an demselben Strang ziehen können. Oliver Hempel sieht das als eine Langfristaufgabe, er versuche nach wie vor, im Unternehmen das Wissen Richtung digital anzuheben, sodass jeder mitdenken und mitreden kann.
15 Vortrags-Charts Hempel zum Download (pdf 2,6 MB)
German Schulz zeigt einleitend auf, wo überall der VfL Wolfsburg mit dem Thema "Digitalisierung" befasst ist: Homepage, der eigene TV-Sender "Wölfe TV" auf der Homepage, VfL-Shops stationär und als Online-Shop, E-ticketing, VfL-App, EA Sports, Social Media. Ein großes Thema sei Digitalisierung im Stadion (Ausstattung mit WLAN). Gegenwärtig baut man an einer Fußballwelt als interaktiver Erlebniswelt, wo die Leute interaktiv mit viel digitaler Technik eingebunden werden.

Die Frage der Verankerung des Digitalen im Unternehmen ist, so German Schulz, das gleiche Thema wie bei Faber-Castell. Am Anfang hätten alle Vereine immer ihre Pressemitteilung auf Facebook und dann auf die anderen Kanäle runtergebrochen und dabei übersehen, dass es völlig unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprachen sind. Deswegen habe man beim VfL Wolfsburg versucht, alles in eine spezielle Abteilung zu überführen, die das Thema "Digital" mit allen Abteilungen bespricht und versucht, vernetzt zu arbeiten. Wichtig sei eine Bündelung der Themen für eine übergreifende Strategie und eine Förderung der Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen. In einer idealen Welt, sagt German Schulz, sähe das dann so aus, dass wir ein Kernteam "Digitale Strategie" haben, das sich vor allem mit der IT abstimmt. Das Kernteam kümmert sich auch darum, die Medien-Kommunikation und alle anderen Abteilungen auf- und mitzunehmen.
Und speziell zu Social Media: Weil ein Kernthema der digitalen Strategie, ist dies nicht nur ein Thema der Kommunikations-Abteilung, sondern ein Fachbereich im Bereich Unternehmensentwicklung. Aktuell ist man dabei, Social Media Tools neu zu implementieren. U.a. geht es um ein Projekt, die Lieblingslieder der Spieler den Fans nahezubringen, um die Kommunikation mit den Fans aufrechtzuerhalten.
Zum Schluss betont German Schulz noch einmal, dass besonders wichtig sei, analog und digital oder digital und real zusammenzubringen. Was man ab 7. März 2015 mit der "VfL FußballWelt" verwirklichen wird: Auf 800 m² eine interaktive Fußballwelt, die aus sehr vielen digitalen Inhalten ist, die aber den Fußball auch sehr erlebbar macht.
Auf 21 Stationen kann sich jeder wie ein Bundesliga-Star fühlen und das Profigeschäft Fußball miterleben.
13 Vortrags-Charts Schulz zum Download (pdf 1,8 MB)
Block II:
Hektisches Reagieren <vs.> Nachhaltiges Vertrauen
Die Überschrift zum zweiten Themenblock mutet an wie etwas Unüberwindbares: Auf der einen Seite "Hektisches Reagieren" als Antwort auf die rasanten Veränderungen und die digitale Beschleunigung, auf der anderen Seite "Nachhaltiges Vertrauen" als Basiskonstante der Marke. Wiederum nehmen Wissenschaft und Praxis Stellung:
– Aus der Wissenschaft Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch mit dem Thema "Real, Digital, Social? Egal: Hauptsache Marke".
– Aus der Praxis Marcus Macioszek mit dem Bericht "Warum Unternehmen mit verzögerten Entscheidungen erfolgreich sind".
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch, Lehrstuhl für Markenmanagement und Automotive Marketing sowie Direktor Institut für Marken- und Kommunikationsforschung an der EBS Business School in Oestrich-Winkel, beginnt mit dem Statement "Menschen sind Sinnsucher und Marken sind Sinnstifter" und stellt die Frage: Warum sollte sich das ändern? Bloß weil es neue Möglichkeiten gibt, weil wir von real zu digital und social kommen und uns überlegen, wie wir das miteinander sinnvoll für die Marke und unsere Kunden nutzen können?

Professor Esch bereitet als Konsequenz für die Markenführung drei zentrale Bereiche, er nennt es "Angebote", auf:
1. Erweiterung der Kommunikations- und Interaktionsplattform
2. Erweiterung des Geschäftsmodells
3. Auswirkung auf das normative Gerüst der Marke.
Angebot Nr. 1 ist logisch, sagt Franz-Rudolf Esch: Natürlich müssen wir unsere Kommunikations- und Interaktionsplattform erweitern. Einerseits geht es darum, die Inhalte der Kommunikation medienspezifisch aufzubereiten, damit man die Kunden erreicht. Zum anderen kann man mit der digitalen Entwicklung völlig neue Dinge anstoßen, die den Kunden in seinem Lebensraum erreichen. Und schließlich geht es um das ganzheitliche Erlebnis, was zu Fragen führt wie: Wie kann ich die relevanten Kontaktpunkte miteinander vernetzen? Welches sind die relevanten Kontaktpunkte aus der Sicht des Kunden? Wichtig ist, dass man die Customer Journey wirklich versteht.
Angebot Nr. 2: Wenn wir nur über Kommunikation nachdenken, springen wir zu kurz. Oftmals ist eine Erweiterung des Geschäftsmodells notwendig. Ich weiß nicht, sagt Esch, ob es immer gut ist, hier zu warten. Ich weiß aber, dass es nicht gut ist, wenn man nur probiert, statt systematisch zu experimentieren. Wenn BILD gesagt hätte, wir sind im Zeitungs-Business, dann wäre man heute nicht da, wo man ist. In which business are you in? – das gilt es zu hinterfragen.
Angebot Nr. 3: Marken sind lebende Gebilde. Marken entwickeln sich weiter. Und die Entwicklungen haben teilweise Auswirkungen auf das normative Gerüst der Marke. Hier gilt es Fragen zu beantworten: Wir haben einen Unternehmenszweck – warum gibt es uns? Wir haben bestimmte Werte – für was stehen wir ein? Wir haben eine Vision. Und wir haben die Identität der Marke – wer sind wir eigentlich als Marke? Wenn sich das Geschäftsmodell verändern muss, muss dann die Marke teilweise mitgehen? Professor Esch: "Schauen Sie sich erfolgreiche Internet-Marken an, die haben alle ein starkes normatives Gerüst."
Professor Franz-Rudolf Esch greift zum Ende seines Vortrages "Real, Digital, Social? Egal: Hauptsache Marke" sein zu Beginn gebrachtes Statement auf: "Wer sagt, das Ende der Marke ist da – und das ist die gute Botschaft –, versteht die Marke nicht. Denn: Menschen sind Sinnsucher und starke Marken sind Sinnstifter."
Marcus Macioszek, Marketingleiter der Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. KG, setzt in seinem Praxisbeitrag "Warum Unternehmen mit verzögerten Entscheidungen erfolgreich sind" den Gedanken von Professor Esch fort indem er formuliert: "Marke und Menschen stehen auf Augenhöhe. Und die Menschen, die uns das Vertrauen schenken, indem sie unser Produkt kaufen, erwarten, weil sie mit uns auf Augenhöhe stehen, dass wir dieses Vertrauen in sie zurückspielen." Für Macioszek ist das Ausdruck von "Qualität". Wenn das Produktversprechen öfter gehalten wird, entsteht Vertrauen. Und der große Bruder der Produktqualität sei Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist bei Gerolsteiner die Fortsetzung der Qualitätsstrategie.

Gerolsteiner versteht sich als Informationslieferant zum Thema Mineralwasser. Alle Fragen, die die Menschen haben, werden auf der Website www.gerolsteiner.de umfangreich und intensiv beantwortet, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich für die Produkte von Gerolsteiner zu entscheiden. Ergänzt wird dieses Angebot durch den Mineralienrechner, die die Mineralisierung von tausend Mineralwässern aufführt. Die Bewertung bleibt auch hier dem User überlassen. Man hat das Selbstbewusstsein: Unsere Produkte sind so gut, die Menschen werden sich für uns entscheiden.
Macioszek ergänzt: Dieses Vertrauen muss sich über die Zeit entwickeln, ist auch Teil einer Partnerschaft, die man mit dem Konsumenten eingeht. Und diese Partnerschaft gelte nicht nur für das Verhältnis "Unternehmen – Konsument", sondern auch für das Handling der Partnerschaft mit Agenturen und Dienstleistern. Hier wird Vertrauen, Wissen und Kompetenz aufgebaut und gemeinsam weiterentwickelt.
Nicht die nächste tolle Kampagne, der großartige Event, das nächste Online-Posting ist im Blickfeld, sondern Kontinuität und Konsistenz in der Markenführung, die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz schaffen. Man könne auch von Entschleunigung sprechen. Und das nimmt auch Druck vom Marketingmann. Ein limitiertes Budget fördert dabei sogar die Entscheidungsqualität, weil man sich eher auf das kontinuierliche Kommunizieren konzentriert, auf die konsistente Botschaft, die im Kern mit der Marke verbunden ist. Das erzeugt Glaubwürdigkeit.
Structure follows strategy – die Marketing-Organisation muss sich anpassen. Bei Gerolsteiner hat sich das Organigramm von der klassischen Struktur zum Netzwerk entwickelt. Der Marketing-Manager hat viele interne und externe Partner, mit denen er gemeinsam arbeitet. Es geht um Partner, die sich wertgeschätzt fühlen in der gemeinsamen Arbeit. Was zu hervorragenden Ergebnissen führt, so Marcus Macioszek. Und er beschließt seinen Bericht:
"Ich glaube, die Basics haben sich gar nicht verändert. Wir müssen versuchen, den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Fokus unserer Bemühungen zu stellen und dann versuchen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Dabei ist es wichtig, mit jedem Einzelnen ins Gespräch zu kommen."
17 Vortrags-Charts zum Download (pdf 5,8 MB)
Insert:
Marketing’s new and re-designed 7 P’s
Eingeschoben zwischen Block II und III wurde ein "Insert”, mit dem der Wandel von den bekannten klassischen 4 P’s des Marketing Mix (1960, McCarthy) zu den neuen, dem digitalen Zeitalter angepassten 7 P’s zur Diskussion gestellt wird. Den Anstoß hatte eine Veröffentlichung (2014) von Toni Keskinen gegeben: "Marketing’s new and re-designed 7 P’s".
Marketing-Mix and the 4 P’s – zu Beginn wirft Wolfgang K.A. Disch einen Blick zurück: Der Begriff "Marketing Mix" wurde erstmals 1950 von Neil H. Borden, Professor of Advertising, Graduate School of Business Administration, Harvard
University, in seinem Buch "Advertising - Text and Cases" benutzt. 1960 hat E. Jerome McCarthy, Ph.D., Associate Professor of Marketing Management, University of Notre Dame, über "Development of a Marketing Mix" geschrieben und "The Four P´s" entwickelt.
In seinem Buch "Basic Marketing. A Managerial Approach" schreibt er: Marketing management continually faces the same kinds of problems: Consumer analysis and analysis of the product , channels, promotion and pricing.
It may be helpful to think of the four variables which marketing managers can use as
the four "P´s":
(1) Product
(2) Place
(3) Promotion
(4) Price.
Die 4 P’s sind seit 55 Jahren fester Bestandteil in Marketing-Büchern weltweit.
Ausführlicher Text zum Download (pdf 0,16 MB)
Marketing’s new and re-designed 7 P’s – ist der zentrale Beitrag in diesem Block. Toni Keskinen, Bachelor of Business Administration/Marketing, Founder and CEO at Future CMO – Catalyst for Growth, Helsinki. FutureCMO.org is a network of individuals (CMO = Chief Marketing Officers willing to push the limits, contribute, share and learn together) hat die 7 P’s aus seiner praktischen Marketingarbeit heraus entwickelt. Es reiche nicht mehr aus, mit den klassischen 4 P’s von E. Jerome McCarthy zu arbeiten, die digitale Welt mit Multi-Channels verlange nach einem Re-Design des Marketing. Sein Angebot:

The new 7 P’s of marketing:
(1) Position refers to where brands feature in customer thinking.
(2) Performance is about the user experience over time.
(3) Proximity: getting up close and personal with customers.
(4) Price is no longer the fixed figure it used to be.
(5) Presence replaces Place in the new marketing mix.
(6) Perceived Product: consumer's opinion of a product's ability to fulfill his expectations.
(7) Promotion: owned media, earned media, partner media and paid media.
Ausführlicher Text zum Download (pdf 0,9 MB)
Block III:
Back to the Essentials <vs.> Trend Hopping
Die Überschrift zum dritten Themenblock bringt es zum Ausdruck: Zu sehr ist man in den Unternehmen mit dem Aufspringen auf Trends und Hypes, mit hektischem Reagieren auf die Veränderungen des Digitalen befasst, was zu Preis- und Promotion-Aktionen führt. Und schon sind wir in die Falle des "Markenaktionismus" getappt – wie Jens Thiemer, Mercedes Marketing-Chef, es kürzlich beschrieben hat. Wir denken zu wenig nach über die Basis-Werte der Marke, die Grundwerte der Marke, das unerschütterliche System der Marke, das Systemimmanente der Marke. Wir brauchen ein "Back to the Essentials".
Und so lautet das übergreifende Thema zum Block III auch: Das unerschütterliche System der Marke. Was kommt, was geht, was bleibt?
Im Spätherbst 2014 hatte die G·E·M eine Grundlagen-Studie zu den Basis-Werten der Marke angedacht und im Dezember 2014 ins Feld gebracht. Die Durchführung lag in den Händen von Prof. Dr. Dirk-Mario Boltz, Professor für Marketing-Kommunikation, und Prof. Dr. Carsten Baumgarth, Professor für Marketing, insbesondere Markenführung, beide an der HWR Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. Sie betreuen auch den dritten Themenblock "Back to the Essentials <vs.> Trend Hopping".

Die Studie war auf vier Runden angelegt, zwei davon mit Experten im Vorfeld des
19. G·E·M Markendialogs, zwei weitere live mit den Teilnehmern des 19. G·E·M Markendialogs am 19. Februar 2015 in Berlin.
1. Runde: Anfang Januar 2015 wurden per Mail 180 Experten aus Wissenschaft und Praxis angesprochen und gebeten: Bitte nennen Sie die drei wichtigsten Problemfelder der Markenführung, die zukünftig in der Praxis bewältigt werden müssen. Und: Bitte nennen Sie die drei wichtigsten Themen der Markenführung, welche die Wissenschaft in Zukunft erforschen sollte. Die Expertenstudie brachte 70 Antworten mit über 400 Statements, die zu 38 Themenfeldern verdichtet wurden.
2. Runde: Anfang Februar 2015 folgte als zweite Runde eine Online-Befragung bei den 70 Antwortgebern der ersten Runde. Ziel war, herauszufinden, wie relevant die gefundenen 38 Themenfelder als sog. "Essentials" der Markenführung sind. 40 Antworten wurden ausgewertet.
25 Charts "Ergebnisse der Expertenstudie" zum Download (pdf 8 MB)
Die "Expertenstudie" fand ihre Fortsetzung live am 19. Februar 2015 in Berlin mit den Teilnehmern des 19. G·E·M Markendialogs im Block III "Back to the Essentials <vs.> Trend Hopping”. Wie lauten die Grundgesetze der Markenführung heute und morgen? Was hat gestern funktioniert, was wird morgen funktionieren? Welches sind die stabilen, die konstanten, die unveränderlichen Merkmale der Marke?
Der "Live Research" mit den Teilnehmern des 19. G·E·M Markendialogs erfolgt in zwei weiteren Runden, der 3. und 4. Runde. Es geht um das "Wesen der Marke", das "Systemimmanente der Marke", das "unerschütterliche System der Marke".
3. Runde: Die Teilnehmer werden gebeten, mittels eines TED Abstimmungssystems über die Gültigkeit von Domizlaffs "Grundgesetzen der natürlichen Markenbildung" heute und morgen abzustimmen. Dafür wurden von den Professoren Baumgarth und Boltz die 22 Grundgesetze von Hans Domizlaff auf 19 reduziert und sprachlich angepasst.
Die Abstimmung erfolgt in drei Kategorien: Nein, trifft heute nicht mehr zu. Ja, begünstigt die Markenführung. Ja, ist ein Gesetz der Markenführung. Das Ergebnis: Sieben Gesetze der Markenführung. Sechs Verstärker der Markenführung. Sechs veraltete Grundgesetze.
37 Charts "Domizlaff Revisited" zum Download (pdf 10,3 MB)
4. Runde: Auf sieben Metaplanwänden haben die Professoren Boltz und Baumgarth sieben Themeninseln eingerichtet. Diese Themeninseln spiegeln wider, was die Expertenstudie als die wichtigsten Problemfelder und die wichtigsten Herausforderungen der Markenführung zurückgemeldet hatte: (1) Digitalisierung verändert Alles. (2) Marke und Beschleunigung. (3) Wertewandel. (4) Der ideale Marken-Manager. (5) Explosion der Marken-Kontaktpunkte. (6) Silo-Denken im Unternehmen. (7) Stopp mit Täuschung: Ehrliche Marken.
Die Teilnehmer am 19. G·E·M Markendialog wurden gebeten, zu den ihnen zugewiesenen Themeninseln zu gehen und dort ihre Gedanken in wenigen Worten auf Karten zu schreiben und an die Wand zu pinnen. Die Ergebnisse der Arbeiten an den sieben Metaplanwänden in zwei Runden wurden fotografisch festgehalten, werden ausgewertet und in der Dokumentation zum 19. G·E·M Markendialog, die Mitte 2015 erscheint, aufbereitet.
Das unerschütterliche System der Marke. Was bleibt, was geht, was kommt?
Im Schlusswort zum Block III gibt Prof. Dr. Dirk-Mario Boltz erste Antworten als ein Résumé aus den vier Runden der G·E·M Grundlagen-Studie:
Was bleibt?
Die Marke als Signal für eine verlässliche Welt (Rolf W. Schirm, Hirnforscher, 1982). Die Markeals konzentrierte Idee, differenzierend, alleinstellend, von hoher Qualität, mit deutlicher und wiedererkennbarer Gestalt. Gesetze der Markenführung, es gibt sie noch. Als unerschütterliche Basis, auf die wir uns berufen können. Domizlaff ist aktuell, ein Fels in der Brandung zeitgeistiger Marketing-Aufgeregtheit (Dr. Josef Ernst, Daimler AG, 2005). Und: Vertrauen, Orientierung und Integrität als dominante Markenwirkung, das bleibt.
Was geht?
Falsche Marken. Zu offene Marken. Zu starre Marken, Marken, die einen ganzheitlichen und funktionsübergreifenden Markenführungsgrundsatz ignorieren. Marken, die nicht mit ihren Verwendern, ihren Sympathisanten, aber auch mit ihren Gegnern sprechen wollen. Marken, die an Routinen festhalten, von falsch verstandenen Design-Richtlinien bis zur unpassenden Organisationsstruktur. Marken, die erstarrt sind, die sich nicht entwickeln, die Umwelteinflüsse nicht antizipieren.
Was kommt?
Die ehrlichen Marken. Marken müssen noch intensiver als bisher Relevanz und Integrität beweisen und auch kommunizieren. Und es kommt die digital transformierte Marke.

Nach den drei im Titel genannten Fragen "Was bleibt, was geht, was kommt?" stellt Professor Boltz als vierte Frage:
Was fehlt?
Oder: Wie geht es weiter? Die Frage ist heute nicht mehr was, sondern wie. Wie kriege ich das in die Organisation, wie kriege ich das auf die Straße, wie kriege ich das umgesetzt? Wie führen, wie organisieren, wie kommunizieren, wie messen? Wir brauchen Transfer, Dialog, Befruchtung. Wir brauchen die lernende Marke. Und letztendlich fehlt: Vertrauen in Menschen, Märkte und vielleicht auch manchmal in die Kraft der Marke.
Begleitende Ausstellung:
"Farbrausch trifft RAL 4010”
Am 18. und 19. Februar 2015 zeigte Prof. Dr. Carsten Baumgarth die Pop-up-Ausstellung zu dem Thema "Marke und Kunst" im Foyer des Seminaris CampusHotel Berlin. Er führte während der zwei Tage durch die Ausstellung und stellte die verschiedenen Stationen wie z.B. Klassische Berührungspunkte, Markenkunst, Markenzitate in der Markenführung oder Kunstbasierte Markenidentität vor. Insgesamt waren knapp 100 Exponate von rund 50 Künstlern und über 40 Marken in der Pop-up-Ausstellung aufgebaut. Mit dem Auftritt dieser Pop-up-Ausstellung im Rahmen des 19. G·E·M Markendialogs sollten insbesondere Markenverantwortliche für Kooperationen zwischen Kunst und Marke sensibilisiert werden.
Vorabendveranstaltung
Seit 2004 ist der G·E·M Markendialog flankiert durch eine Vorabendveranstaltung. Am Vorabend zum 15. G·E·M Markendialog, am 23. Februar 2011, wurde erstmals der »G·E·M Award« für Menschen, die hinter der Marke stehen, für Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens verliehen.
Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award« 2011 wurde Emil Underberg, mit dem »G·E·M Award« 2012 Albert Darboven, mit dem »G·E·M Award« 2013 Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, mit dem »G·E·M Award« 2014 Dr. h.c. August Oetker und am Vorabend zum 19. G·E·M Markendialog, am 18. Februar 2015, mit dem »G·E·M Award« 2015 Prof. Götz W. Werner.
Ausführliche Berichte: www.gem-online.de/award
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Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
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