18. G·E·M Markendialog 2014
Das digitale Zeitalter fo(ö)rdert Markenführung über alle Sinne
20. Februar 2014
SEMINARIS CampusHotel Berlin
Zum 18. Mal führte die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ihre jährliche Frühjahrsveranstaltung durch - den G·E·M Markendialog. Am 20. Februar 2014 ging es um das Thema:
Das digitale Zeitalter fo(ö)rdert Markenführung über alle Sinne
Sie sind gekommen, begrüßte Friedrich Neukirch, Präsident der G·E·M, die über 90 Teilnehmer, um mit uns ein sehr spannendes Thema zu erörtern: „Das digitale Zeitalter fo(ö)rdert Markenführung über alle Sinne“. Die Spannung liegt bereits darin, dass es im Grunde zwei Themen sind – Digitalisierung und Sinne des Menschen. Mit beiden Themen befassen wir uns bei der G·E·M schon länger. Heute bringen wir diese beiden Themen zusammen. Und wagen zugleich einen Ausblick.

Das digitale Zeitalter haben wir diskutiert 2009, vor fünf Jahren, auf unserem 13. G·E·M Markendialog „Marken im Einfluss des Internet“. Und dann 2012 bei unserem 16. G·E·M Markendialog „Markenführung vor drei großen Herausforderungen“ im 3. Teil, der überschrieben war mit „Markenführung mit Facebook, Twitter & Co – Ja, aber wie?“.
Was die Sinne angeht, so verweise ich besonders gern auf unsere sechs G·E·M Foren: Wie Marken wirken, sprechen, klingen, duften, sich anfühlen und schmecken.
2008 in Münster, 2009 in Göttingen, 2010 in Berlin, 2011 in Bochum, 2012 in Leipzig und 2013 in Potsdam haben wir den interdisziplinären Ansatz bei der Erforschung des Markenwesens gesucht – und jeweils gefunden „Impulse für die Markenführung“.
Ihnen, meine Herren, mit denen wir diese sechs Foren gestalten durften, bin ich sehr dankbar für die Tage, die wir mit Ihnen gemeinsam an Ihrer Lehr- und Forschungsstätte verbringen konnten. Meinen ganz besonderen Dank möchte ich Ihnen aber sagen dafür, dass Sie heute zu uns nach Berlin gekommen sind, um beim 18. G·E·M Markendialog unser Thema der Sinne, die wir bisher mit jeweils großen Tiefgang einzeln ausgelotet haben, auf dem Podium zusammenzuführen.
Ich begrüße sehr herzlich die Herren Professor Dieter Ahlert, Professor Albert Busch, Carl-Frank Westermann, Professor Hanns Hatt, Dr. Martin Grunwald und Professor Theo Smaczny. Dass Sie heute bei uns sind, das ist keine Selbstverständlichkeit, es zeigt vielmehr Ihre große Verbundenheit mit der G·E·M. Nochmals ein herzliches Dankeschön.
Block I:
Beziehungen zu Marken durch sinnliches Erfahren
Die Beziehungen zu Marken durch sinnliches Erfahren wurden im ersten Themenblock von zwei sehr unterschiedlichen Standorten betrachtet: Zu Beginn Gedanken des Philosophen, anschließend Erkenntnisse aus sechs G·E·M Foren.
Prof. Dr. Wilhelm Schmid:
Über den Verlust der Menschen an Sinnerfahrung

Als Key Speaker hatte die G·E·M den Berliner Philosophen Prof. Dr. Wilhelm Schmid gewonnen. Er eröffnete den ersten Themenblock mit seinen Gedanken „Über den Verlust der Menschen an Sinnerfahrung“.
»Ich bin ein Philosoph. Wahrscheinlich ist es Ihre erste Begegnung mit einem Philosophen«, begann Professor Schmid seine Ausführungen. »Aber trösten Sie sich, es ist auch die erste Begegnung eines Philosophen mit Markenleuten. Ich wusste zwar, dass so was existiert wie Marke, aber ich kannte da niemanden persönlich und ich habe da bis vor wenigen Monaten auch keinen Bezug zur Philosophie gesehen«. Dass sich das geändert hatte, ließ Professor Schmid seine Zuhörer in seinem Vortrag u.a. mit den folgenden Gedanken miterleben:
»Wenn eine Idee sinnvoll ist, erkennen wir einen Zusammenhang zwischen der Idee und dem Zweck, zu dem diese Idee dienen könnte. Sinn entsteht immer da, wo eine Beziehung ist.
Je stärker eine Beziehung ist, die ein Mensch hat, desto stärker machen Menschen die Erfahrung von Sinn. Wenn die These stimmt, dass in Beziehungen Sinn steckt, dann wissen wir, was es bedeutet, wenn Beziehungen zerschlagen werden. Sinn wird zerschlagen. Deswegen kommen so viele Menschen und fragen nach Sinn, weil es in unserer Zeit keine verlässliche Beziehung mehr gibt.
Und das hat mit der Entwicklung von Marken in moderner Zeit wahrscheinlich sehr viel zu tun, denn Marken füllen das Vakuum mit neuem Sinn. Mit neuen Beziehungen. Erfolgreiche Marken leben genau davon, dass sie Beziehungen zu Menschen über lange Zeit hinweg knüpfen können und diesen Menschen auf diese Weise Sinn vermitteln können.
Die Sinne – sehen, hören, schmecken, tasten, riechen – verschaffen uns sehr viel Sinn des Lebens, indem sie eine Beziehung herstellen zwischen uns und der Welt. Auch die Beziehung zu einer Marke kann dem Leben sehr viel Sinn geben und ist meist mit starken sinnlichen Erfahrungen verbunden. Mit Klängen und Geräuschen, mit Gerüchen und Geschmackserlebnisse – die Sinnlichkeit begründet Beziehung wie kaum irgendetwas sonst.
Auch eine Marke kann zum Freund werden. Und dass das häufig geschieht, lässt auf das wachsende Bedürfnis vieler Menschen heute nach guter, verlässlicher, dauerhafter Freundschaft schließen. Das einzige Problem mag sein, dass mit der Marke nicht viel gesprochen werden kann. Aber vielleicht ist das ja auch ein Vorteil, dass mit ihr nicht viel gesprochen werden muss. Dass da endlich mal etwas ist, was einen nicht zutextet. Könnte zum Beispiel für die Markenführung Konsequenzen haben. Texten Sie die Menschen nicht zu, wenn Sie eine Marke etablieren wollen.
Wenn Sie mit einer Marke dazu beitragen, dass Menschen wieder Sinn in ihrem Leben finden können, dann sollten Sie nicht versuchen, über die Marke totalen Sinn zu vermitteln. Totaler Sinn kann ruinös werden, und zwar für die Marke selber. Es macht sich daher immer gut, wenn ein Sinn und auch der Sinn einer Marke ironisch gebrochen werden kann. Wenn es auch mal Werbestrategien gibt, die schmunzeln lassen und nicht mit tödlichem Ernst die Bedeutung der Marke verkünden«.
Professor Wilhelm Schmidt endete mit der Bemerkung: »Ich hoffe, dass ich Ihnen damit auch als Philosoph ein paar Grundgedanken beisteuern konnte, damit Sie Marken und Markenführung ein bisschen besser verstehen«.
Aus den sechs G·E·M Foren:
Wie Marken wirken, sprechen, klingen, duften, sich anfühlen und schmecken
Im zweiten Teil des Themenblocks „Beziehungen zu Marken durch sinnliches Erfahren“ hatte die G·E·M eine Besonderheit zu bieten: Die Themen ihrer G·E·M Foren - Wie Marken wirken, sprechen, klingen, duften, sich anfühlen und schmecken.

Multisensuale Markenführung, auch Sensory Branding oder Multisensory Branding genannt, ist nach wie vor ein großes Thema: die Ansprache des potenziellen Käufers über visuelle, akustische, olfaktorische, gustatorische und haptische Reize. Die G·E·M hat sich dieses „großen“ Themas in besonderer Weise angenommen: Man hat jeweils einen der sensorischen Sinnesreize gezielt aufgegriffen und tief ausgelotet. Dies in Zusammenarbeit mit einem Lehrstuhl oder einer Forschungsstätte. Und dies waren die sechs G·E·M Foren:
1. G·E·M Forum: Wie Marken wirken. Impulse aus der Neuroökonomie für die Markenführung am 18. November 2008 am Lehrstuhl für BWL, insbesondere Distribution und Handel, Leitung Prof. Dr. Dieter Ahlert, Westfälische Wilhelms-Universität Münster.
2. G·E·M Forum: Wie Marken sprechen. Impulse aus der Linguistik für die Markenführung am 17. November 2009 am Seminar für Deutsche Philologie, Georg-August-Universität Göttingen, Philosophische Fakultät, Prof. Dr. Albert Busch.
3. G·E·M Forum: Wie Marken klingen. Impulse aus der Klang-Forschung für die Markenführung am 16. November 2010 an der Universität der Künste Berlin, Masterstudiengang Sound Studies, Prof. Dr. Martin Supper und Carl-Frank Westermann.
4. G·E·M Forum: Wie Marken duften. Impulse aus der Geruchs-Forschung für die Markenführung am 25. Oktober 2011 am Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fakultät für Biologie an der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt.
5. G·E·M Forum: Wie Marken sich anfühlen. Impulse aus der Haptik-Forschung für die Markenführung am 13. November 2012 am Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, Haptik-Forschungslabor, Universität Leipzig, PD Dr. phil. habil. Martin Grunwald.
6. G·E·M Forum: Wie Marken schmecken. Impulse aus der Geschmacks-Forschung für die Markenführung am 12. November 2013 beim Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof.
Die G·E·M klopfte bei ausgewählten Disziplinen an, die sich mit einzelnen sensorischen Bereichen befassen und erarbeitete auf gemeinsamen Veranstaltungen, was man dort lernen und von dort für die Praxis der Markenführung mitnehmen kann. Die Ergebnisse sind in Berichten von den sechs G·E·M Foren auf der Homepage der G·E·M nachzulesen: http://www.gem-online.de
Beim 18. G·E·M Markendialog sind die Vertreter der sechs G·E·M Foren der Einladung der G·E·M gefolgt, sich im Themenblock I „Beziehungen zu Marken durch sinnliches Erfahren“ unter der Moderation von Dr. Oliver Nickel, Managing Partner SWELL GmbH, Nürnberg, Referent beim 5. G·E·M Forum (Haptik), gemeinsam auf dem Podium zu präsentieren:
Prof. Dr. Dieter Ahlert, Prof. Dr. Albert Busch, Carl-Frank Westermann, Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt , PD Dr. Martin Grunwald und Prof. Dr. Theo Smaczny (in Vertretung von Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof).
Ausgewählte Notizen aus den sechs Präsentationen.

Prof. Dr. Dieter Ahlert (1. Forum):
Verabschieden müssen wir uns von der Idee, man könne Marken machen. Marken entstehen im Gehirn. Dabei kann man beeinflussend tätig werden. Wie Marken in den Gehirnen der Menschen wirken, haben wir Anfang dieses Jahrtausends neurowissenschaftlich untersucht.
An den Philosophen Wilhelm Schmid richtete Prof. Ahlert die Frage, warum Marken in den Köpfen der Menschen entstehen. Gibt es da irgendwelche evolutionsbiologische Gründe? Gibt es da Selektionsvorteile für den Menschen?
Bleibt noch eine Frage: Was kann Marken auch zerstören? Oder anders gefragt: Was ist zu bekämpfen, um die Zerstörung etablierte Marken zu verhindern? Als Beispiel nannte Prof. Ahlert den undisziplinierten Preisverriss im Handel.

Prof. Dr. Albert Busch (2. Forum):
Als Sprachwissenschaftler bin ich überzeugt, dass Marken Sinnstifter sind, kulturelle Sinnstifter, Leitsysteme, in denen wir denken und über die wir sprechen. Sie können keine Marke kreieren, Sie können keine Marke denken, über die Sie nicht sprechen können.
Marken-Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Ich kann Markensinn nicht setzen. Ich kann nicht die Botschaft einer Marke verkünden und erwarten, das die Resonanz ist: das ist super. Marken sind Aushandlungssysteme. Marken werden konstruiert zwischen Markenproduzenten und Markenrezipienten und all denen, die im Markenuniversum leben und über Marken sprechen. Marken sind soziale Produkte, sie sind dialogisch, plastisch und in hohem Maße stereotyp. Wobei stereotyp die soziale Kognition meint, die über Markenbedeutungs- und Sinnsysteme existiert.

Carl-Frank Westermann (3. Forum):
Denken Sie immer wieder darüber nach, dass auch Sound ein strategisches Instrument sein kann, Ihrer Marke Bedeutung zu geben. Bitte nicht als einzelnes Sinneselement, sondern immer im Kontext mit den anderen. Deshalb bin ich unheimlich froh, dass wir heute gemeinsam auf dem Podium sitzen.
Hallo Marke, kümmere dich darum und entscheide, wie du klingst – finde das heraus und frage nicht von vornherein die Zielgruppe, wie du klingen sollst. Wenn du die Zielgruppe fragst, wie du klingen sollst, dann klingen alle Marken gleich. Aber du hast eine Chance, auch übe den Sound deine DNA, deine Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Und habe ruhig mal Ecken und Kanten, dann wirst du auch gehört.

Prof. Dr. Hanns Hatt (4. Forum):
Gerüche sind deswegen so wichtig, weil sie das Sinnessystem sind, das den direktesten und unmittelbarsten Zugang zu den beiden Zentren im Gehirn haben, die für Marken so wichtig sind: Für die Erinnerung, das Gedächtnis, und für Emotionen, Gefühle, Stimmungen, Triebe. Sie können eine Marke nicht besser stabilisieren in Ihrem Gehirn, nicht dauerhafter und ohne ständige Wiederholung sogar, als wenn Sie einer Marke einen Duft geben.
Sie können mit Düften, mit der Nase, Marken erkennen. Und: Sie bewerten alle Marken, die Sie gerochen haben. Vor allem: Sie erreichen eine Bindung zu dieser Marke mit dem Duft, eine stabile, eine feste Bindung. Sie können Ihre Produkte mit einem Duft markieren, Sie können mit dem Duft einer Marke auch belohnen. Sie setzen sozusagen eine Duftmarke. Mit dem Setzen einer Duftmarke erreichen Sie vielleicht mehr als mit vielen anderen Sinnessystemen.
Und ein letztes: Gehen Sie nicht nur mit offenen Augen, sondern mit offener Nase durch die Welt. Dann werden Sie sehen eine unsichtbare Welt, die Sie umgibt, die Sie mit jedem Atemzug aufnehmen. Und die spannende Informationen und Emotionen für Sie liefert.

Dr. Martin Grunwald (5. Forum):
Herr Hatt hat um sein Sinnessystem gekämpft. Ich kämpfe um ein noch viel größeres, noch bedeutenderes Sinnessystem, um das Tastsinnsystem. Wir vertreten als Haptik-Forschungslabor die Ansicht, dass wir Menschen die Welt begreifen. Wir haben immer Kontakt zu irgendetwas in der physischen äußeren Welt, auch zu unserem eigenen Körper.
Auf diese Weise, im direkten körperlichen Kontakt, treffen wir Entscheidungen. Über den Geruchssinn werden ganz sicherlich emotionale Kanäle geschaltet und sehr lange bereitgehalten. Aber die Haptik, die Tastsinnerfahrung über Produkte, das sind natürlich elementare Prozesse. Wir sagen, dass starke Marken vor allen Dingen auch Marken sind, die eine ganz klare haptische Ansprache haben. Also unverwechselbares Material, körperliche Eigenschaften, die mit unserem Körper, mit unseren Händen interagieren – und das merken wir uns.
Das ist etwas, wo Marke sich essenziell unterscheiden kann von anderen Produkten. Ich denke, dass moderne Markenentwicklung von den Bedürfnissen des Tastsinnsystems ausgehen sollte.

Prof. Dr. Theo Smaczny (6. Forum)
Als Vertreter von Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof stellt Prof. Smaczny die Interscience-Praxis des G·E·M Forums „Wie Marken schmecken“ heraus. Der Pharmazeut Dr. Uwe Löffler hatte für seinen Beitrag den Titel „Wie man den Geschmack überlistet“ gewählt.
Ich muss etwas verpacken, was in der Regel nicht schmeckt, das bitter ist. Hier kann ich bitter mit Vanille überdecken. Ich kann harmonisieren mit Wermut. Ich kann tarnen und täuschen. Ich kann auch etwas verpacken, so dass der Geschmackssinn mit dem schlechten Geschmack nicht in Berührung kommt. Es geht eben über die Reizempfindungen hinweg und dann ist dieser nicht gewollte Geschmack nicht da. Verpacken, nannte er das. Und er kann es verstecken, indem er es zum Beispiel in Cyclodextrine einpackt oder in Fett. Aber, so schloss er, man kann nur überlisten, man kann nicht wirklich ändern.
Den Präsentationen zu den sechs G·E·M Foren schloss sich eine intensive Diskussion zu multisensorischen Markenführung unter der Moderation von Dr. Oliver Nickel an, die in der Dokumentation zum 18. G·E·M Markendialog nachzulesen ist.
Block II:
Das digitale Zeitalter fordert neue Ansätze
für die Markenführung über alle Sinne
Die Beziehungen zu Marken durch sinnliches Erfahren war Thema des ersten Themenblocks. Der zweite Themenblock lenkt den Blick auf das digitale Zeitalter: Wie ist Markenerleben möglich, wenn Mensch und Marke räumlich voneinander getrennt sind? Wenn der Mensch der Marke nicht analog begegnet, sondern über den Bildschirm virtuell? Das digitale Zeitalter fordert neue Ansätze für die Markenführung über alle Sinne.
Zu Beginn kritische Anmerkungen über die Veränderungen, die das digitale Zeitalter für den Menschen bringt – und die Folgewirkungen; im zweiten Teil Erfahrungen mit neuen Möglichkeiten, Marken in der digitalen Welt über alle Sinne erlebbar zu machen.
Bernd Kauffmann:
Alles verschwindet. Vom Aufgalopp der Virtualität

Bewusst hatte die G·E·M als Auftakt einen kritischen Geist geladen und ihn auch als solchen angekündigt: Bernd Kauffmann, Generalbevollmächtigter und Geschäftsführer der Stiftung Schloss Neuhardenberg, Berlin, der durch seine mutigen Betrachtungen zum kulturellen Wandel und den fatalen Folgen mancher neuer Erscheinungsformen in unserer Gesellschaft hervorgetreten ist.
»Lassen Sie uns ein wenig nachdenken« – begann Bernd Kauffmann seinen Vortrag – »über den kulturellen Wandel, seine Veränderungsschübe und Verwerfungen, dank derer nur wenig so bleiben wird, wie es einmal war, so viel verschwindet, was einmal als unverzichtbar galt.«
Und dann eine Anmerkung zu Marken:
»Marken sind immer und zu aller Zeit auch kreative Produkte des Kulturellen in Wort, in Form, in Stil und in Ästhetik. Sie sind „Produkt-Vertrauens-Brücken-Bau-Versuche“ in einer nationalen oder supranationalen Welt, die sich seit Beginn des neuen Jahrtausends aufs entschiedenste zu ändern beginnt.
Andererseits wird der Mensch von soviel „Markerei“ umstellt, dass man zuweilen – quasi markenbelagert – den Eindruck haben muss, alles sei Marke. Wenn aber Marke alles ist, ist Marke nichts. So gesehen scheint der Logos unseres Netzzeitalters auch zum „Logo“ der Marke zu mutieren.«
Im Laufe seiner Ausführungen betonte Kauffmann, dass er die Vorteile, den Nutzen von App und Netz und allen digitalen Fazilitäten durchaus nutze und zu schätzen wisse. Wenn er hier vor allem über die fatalen Folgen mancher Erscheinungsformen spreche, so wolle er vornehmlich vor kritikloser Ganzhingabe, egomanischer Selbstinszenierung und schamloser Zurschaustellung warnen.
Die folgenden Absätze sind eine selektive Auswahl aus dem Vortrag von Bernd Kauffmann, aus Tonaufzeichnungen und stenographischen Notizen.
»Mit dem rasant um sich greifenden Verlust des Sprach- und Stilgefühls verliert die Sprache in wachsendem Maße auch das, was sie zur Bedingung des Humanen macht: Ihre Ursprünglichkeit, ihre Bildhaftigkeit, ihre Unmittelbarkeit, ihre Klarheit, ihre Transparenz, ihre Gespanntheit und Ruhe, ihren Klang und ihre Rhythmik.
Wir erleben dagegen in Unmaßen täglich/stündlich gravierende Verstöße gegen die Sprache, werden eingedeckt mit Phrasen und Plastikwörtern, mit Floskeln verhunzter Alltäglichkeit, mit Statements und Proklamationen miserabelster Wortgarnitur. Was dringend Not tut, wäre der systematische Versuch einer Sensibilisierung der Sprechenden gegenüber dem Unheil der sich verquatschenden, der verquatschten Sprache.
Wenn auch die kommunikativen Segnungen der weltumspannenden Netze im Heute in nichts bestritten werden sollen, so bleibt doch als unstreitig zu konstatieren, dass das immer noch weiterwuchernde Übermaß an Twitterei und Simserei, an exhibitionismusgesättigtem Facebookisieren samt der ganzen übereilten e-Mailerei zu einer stetig um sich greifenden Sprachschrumpfung und -schändung führt, die man durchaus als Kränkung unserer zivilisatorischen Befindlichkeit bezeichnen kann.«
»Das Leitbild der Kommunikations- und Informationsgesellschaft ist der flexible Mensch, ein beschleunigter elektronischer Netz-Passagier, der – getrieben von der Unruhe, etwas zu verpassen – immer auf der vergeblichen Suche nach Halt, Sinn, Orientierung ist. Diesem nicht zur Ruhe kommenden Nomaden muss folgerichtig die verinnerlichte Moral abhanden kommen. Die Moralproduktion übernehmen nämlich jetzt der globale Markt und die Medien.«
Nicht umsonst nenne sich heutzutage das „Neue Testament“ der Utilitaristen, Ich-Agenten und hungrigen Selbstdarsteller „Facebook“, zu deutsch „Gesichtsbuch“. »In diesen gefacten Buch kann man zwar untilgbare Spuren, aber keinen wirklichen Menschenschatten hinterlassen, allenfalls nur digitales Streugut „enthemmter Charaktere“, die mit maskierter Schamfunktion ihr Leben im Netz simulieren und denen das Gefühl abhanden gekommen ist, jemals belästigt werden zu können.« (vgl. FAZ vom 24. Oktober 2011).
Und mit Facebook, das sich für 19 Milliarden Dollar gerade „WhatsApp“ hinzugekauft hat, sei es nicht getan. „Whisper“ heiße jetzt das aktuell-innovative Web-Format, das insbesondere die Jugend in Amerika gerade aufmische (vgl. SZ vom 4. Februar 2014). Wer hier mitmache, müsse nichts hinterlassen: keine e-Mail-Adresse, keine Telefonnummer, nichts – Einfach herunterladen, starten und schreiben. Nutzerprofile, Freundschaften – das alles gibt es nicht. Whisper werde von seinen Anbietern mit „where the truth lives“ beworben.
Diese Wahrheit liegt nach Ansicht ihrer Erfinder im Verborgenen, im Geheimen, in der Anonymität. Wer Whisper nutzt, müsse sich mit nichts mehr herumärgern. Soziale Anonymität und Pseudoanonymität kehren zurück in den medialen Mainstream (vgl. Pascal Paukner zu allem, SZ a.a.O.).
Für Kauffmann stellt sich – so effizient die Selbstentblößung des Menschen im Netz auch sein möge – die Frage:
Was verliert eine Gesellschaft, was verlieren ihre Menschen durch die Selbstpreisgabe ihrer Intimität?
»In jedem Fall verlieren sie das Vertrauen zueinander. Vertrauen ist immer ein Akt des Glaubens, der in Zeiten leicht verfügbarer Information allerdings immer entbehrlicher zu sein scheint. Wem soll ich noch ahnend vertrauen, wenn ich doch alles von ihm via Netz-Ausleuchtung erfahre, also viel mehr weiß, als ich glauben muss?«
Die Informations-Gesellschaft diskreditiere in wachsendem Maße das „glaubende Vertrauen“, denn Vertrauen werde ohne genaue Kenntnisse geschenkt, über die man nun netzerprobt verfüge, womit man dem Vertrauen den Laufpass geben könne.
Ganz abgesehen davon, dass dieses vermeintliche Wissen auch nur ein Gerümpel irgendwelcher Daten und Fakten aus dem Katalog der digitalen Persönlichkeitsmuster sei.
»Nur: Wenn es kein wirkliches Vertrauen mehr gibt, ist das ziel- und vertrauenslose Dahintreiben geradezu vorprogrammiert. „Drift“ nennt Richard Sennett dieses Verhalten. Und „Driften“ bedeutet naturgemäß die fast vollständige Außengeleitetheit des Menschen.
Hat die Flexibilität und Selbstpräsentation des Netzmenschen als oberstes Prinzip also eine Gesellschaft von Driftern zur Folge, in der Loyalität, Treue, Verpflichtung, Verbindlichkeit und Vertrauen ihren sozialen und moralischen Wert verlieren werden? So jedenfalls fragen immer mehr Menschen mit Staunen wie mit Befremden. Wird also in Zukunft die Schwäche von Bindungen unsere vermeintliche Stärke sein, wie Norbert Bolz es fragend formuliert?
Denn in der supranationalen Informationsgesellschaft unseres 21. Jahrhunderts scheint der Prozess des Vergessens eine Dimension erreicht zu haben, die alle bisherigen Stadien zu übertreffen droht. Wir nehmen teil an der „Illusionscharade“ der Gedächtnis-Entlastung durch die digitalen Kommunikationssysteme. Sie erziehen zum Primat des Kurzzeitgedächtnisses.
Gleichzeitig zeichnen sich Tendenzen einer Liquidierung tradierter Einrichtungen des Gedächtnisses (Bibliotheken, Theater, Opernhäuser, Museen, etc.) ab. Und dies wird noch begünstigt durch den rapiden Verlust der nur noch an der Vermittlung von Zukunftskompetenz ohne konzise Herkunftskenntnis orientierten Erziehungssysteme sowie der fatalen realen Erfahrungslosigkeit virtueller Medien- und Informationswelten.«
Uwe Munzinger:
Die neuen Möglichkeiten, Marken in der digitalen Welt erlebbar zu machen

Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise durch die neuen Möglichkeiten, Marken im digitalen Raum erlebbar zu machen – begann Uwe Munzinger, Partner bei Sasserath Munzinger Plus GmbH, Gesellschaft für umsetzungsorientierte Markenberatung und Markenentwicklung, Berlin, seinen Vortrag. Ich werde mich dabei ganz bewusst auf das Mögliche im Hier und Jetzt beschränken, also das, was tatsächlich heute in der digitalen Welt passiert. Die Zukunft, die Vision, überlasse ich dem dritten Themenblock.
Ich möchte über drei Punkte reden:
- Zum einen: Warum eigentlich Markenerleben, warum reden wir so viel über das Markenerleben im digitalen Zeitalter?
- Der zweite Punkt „Markenerleben im digitalen Zeitalter“ beschäftigt sich anhand vieler Beispiele mit den neuen Möglichkeiten.
- Und abschließend möchte ich gerne noch ein paar Gedanken loswerden, was sich eigentlich durch die Digitalisierung für Marken konkret ändert.
Zu 1.: Wir alle kennen die Situation – Marken haben es schwerer als jemals zuvor. Immer mehr Marken, immer mehr Produkte, immer mehr Angebote, immer mehr Services, immer mehr Webseiten, immer mehr Content. Vor dem Hintergrund passt das Statement von Marshall McLuhan besser als je zuvor: Jeder erlebt mehr als er versteht. Und das Erlebnis, heute müssten wir eigentlich anfügen „über alle Sinne“, bestimmt unser Verhalten, nicht das Verständnis, nicht, das, was wir verstehen, sondern das, was wir erleben.
Und wenn man über Markenerleben spricht, dann macht es Sinn, in zwei verschiedene Perspektiven zu trennen: Da ist zum einen die ganzheitliche Perspektive, also die Betrachtung der Summe der Begegnungen zwischen Menschen und Marken. Die andere Ebene ist die der einzelnen Erlebnisse, die eine Marke durchaus prägen und manchmal auch nachhaltig transformieren können.
Zu 2.: Das Digitale verändert uns. Es verändert die Art und Weise, wie wir uns informieren, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, wie wir konsumieren, wie wir einkaufen. Und es eröffnet viele neue Möglichkeiten. Auch Möglichkeiten, andere Arten von Erlebnissen zu schaffen, Erlebnisse, die Menschen Nutzen bringen. Die Charts 9 bis 31 (vgl. Downloadmöglichkeit unten) geben dazu Beispiele.
Zu 3.: Durch die Digitalisierung ändert sich für Marken Dreierlei: Kunden werden in der digitalen Welt Teil des Marken-Erlebnisses. Die Zukunft der Marken-Kommunikation liegt im Engagement. Und: Ganze Märkte ändern sich.
47 Vortrags-Charts zum Download (pdf 5,7 MB)
Block III:
Das digitale Zeitalter fördert neue Möglichkeiten
für die Markenführung über alle Sinne
Der dritte Themenblock geht davon aus, dass die digitale Welt es den Menschen nicht erlaubt, Marken mit allen Sinnen – sehen, hören, riechen, schmecken und tasten – direkt wahrzunehmen. Es werden Möglichkeiten gesucht, Vorstellungen zum Beispiel von Duft, Geschmack oder Haptik auf anderen Wegen im Gehirn des Menschen zu bewirken, auszulösen. Hier werden vor allem die für Imitation und Empathie zuständigen Spiegelneuronen im menschlichen Hirn diskutiert, die sich auch online auslösen lassen. Daher die Überschrift zu diesem dritten Themenblock: Das digitale Zeitalter fördert neue Möglichkeiten für die Markenführung über alle Sinne.
Dazu aus der Wissenschaft: „Spiegelneuronen als Brücke in die digitale Welt?“ und aus der Praxis: „Wie das digitale Zeitalter (neue) sinnlich wahrnehmbare Dimensionen erschafft“.
Prof. Dr. Peter Kenning:
Spiegelneuronen als Brücke in die digitale Welt?

Die wissenschaftlichen Schwerpunkte von Prof. Dr. Peter Kenning liegen unter anderem im Bereich Consumer Neuroscience. Auf dem 1. G·E·M Forum 2008 in Münster gab er in seinem Vortrag „Fünf Jahre neuroökonomische Markenforschung. Eine Zwischenbilanz“ ein Überblick über die bis dahin gewonnenen Untersuchungsergebnisse neuroökonomischer Markenforschung.
Seinen Vortrag „Spiegelneuronen als Brücke in die digitale Welt?“ (vorerst mit Fragezeichen) gliederte Professor Kenning in:
- Was sind Spiegelneuronen?
- Gibt es Spiegelneuronen im menschlichen Hirn und wenn ja, in welchen Arealen wären diese zu lokalisieren, zu verorten?
- Welche Bedeutung haben diese Areale im digitalen Kontext?
- Welche Impulse für die Markenforschung könnten sich aus dem Konzept der Spiegelneuronen ergeben?
Zu 1.: Ein Spiegelneuron ist eine Nervenzelle, die im Gehirn von Primaten beim Betrachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster aufweist, wie wenn dieser Vorgang selbst (aktiv) durchgeführt würde. 1992 hatten der italienische Neurophysiologe Giacomo Rizzolatti und seine Kollegen entdeckt, dass wenn ein Affe, das Versuchstier, sieht, wie der Experimentleiter etwas greift, die gleichen Neuronen aktiv sind wie in der Situation, wenn der Affe selber greift.
Daraus hat man geschlossen, dass der Affe offensichtlich in der Lage ist, die Aktivitäten in den Neuronen zu spiegeln. Diesen Neuronen gab man den Namen Spiegelneuronen.
Zu 2.: Im Hinblick auf die Lokalisierung von Spiegelneuronen im menschlichen Hirn erscheinen zwei Areale besonders bedeutsam: Broca-Area und TPJ.
Zu 3.: Es gibt keine Befundlage zu digitalen Entscheidungsprozessen vor dem Hintergrund der Spiegelneuronen. Auf Basis einer Studie zum Interaktionsverhalten in sozialen Netzwerken kommt Professor Kenning zu dem Schluss: Das Konzept der Spiegelneuronen scheint grundsätzlich auf digitale Kontexte übertragbar zu sein.
Zu 4.: Wenn das Konzept der Spiegelneuronen auf die Markenführung in digitalen Kontexten übertragen wird, so eröffnet dies die Möglichkeit zur Integration neurobiologischer Variablen in die Markentheorie und – damit verbunden – zur Entwicklung neuer, spannender Hypothesen.
Fazit von Professor Kenning zu „Spiegelneuronen als Brücke in die digitale Welt“ (nun ohne Fragezeichnen):
- Das Konzept der Spiegelneuronen bildet einen wichtigen Ausgangspunkt der Theoretisierung menschlichen Interaktionsverhaltens (auch in digitalen Kontexten).
- Die weiterführende Beschäftigung mit der Struktur, Funktion und Konnektivität der beiden mit dem Konzept verbundenen Areale – Broca und TPJ – bietet die Möglichkeit, neue Zusammenhänge herzustellen, wissenschaftlich zu prüfen und darauf aufbauend in der Praxis zu nutzen.
- Allerdings ist dieser Ansatz des „Brain Based Marketing Engineering“ mit hohen Rüstkosten verbunden und setzt voraus, dass wir die „Neuroanatomie der Marke“ (noch besser) verstehen.
33 Vortrags-Charts zum Download (pdf 0,7 MB)
Torsten Henning Hensel:
Wie das digitale Zeitalter sinnlich wahrnehmbare Dimensionen erschafft

Im zweiten Themenblock hatte Uwe Munzinger mit seinem Vortrag bewusst den Blick auf das gerichtet, was heute in der digitalen Welt geschieht, um Marken erlebbar zu machen. Torsten Henning Hensel, Head of Strategy, GREENKERN International GmbH, Berlin, weitet den Blick auf das, was morgen möglich ist unter der Überschrift „Wie das digitale Zeitalter (neue) sinnlich wahrnehmbare Dimensionen erschafft“.
Das Thema ist durch Komplexität gekennzeichnet. Und die Herausforderung, so Torsten Henning Hensel, besteht darin, vorerst einmal zu verstehen, was die digitale Welt eigentlich ausmacht, sodann zu beschreiben, was Sinne sind und welche Sinne für das Digitale sinnvoll ansprechbar oder nutzbar sind und schließlich, welche neuen Sinneswahrnehmungen sich im Digitalen hervorbringen, erschaffen lassen. Und so gliedert er in:
- Was ist eigentlich die digitale Welt?
- Was sind neue Sinnes-Erfahrungen?
- Wie bringen wir in der digitalen Welt neue Sinnes-Erfahrungen hervor, wie erschaffen wir diese?
Zu 1.: Die digitale Welt ist mehr als bloß unser Computer, Tablet oder Smartphone, worauf wir häufig gerade im Marketing die Aufmerksamkeit richten. Es ist auch mehr als das Internet, wie wir es kennen. Die digitale Welt hat sich eigentlich zu etwas entwickelt, was man als zweite Realität bezeichnen könnte. Ein technologischer Layer über der physischen Welt und damit eine Erweiterung der realen Welt und des Menschen.
Zu 2.: Eine meiner Grundthesen ist, dass das Digitale an sich schon eine eigene Sinnlichkeit besitzt. Es ist nicht nur sinnlich wahrnehmbar, sondern hat eine eigene Sinnesqualität.
Digitale Sinnlichkeit fokussierte bisher auf hören und sehen. Die übrigen drei Sinne – fühlen, schmecken und riechen – werden durch die aktuelle Generation von Computern und Devices noch nicht angesprochen. Es existieren jedoch erste Versuche, auch unseren Geschmacks- und Geruchssinn anzusprechen. Allerdings ist noch keine Technologie wirklich marktreif. Gleiches gilt für den Tastsinn.
Der Fokus der bisherigen Bemühungen lag vor allem darin, das Wirklichkeitserleben technisch zu imitieren. Zukünftig wird es zunehmend darum gehen, das Wirklichkeitserleben technisch zu erweitern.
Dabei stellt sich die Frage, ob sinnliches Erleben auf fünf Sinne beschränkt ist. Professor Schmid hat bereits als sechsten den Bewegungssinn erwähnt. Torsten Henning Hensel ist auf die Suche nach weiteren Sinnen gegangen und hat bei Rudolf Steiner „Die 12 Sinne des Menschen“ gefunden (vgl. Chart 31 – 34 im unten angebotenen Download). Weitere Sinnesdimensionen sind: Erkenntnissinne, Sozialsinne, Leibessinne (vgl. Chart 35) sowie Orientierungs-Sinn (Raum+Zeit), Kollektiv-Sinn/-bewusstsein, Metaphysischer Sinn (Spiritualität), Telepathischer Sinn (vgl. Aborigines), Ästhetischer Sinn („Geschmack“).
Fazit von Hensel: Wenn man dieses erweiterte Verständnis von Sinnen als Ausgangspunkt nimmt und mit den zahlreichen neuen Möglichkeiten der Datengewinnung kombiniert, entstehen digital vorangetriebene Technologien und Anwendungen, welche die Fähigkeit haben, unser sinnliches Wirklichkeitserleben immens zu erweitern.
Zu 3.: Die digitale Welt endet nicht an der Grenze der Wirklichkeitsnachahmung oder -simulation. Vielmehr sehen wir, dass die neuen technologischen Möglichkeiten unsere Sinne nicht einfach nur direkt „reizen“ (über unsere Perzeption), sondern dass sie tatsächlich indirekt auch gänzlich „neue“ Sinneserlebnisse ermöglichen (durch Assoziation oder Evokation).
Das Digitale wird damit zu einem Katalysator für die Erweiterung unserer sinnlichen Fähigkeiten. Wir werden ein neues Gefühl für uns selbst und unsere Umwelt durch die Nutzung digitaler Technologien bekommen können.
Bleibt eigentlich am Ende nur noch zu fragen: Was bedeutet das alles für die Marke? Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf die Markenführung? Wie verändert sich unser Verständnis um das Wesen der Marke?
Als Anstoß für eine weiterführende Diskussion endet Torsten Henning Hensel seinen Vortrag mit drei Gedanken/Fragen:
- Nutzer erwarten heute immer mehr situative Unterstützung, wir nennen das App-Mentalität. – Müssen Marken also immer auch eine digitale Komponente haben, um zukünftig erfolgreich zu sein?
- Das Thema „Internet of Things“ bedeutet, dass Konnektivität zunehmend alle Lebensbereiche durchdringt. – Verlangen „Soziale Medien“ und „Soziale Objekte“ in letzter Konsequenz auch nach sozialen Marken?
- Die digitale Welt als Erweiterungs-Layer der realen Welt. – Müssen Marken, um erfolgreich zu sein, das Bewusstsein und die Sinne/Fähigkeiten von Menschen erweitern?
48 Vortrags-Charts zum Download (pdf 1,5 MB)
Vorabendveranstaltung
Seit 2004 ist der G·E·M Markendialog flankiert durch eine Vorabendveranstaltung. Am Vorabend zum 15. G·E·M Markendialog, am 23. Februar 2011, wurde erstmals der »G·E·M Award« verliehen: für Menschen, die hinter der Marke stehen, für Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens. Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award« 2011 wurde Emil Underberg, mit dem »G·E·M Award« 2012 Albert Darboven, mit dem »G·E·M Award« 2013 Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell und mit dem »G·E·M Award« 2014 am Vorabend zum 18. G·E·M Markendialog, am 19. Februar 2014, Dr. h.c. August Oetker.
Ausführliche Berichte: www.gem-online.de/award
---------------------------------------
Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Geschäftsführer G·E·M, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Photo Journalist, Berlin
---------------------------------------