15. G·E·M Markendialog 2011
Markenstrategien im Spannungsfeld Hersteller – Handel
24. Februar 2011
Zum 15. Mal führte die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ihre jährliche Frühjahrsveranstaltung durch, den "G·E·M Markendialog". Am 24. Februar 2011 ging es im Harnack-Haus, der Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem, um das höchst aktuelle Thema "Markenstrategien im Spannungsfeld Hersteller - Handel".
Ein Spannungsfeld ist laut Brockhaus-Wahrig/Deutsches Wörterbuch ein Bereich mit gegensätzlichen Kräften, die aufeinander einwirken.
A never ending story
Vor 44 Jahren schreibt Prof. Dr. Otto Angehrn zu diesem Spannungsfeld im Hinblick auf das Thema "Marke" (Der Volkswirt, 2. Juni 1967: Kraftprobe mit der Handelsmarke) von "der Natur des Marktes, der sich als Spannungsfeld gegensätzlicher Kräfte kennzeichnet". Und bemerkt:
"Es kann keine Rede davon sein, dass die eine Art von Marken die andere aus dem Felde zu schlagen vermöchte. Die Erwartungen eines absoluten "Sieges" der einen oder anderen Seite widerspricht der Natur des Marktes."
Vor 87 Jahren bereits erscheint ein Buch mit dem Titel "La Lutte entre l'Industrie et le Commerce. La Marque - son lancement, sa vente, sa publicité". Von Francis Elvinger, Paris 1924. Viktor Mataja nennt dieses Buch eine "sehr lebendig gehaltene, inhaltsreiche Schrift, die sich sehr einlässlich mit den mit dem Markenwesen zusammenhängenden Interessengegensätzen und Kämpfen zwischen Industrie, Handel und den einzelnen Betriebsformen befasst."
Und 2011 lautet das Thema des 15. G·E·M Markendialog:
Markenstrategien im Spannungsfeld Hersteller - Handel
Das Thema scheint auf den ersten Blick in der Tat nicht neu - sagt Friedrich Neukirch, Vorsitzender der G·E·M, in seiner Einführung. Finden wir doch in vielen Tagungen und Seminaren das Thema schon in den 1960er Jahren. Die G·E·M hat 1970 begonnen, sich mit dem Thema intensiver auseinander zu setzen. Ich will nur auf eine Arbeit hinweisen, die die G·E·M gefördert hat: 1971 als Buch "Kooperative Absatzwirtschaft. Grundlagen, Erfordernisse und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel" von Arno Sölter.
Doch meist ging es um Hersteller und Handel generell, um Interessengegensätze und um Möglichkeiten der Zusammenarbeit, der Kooperation. Heute wollen wir das Thema weit spezifischer angehen: Nicht "Absatzwirtschaft", nicht "Marketing", sondern "Markenstrategien" stehen dabei im Fokus, wenn wir das "Spannungsfeld Hersteller - Handel" betrachten.
Wie bei den G·E·M Markendialogen seit 1997 üblich, haben wir das Thema in drei Themenblöcke unterteilt:
- 1. Markenstrategien aus der Sicht des Herstellers
- 2. Markenstrategien aus der Sicht des Handels
- 3. Kooperative Markenstrategien von Hersteller und Handel.
Zu jedem Themenblock sprechen jeweils Wissenschaftler und Vertreter aus der Unternehmenspraxis.
Um danach mit dem Auditorium unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Richard Köhler, Emeritus am
1. Markenstrategien aus der Sicht des Herstellers
Zum ersten Themenblock referierte Prof. Dr. Thomas Rudolph, Lehrstuhl für BWL und Marketing, Universität St. Gallen, sowie Direktor des dortigen Forschungszentrums für Handelsmanagement, als Vertreter der Wissenschaft. - Für die Unternehmenspraxis sprach Dr. Reinhard Zinkann, Geschäftsführender Gesellschafter Miele & Cie. KG, Gütersloh, sowie Vizepräsident Markenverband.
Ich möchte Sie ein wenig in die Zukunft führen - begann Professor Thomas Rudolph seine Gedanken zu Markenstrategien aus Sicht der Hersteller. Deshalb folgen jetzt sieben Thesen für ein erfolgreiches Marken-Management, mit denen ich Ihnen Impulse mitgeben möchte.
These 1: Die Prinzipien der Markenführung sind für Hersteller zu erweitern, weil Anzahl und Relevanz von Markenkontaktpunkten sich erheblich verändern. Markenkontaktpunkte 1980: Personen, Shop, TV, Radio und Zeitung. 2011 kommen als Markenkontaktpunkte hinzu: Facebook, Blogs, E-Mail, Websites, Viral Ads, SMD, Mobile Web und Twitter.
These 2: Mit der Verbreitung des mobilen Internets findet eine Demokratisierung der Markenführung statt. Beispiel: Das Smartphone als Self Service Technologie und die Vernetzung von Informationskanälen
These 3: Hersteller müssen die "die letzten 5 Minuten" am Point of Purchase für ihr Markenmanagement besser nutzen. Es geht in der Kaufphase darum, dramaturgische Exzellenz zu zelebrieren, den Kunden zu inspirieren. Und in der Nachkaufphase auch darum, cross-selling Potenziale zu realisieren.
These 4: Mit der Eröffnung von Monobrand-Stores eröffnet sich Herstellern die Möglichkeit, Marken konsistenter zu inszenieren.
These 5: Der Paradigmenwechsel von der top-down geprägten Markenführung hin zur emergenten Markenführung verlangt nach einem neuen Grundverständnis. Die Möglichkeit, in sozialen Medien aktiv zu werden, verändert die Prinzipien der Markenführung und der Lehrbücher.
These 6: Konsistentes Markenmanagement verlangt die Abkehr von der funktionalen Markenführung und damit einen Umbau der Ablauforganisation. Bessere Koordination in drei Bereichen: Markenkontaktpunkte, Marketinginhalte und Informationsaufbereitung.
These 7: Das Marketing muss nachhaltiger werden, sonst wird es der Markenführung schaden. Strategische Hinterfragen auch des Markenkerns. Das Marketing muss mithelfen, den Kern des Produktes zu verbessern. Ohne Substanz keine nachhaltige Kundenbindung. Es braucht Kundenvertrauen. Dazu muss das Marketing stärker beitragen.
Dr. Reinhard Zinkann beschrieb das "Spannungsfeld Hersteller - Handel" als einen schwelenden Konflikt, der sich zwischen dem ausgeprägten Bedürfnis des Herstellers nach Wertdarstellung, dem Bedürfnis bestimmter Vertriebsformen im Handel nach Demonstration ihrer ausschließlichen Preisattraktivität und dem Bedürfnis des Gesetzgebers nach möglichst uneingeschränktem Wettbewerb bewegt.
Diesen Konflikt aufzulösen sei nicht ganz einfach, zumal unter den Parteien ein vertikaler Wettbewerb um den individuellen Anteil am sogenannten "total channel profit" herrscht, der Verteilung des Gesamtgewinns zwischen Hersteller und Handel. Dr. Zinkann plädierte für ein gemeinsames Markenmanagements aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Partner.
An Beispielen von Miele, dem weltweit führenden Hersteller von Premium-Hausgeräten, erläuterte Dr. Zinkann:
1. Markenführung durch "selektiven Vertrieb": Unterstützung des stationären Fachhandels, Fokussierung auf mehrwert-orientierten Verkauf, Mitgestaltung der Distributionskanäle und Stärkung der Premium-Positionierung.
2. Markenführung durch "MCA" (Miele Chartered Agency): Die Vertriebspartner verkaufen auf Rechnung des Hersteller und erhalten dafür eine Provision; der Hersteller gestaltet den POS, finanziert die Ausstellung, kontrolliert den Preis, hat den "heißen Draht" zum Endkunden; die Vertriebspartner profitieren von niedrigem Kapitaleinsatz und stabilen Margen; ein konsistenter und qualitativ hochwertiger Markenauftritt ist sichergestellt.
Sein Fazit fasste Dr. Zinkann in drei Thesen zusammen:
1. Hersteller und Händler bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft, die es unabdingbar macht, ihre Markenbotschaften auf Basis gemeinsamer Spielregeln detailliert aufeinander abzustimmen.
2. Hierbei muss der Hersteller das Steuer fest in der Hand behalten. Dass dies nicht immer frei von Spannung über die Bühne geht, liegt in der Natur der Sache, ist aber auch im positiven Wortsinn spannend. Und es macht Teil des Reizes der unternehmerischen Markenführung aus.
3. Eine Marke überall auf der Welt am point of sale erlebbar und wiedererkennbar zu machen im Sinne eines feel - smell - touch, ist enorm aufwändig. Hierbei sind die Händler auf die Unterstützung der Hersteller angewiesen, nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell. Diesen Aufwand können eigentlich nur starke Marken treiben.
Schließen möchte ich - so Dr. Reinhard Zinkann - mit einem Appell an alle, die ein Produkt vermarkten beziehungsweise eine Marke führen: Unterschätzen Sie nicht die Bereitschaft der Menschen, für herausragende Qualität, herausragenden Service oder auch ein herausragendes Einkaufserlebnis den einen oder anderen Euro zusätzlich zu bezahlen. Wir bei Miele sind mit dieser Zuversicht in den zurückgelegten 112 Jahren jedenfalls recht ordentlich gefahren. Und unsere Partner im Handel auch.
2. Markenstrategien aus der Sicht des Handels
Zum zweiten Themenblock sprachen Prof. Dr. Werner J. Reinartz, Direktor des Seminars für Handel und Kundenmanagement, Universität zu Köln, sowie des Instituts für Handelsforschung als Vertreter der Wissenschaft - und Josef Sanktjohanser, Vorstand REWE Group, Köln, sowie Präsident Handelsverband Deutschland - Der Einzelhandel (HDE) als Vertreter der Unternehmenspraxis.
Die Perspektive des Handels zum Thema Markenführung beleuchtete Professor Werner J. Reinartz und kam dabei immer wieder auf das Rollenverständnis von Herstellern und Händlern zu sprechen.
Letztendlich sei das Ziel, woran sowohl Herstellermarken als auch vermehrt Handelsmarken und Händler arbeiten, einen Mehrwert im Kopf des Konsumenten zu erzeugen. Wenn man das schafft, dann schafft man es auch, das Preispremium oder das Loyalitätspremium entsprechend darzustellen. Und das schafft man durch Darstellung von Informationseffizienz, Risikoreduktion und ideellem Nutzen.
Bei der Informationseffizienz geht es um die Wahrnehmung einer Marke durch den Konsumenten. Zum Beispiel die Wiedererkennung. Das sei natürlich ein Instrumentarium, was Hersteller außerordentlich gut beherrschen. Doch das sei auch ein Punkt, wo immer mehr Händler ansetzen und versuchen, einen entsprechenden Wert zu schaffen. Das Marken-Risiko reduzieren, also Vertrauen aufbauen, ist die zweite Stufe des Mehrwertes, den Marken schaffen. Marken können, drittens, einen ideellen Nutzen stiften. Ziel ist die Schaffung von positiven, starken und einzigartigen Produktassoziationen. Und daran arbeiten heute viele Händler mit ihren Handelsmarken im Hintergrund systematisch.
Traditionelle Rollenverständnisse von Herstellern und Händlern stoßen an ihre Grenzen, betont Prof. Reinartz. Und zitiert Christoph von Guionneau, Chef von Schuhhändler Görtz: "Der Händler muss heute zum Hersteller werden und der Produzent muss Händler werden." Und das sehen wir heute de facto immer mehr über die verschiedenen Handelsbranchen, über die verschiedensten Produkt-Kategorien hinweg. Und wir sehen es genauso auf der Herstellerseite.
In seiner Zusammenfassung formulierte Prof. Reinartz drei Kernpunkte zu Markenstrategien aus der Sicht des Handels:
1. Die Rolle des Händlers als Marke hat signifikant zugenommen und wird auch noch weiter zunehmen; sie wird in Zukunft professioneller.
2. Der Marktanteil von Handelsmarken wird sich durch eine weitere Professionalisierung der Markenführung und durch eine stärkere vertikale Wertschöpfung weiter erhöhen. Und steht damit natürlich im Spannungsfeld zu den Herstellermarken. Gleichzeitig sind Hersteller dabei, selber in die Vorwärtsintegration in der Distribution zu gehen.
3. Die Messlatte für Markenführung und vertikale Wertschöpfung im Handel ist es, für den Konsumenten wahrgenommenen Nutzen und Mehrwert zu schaffen. Und das ist eigentlich ein Know-how, was Hersteller de facto beherrschen, was Händler sich aber immer mehr aneignen.
Josef Sanktjohanser begann seine Einblicke in Markenstrategien des Handels, insbesondere am Beispiel der REWE Group, Köln, damit, dass einer mal gesagt haben soll, dass der Handel die Markenführung als terra incognita jetzt doch entdeckt habe und so langsam wach würde.
Aber wichtig sei doch, dass wir wirklich in den letzten Jahren ein Erwachen hatten und gesehen haben, dass die klassische Markenführung wirklich so viel Erfolgspotenzial hat für eine Händlermarke. Das wurde für die REWE nicht neu entdeckt, aber es hat doch eine hohe Dynamik bekommen.
Es gibt einige Besonderheiten der Markenführung im Handel, so Sanktjohanser:
1. Retail Branding hat eine enorme Komplexität
2. Die einheitliche Markenführung ist im Handel deswegen weit weniger gewährleistet, also anstrengender, als in der Konsumgüter-Industrie, aber
3. Der Vorteil der Markenführung im Handel liegt in der Interaktion zwischen Mitarbeitern und heterogenen Kundencharakteren. Mitarbeiter sind Markenbotschafter.
Für das Konzept des Retail Branding nannte Sanktjohanser sechs Faktoren:
1. Image der Marke als Erfolgsgarant
2. Retail Branding - Markierung der Verkaufsstelle und des Sortiments
3. Physisches Marketing durch Name, Logo, Design, Claim und Eigenmarken
4. Identitätsbasiertes Marketing durch eine Assoziationsstruktur für Qualität, Prestige, Selbstdarstellungsmöglichkeit des Kunden, Behavioral Branding
5. Dachmarkenstrategie
6. Einzelmarkenstrategie.
Josef Sanktjohanser gab in seinem Referat Antworten auf sog. "politische Fragen" wie: Ist der Handel der Herrscher im Absatzkanal? Wechselt die Paradedisziplin der Industrie, das "Verbraucher- Marketing", zum Handel? Findet dieser Paradigmenwechsel wirklich statt? Wird der Hersteller zum Erfüllungsgehilfen des Handels zurückgestuft?
Diese eher provokanten Fragen würde ich alle mit tendenziell "nein" beantworten. Es ist eine Frage der Sichtweise. Wir können ja auch fragen, ob denn der Herrscher im Absatzkanal bisher die Industrie war. Und natürlich haben wir heute Verbraucher-Marketing. Werden die fünf REWE-Marken eine echte Alternative zu Marken der Hersteller, den Markenartikeln im Sortiment? Natürlich sind sie eine Alternative; sie begrenzen die Möglichkeit vor allen Dingen der B-Marken oder der Mittelmarken, deren Wachstum.
Und: Ist die Markenstrategie von REWE eine bewusste Kampfansage an die Hersteller, deren Marken im REWE-Sortiment geführt werden? Nein. Warum sollten wir gegen Hersteller kämpfen. Wir kämpfen für den Kunden, für eigenen Umsatz. Auch besteht für die REWE das im Tagungsthema genannte "Spannungsfeld Hersteller - Handel" nicht, weil wir das auflösen müssen. Wir kämpfen ja nicht gegen, sondern wir wollen möglichst viel Nutzen, vor allen Dingen aus der hohen Innovationskraft, den technologischen Voraussetzungen, die in der Vorstufe beim Hersteller bis zum Erzeuger sind.
Als "politische Bedrohungen" nannte Sanktjohanser Eigenmarken-Begrenzungen, Konditionen-Gesetze und Kartellrechtliche Zwänge. Ein abendfüllendes Thema. Und ging deshalb zu den marktwirtschaftlichen Antworten über:
1. Vertikale Integration im Handel und in der Industrie
2. Vertikale Kooperation im Rahmen des Category Managements und der Optimierung der Wertschöpfungskette
3. Erhaltung der Verhandlungsspielräume und der Kontrahierungsfreiheit.
Das sind alles Reflexe auf das, was wir in der Tat erwarten in dem Heraushalten des Staates, in Reglementierungsdichte und -tiefe, die wir gerade auch bei den Kennzeichnungsverordnungen wieder erleben. Ein mühsames Unterfangen, den Staat wirklich aus wirtschaftlichen Prozessen herauszuhalten. Das ist, glaube ich, eine ganz große Herausforderung, die wir gemeinsam anpacken müssen.
Die Zukunft heißt ganz klar: Stärkung der Marke - der Hersteller- und Händlermarke!
3. Kooperative Markenstrategien von Hersteller und Handel
Der dritte Themenblock handelte von Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Hersteller und Handel bei Markenstrategien. Es sprachen Prof. Dr. Prof. h.c. Bernhard Swoboda, Pofessur für Marketing und Handel der Universität Trier als Vertreter der Wissenschaft - sowie als Vertreter der Unternehmenspraxis für den Hersteller Willi Schwerdtle, Vice President Global Customer Business Development, Procter & Gamble, Schwalbach am Taunus, und für den Handel Franz-Friedrich Müller, Direktor Markant AG, Pfäffikon/Schweiz.
Mit einem Blick auf mögliche Partnerschaftstypen leitete Prof. Dr. Bernhard Swoboda seine Überlegungen zu kooperativen Markenstrategien von Herstellern und Händlern ein. Weil er nicht von der Marke komme, sondern von der Kooperation. Ihm ging es um die Frage: Welche Konsequenzen haben Kooperationen von Hersteller und Handel tatsächlich für die Marken? Und wie sehen diese aus, wenn wir Dominanztypen haben, das heißt, wenn einer von den beiden Partnern im Kanal dominiert. Und wie sieht das aus, wenn wir Partnerschaftstypen haben, also wenn beide gleichberechtigt sind?
Prof. Swoboda zeigte an Beispielen und wissenschaftlichen Befunden, zu welchen Ergebnissen hersteller-dominante Strategien oder eher handels-dominante Strategien führen und was sich bei einer Kollaboration, bei der die Partner gleichgewichtig sind und sich deswegen zusammenraufen müssen, ergibt.
Ansatzpunkt der Kooperation liegen zum einen im Trade Marketing: Breites Instrumenten-Mix und Professionalisierung des Handels mit (mittelbaren) Markeneffekten. Und im Efficient Consumer Response (ECR) Management: Branchenspezifische Ansätze im Supply Chain Management mit mittelbaren Markeneffekten und Ansätze im Category Management mit unmittelbaren Markeneffekten. Von Wissenschaftlern würde u.a. festgestellt: Wenn Kooperation im Supply Chain Management, dann ist es besser, der Händler hat den Hut auf. Das heißt: dann zeigen sich stärkere Effekte für Hersteller und Händler in der Wertschöpfungskette.
Es gibt oft gegenläufige Ziele von Herstellern und Händlern, so Prof. Swoboda. Auf der einen Seite Einkaufsstätten-Bindung, auf der anderen Seite Marken-Bindung. Man kann aber auch zeigen, dass dyadische Partnerschaften, also Zweier-Partnerschaften zwischen Herstellern und Händlern, erfolgreich sein können.
Anders die Dominanztypen. Auf der einen Seite die Händler-Dominanz. Dann sind Themen das Reverse Marketing, also eine bewusste Bearbeitung der Beschaffungsmärkte, Vertikalisierung bis hin zu Regiebetrieben. Und der Hersteller als Handelsmarken-Produzent. Auf der anderen Seite hersteller-dominante Systeme. Hier geht es vor allem um Kontrakt-Vertriebssysteme wie diese im Fashion-Handel an Bedeutung gewinnen und unmittelbar dafür gedacht sind, die Marke zu stärken.
Als Fazit fasste Prof. Swoboda zusammen: Es gibt viele Möglichkeiten, Einfluss auf die Marke zu nehmen. Sie können das Ganze vollvertikal integriert machen, um das Image mit Flagship Stores zu stärken, um Überproduktion in Factory Outlets zu verkaufen oder ähnliches, was aus Fashion-Branchen bekannt ist.
Sie können sich den selektiven, exklusiven oder sonstigen Vertrieb auf die Fahne schreiben. Oder Sie können mit kollaborativen Systemen operieren.
Prof. Swoboda schloss mit einem Blick auf Entwicklungstendenzen der Kollaboration: Zum einen Weiterführung/Weiterentwicklung im Bereich ECR (ECR-Reloaded), zum anderen Unsicherheit in Deutschland wegen der in den nächsten zwei Jahren zu erwartenden Aktivitäten des Kartellamtes zur Kooperation zwischen Hersteller und Handel. Und: Zunehmende Internationalisierung sowie Herausforderungen zum nachhaltigen Handeln erzeugen Druck, sich gemeinsam zusammenzuraufen.
Es gibt immer noch genügend Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit von Industrie und Handel und viele komplett neue Herausforderungen, die uns zwingen, noch enger zusammenzuarbeiten. So Willi Schwerdtle zu Beginn seines Vortrages über kooperative Markenstrategien von Hersteller und Handel - aus der Sicht von Procter & Gamble.
Die Überarbeitung der value chain ist mit Sicherheit eine Riesen-Herausforderung, eine Riesen-Chance, dass Handel und Industrie enger zusammenarbeiten.
Der Handel hat unglaublich viele Daten und er nutzt diese wesentlich mehr und intensiver als früher. Wie weit wird man diese auch austauschen dürfen? Ich bin trotzdem überzeugt, dass 1+1 nicht 2 sein kann, sondern 3, wenn man die Daten smart und intelligent zwischen Industrie und Handel vernetzt und nutzt.
Wenn ECR vor 20 Jahren der erste Ansatz war, dann sehen wir heute auf der globalen Ebene, dass ECR-Reloaded die new ways of walking together, die neuen Wege der Zusammenarbeit sind.
Dabei kommt es zum Teil auf die Kultur an, ob und wie man zusammenarbeitet, anstatt nur einfach die Systeme miteinander sprechen zu lassen.
Es geht um Zusammenarbeit, um Collaboration, und nicht nur um die Frage, wie der Producer zum Endverbraucher kommt. Mit Sicherheit haben wir es 20, 30 Jahre auch erfolgreich geschafft, durch den Handel an den Endverbraucher unsere Produkte zu liefern. Doch das hat sich die letzten Jahre massiv verändert.
Die Zusammenarbeit von Procter & Gamble und Metro bei der Entwicklung spezieller Product Solutions für bestimmte Zielgruppen nannte Willi Schwerdtle ein Wheel of Growth. Es geht um eine zielgruppenspezifische Produktfamilie für Profi-Kunden, wo P&G bisher noch nicht präsent ist. Im Bereich HORECA, Hotels, Restaurants, Catering, nutzt P&G Tools und Möglichkeiten, die die Metro bietet. Zum Beispiel den Metro-Außendienst, der P&G Produkte - Spülmittel, Waschmittel und Sanitärreiniger, die speziell auf die Produktbedürfnisse dieser Zielgruppe abgestimmt sind - bei den Hotels und Restaurants vorstellt. Wir probieren das aus - in Spanien und Ungarn - und wir werden mit Sicherheit irgendwann einen Schlussstrich ziehen und uns fragen: Lohnt sich das für die Metro und für uns? Aber es ist zumindest mal ein anderer Ansatz.
Oder die Zusammenarbeit von Procter & Gamble mit real SB-Warenhäuser, die zur METRO GROUP gehören. Es geht um Familien mit Kindern und die Marke Pampers. Es geht darum, Category-Wachstum und Wertschöpfung zu generieren, also einen viel breiteren Ansatz, den man bei P&G den POME= Point of Market Entry nennt, zu nutzen. Kundenbindungsprogramme zu entwickeln, die möglichst lange die junge Familie an die Marke und an die Einkaufsstätte binden. Das versucht man mit Programmen, die die Familie loyal zur Marke Pampers machen. Und mit den Programmen, die der Handelskunde hat, zum Beispiel dem Payback-Programm von Metro und real.
Willi Schwerdtle: Wie schaffen wir es, die Daten der Metro, die Kundendaten, mit unseren Daten zu verknüpfen? Wie schaffen wir es, die junge Mutter an die Marke zu binden, aber auch an die Einkaufsstätte? Und das nicht nur mit einem Coupon, der dann im Endeffekt einen billigeren Preis irgendwo macht. Wie schaffen wir es, über eine Zeitspanne von bis zu 10 Jahren die Mutter und die Familie an die Marke und die Einkaufsstätte zu binden? Bei uns heißt das: "Hallo Baby", dann "Hallo Entdecker", "Hallo Mini" und Hallo Kids".
Auf jeden Fall, schloss Schwerdtle die Präsentation seiner Beispiele der Zusammenarbeit von Hersteller und Handel, gibt es einen Riesenbereich an Möglichkeiten, wo wir enger zusammenarbeiten müssen.
Kooperative Markenstrategien von Hersteller und Handel - aus der Sicht einer Handelskooperation, hatte Franz-Friedrich Müller seine Präsentation bewusst überschrieben. Wir kooperieren seit fast 60 Jahren, aber Sie kennen uns vielleicht gar nicht, sagt er den Zuhörern. Und ergänzt: Die Markant AG ist die größte Handels- und Dienstleistungskooperation im Lebensmittelhandel in Europa mit mehreren Jahrzehnten an Markterfahrung. Unsere Handelspartner sind in erster Linie privatwirtschaftliche Unternehmen. Sie handeln mit Waren aus dem Food- und Nonfood-Bereich. In Deutschland Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser, Handelskettengeschäfte und Supermärkte, Cash + Carry Märkte, Baumärkte / Gartencenter / Warenhäuser / Technikmärkte, Drogeriemärkte / Pharma, Convenience-Kanäle, Großverbraucher und Onlineshops.
Wir sind für unsere Partner tätig als Dienstleister für Warengeschäft und Verrechnung, für die Prozessoptimierung in der Wertschöpfungskette "Handel - Hersteller - Konsument". Wir können nur Kooperation, davon leben wir.
In der horizontalen Kooperation sind wir auf unsere Mitglieder angewiesen. Deshalb müssen wir Dienstleistungen entwickeln, die der Handel nutzt und die dem Handel nutzen.
In der vertikalen Kooperation unterbreiten wir unseren Industriepartnern Angebote, die so intelligent sind, dass daraus erhebliche Erleichterungen in Prozessen entstehen und Angebote, durch die die Ansprache des Konsumenten gesichert wird. Abgestimmt mit und auf die eigene markenindividuelle Kommunikationsstrategie.
Wichtigster Aspekt der Kooperation ist für Markant das Ressourcen-Management. Arbeit, Boden und Kapital müsse um eine weitere Dimension ergänzt werden: Information! Und zwar Information in all ihren Facetten. Aktuell, korrekt, kundengerecht, zeitgerecht umfassend. Unsere Partner haben die Pflicht, uns aktiv mit Qualitäts-Informationen zu versorgen, aber auch das Recht, jegliche Information in ihrem Sinne zum gegenseitigen Vorteil verwertet zu wissen. Information ist sowohl Hohl- als auch Bringschuld.
Information heißt Kooperation auf jeder Stufe. In der horizontalen Kooperation unserer Gruppe klappt das mittlerweile ausgezeichnet. In der vertikalen Kooperation - betont Franz-Friedrich Müller - bleibt immer noch die Frage, wann es die Industrie endlich erkennt und sich aktiv beteiligt, denn ansonsten bleiben wichtige Chancen zur Prozessoptimierung und Kostenminimierung ungenutzt.
Neben dem zentralen Artikel-Stammdaten-Pool zur Abbildung von Geschäftsprozessen pflegt Markant eine Produkt-Dokumenten-Datenbank und eine Medien-Datenbank. Erstere ist ein Datenpool für produktbezogene Dokumente, Sicherheitsdatenblätter, Zertifikate, Garantien etc. Markant nimmt seinen Partnern eine oftmals leidige Pflicht ab; und die Industrie kann hier ihre Daten ablegen. Die Medien-Datenbank beschafft, prüft und stellt bereit aktuelle Multi-Media-Daten: Display, Erlebniswelten, Produktdetails, Promotions, Neue Artikel und Instore-Medien.
Diese umfassende Datenbank nennt man bei Markant PROMIS = Produkt Management Informations Service. Bestehend aus AZ Zentraler Artikelstamm, db medien-datenbank, PDD Produkt-Dokumenten-Datenbank und Sonstigem Produkt-Content.
Franz-Friedrich Müller: Wir sehen uns als die Kooperationsplattform der qualitativen Absatzförderung für Handel und Industrie. Bei uns wird Kooperation intensiv gelebt. Die Dienstleistung und die Qualität dieser Dienstleistung sind unsere Marke.
Vorabendveranstaltung
Seit 2004 ist der G·E·M Markendialog flankiert durch eine Vorabendveranstaltung. Am Vorabend zum 15. G·E·M Markendialog, am 23. Februar 2011, wurde erstmals der "G·E·M Award" für Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens verliehen. Ausgezeichnet wurde Emil Underberg.
Ausführlicher Bericht: www.gem-online.de/award
Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
---------------------------------------
Die Dokumentation zum 15. G·E·M Markendialog "Markenstrategien im Spannungsfeld Hersteller - Handel " ist erhältlich im Book Shop der G·E·M:
www.gem-online.de/books
---------------------------------------