14. G·E·M Markendialog 2010
Markenführung in strukturell veränderten Märkten
25. Februar 2010
Zum 14. Mal führte die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ihre jährliche Frühjahrsveranstaltung durch, den "G·E·M Markendialog". Am 25. Februar 2010 ging es im Harnack-Haus, der Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem, um das Thema: Markenführung in strukturell veränderten Märkten.
Bewusst hatte man als Thema nicht "Markenführung in Zeiten der Krise", sondern "... in strukturell veränderten Märkten" gewählt. Denn "strukturell verändert" greift weiter. Strukturveränderungen sind die über einen längeren Zeitraum stattfindenden Verschiebungen des gesamtwirtschaftlichen Gefüges. Am Vorabend der Tagung hatte Leo A. Nefiodow bereits eindrucksvoll über den Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft in langen Wellen (40 bis 60 Jahre) gesprochen.
Strukturelle Veränderungen führen zu neuen Fragen
Der 14. G·E·M Markendialog hatte die Struktur unserer Märkte, die sich verändern, im Visier. Kurz- und mittelfristig. Diese strukturellen Veränderungen führen zu Fragen wie:
– Braucht es Innovationen gegenüber dem Absatzmarkt, die nicht nur im Bereich
der angebotenen Produkte und Dienste liegen?
– Bekommt der Wert "Vertrauen" eine veränderte Dimension, z.B. im Hinblick
auf das größere globale Angebot, den wachsenden Anteil älterer Menschen
als Marktteilnehmer oder die jüngsten Entwicklungen der Finanz- und
Realgütermärkte?
– Wird die "Gelebte Kultur" innerhalb eines Unternehmens von den Kunden als
Entscheidung für ihren Kaufentscheid wahrgenommen und honoriert?
Durch Fragen wie diese gelangte man zu drei Unterthemen des Dachthemas "Markenführung in strukturell veränderten Märkten":
1. Innovationen im Absatzsystem Marke
2. Vertrauen schaffende Marken-Kommunikation
3. Nachhaltig gelebte Unternehmenskultur und Marken-Erfolg.
Zu jedem Themenblock sprachen - wie beim G·E·M Markendialog seit 1997 üblich - jeweils ein Wissenschaftler und ein Vertreter aus der Unternehmenspraxis, um danach mit dem Auditorium unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Richard Köhler, Emeritus am Marketing-Seminar der Universität zu Köln, zu diskutieren.
1. Innovationen im Absatzsystem Marke
Zum ersten Themenblock referierte Prof. Dr. Anton Meyer, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Marketing), als Vertreter der Wissenschaft. Ihm folgten (erstmals) zwei Vertreter der Unternehmenspraxis, einer für den Bereich Dienstleistungen: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandssprecher quirin bank AG, Berlin; der andere für den Bereich Markenartikel: Holger Feldmann, Geschäftsführer Nespresso Deutschland GmbH, Düsseldorf.
Einen Reiseführer in die Zukunft der Marke nannte Professor Anton Meyer seine Gedanken zur Innovation im Absatzsystem Marke. Und fügte als Untertitel hinzu: Marke – vom Logo zum Wert(e)schaffungssystem. Nach einem kurzen Streifzug durch die Vergangenheit mit Blick auf das Markenverständnis von Georg Bergler und Paul W. Meyer beschrieb Professor Meyer unser heutiges, ein integratives Markenverständnis: "Die Marke ist ein geteiltes Werteverständnis, aus identitätsorientierter Sicht ein ganzheitlich gesteuertes und gelerntes, aus eigentumsrechtlicher Sicht über spezifische Zeichen abrufbares, aus wirkungsorientierter Sicht Schema."
Anton Meyer teilte die Entwicklung unseres Markenverständnisses über die letzten einhundert Jahre (nach Michael A. Merz, Yi he und Stephen L Vargo (2009): The Evolving Brand Logic: A Service-Dominant Logic Perspective) in vier Zeitblöcke:
– Goods-Focus Brand Era (1900 bis 1930): Brand as identifier
– Value-Focus Brand Era (1930 bis 1990): Brand as functional and symbolic image
– Relationship-Focus Brand Era (1990 bis 2000s): Brand as Knowledge, Relationship Partner and Promise
– Stakeholder-Focus Brand Era (2000s and forward): Brand as Dynamic and Social Process.
Um anschließend die Frage aufzuwerfen: Haben wir das richtige Markenverständnis? Professor Meyers Forderung: Wir müssen uns lösen von der produkt-dominanten Logik und finden zur service-dominanten, integrativen Logik. Die klassische Denke, die den Hersteller als Createur von Werten und den Kunden als Vernichter der Werte sieht, hat ausgedient. Heute geht es um "co-creation of value". Prof. Meyer nannte Beziehung und Interaktion als zentrale Assets und Ressourcen der Markenführung. Wir müssen uns vom "To Market" weiterentwickeln über "Market to" hin zu "Market with". Von der Produkt-Orientierung über die Markt-Orientierung hin zur kundenorientierten und beziehungsorientierten Logik.
Anton Meyer schloss mit einem vierfachen Resumee:
– Marken sind und schaffen Langzeitwerte und daran sind alle Stakeholder beteiligt
– Marken formen, Marken führen, Marken verführen
– Marken leben, Marken vorleben, Marken erleben mit allen Sinnen
– Markenführung ist Leidenschaft.
Karl Matthäus Schmidt, Vorstandssprecher der quirin bank AG, Berlin, betrachtete "Innovationen im Absatzsystem Marke" aus der Sicht des Dienstleisters. Sein credo: "Je einfacher, geradliniger und glaubwürdiger das Verhältnis zwischen Kunde und Bank ist, desto eher kann Vertrauen entstehen." Am Beispiel der quirin bank AG, der ersten Honorarberatungsbank Deutschlands, machte er sichtbar, wie sich das einer Dienstleistung zugehörige Absatzsystem in den Köpfen der Menschen im Markt zu einer Marke formt.
Nachdem die meisten Banken in der Vergangenheit den Weg des Wechsels von der Beratungs-Dienstleistung zum Produkte-Verkauf gegangen sind, schlägt die quirin bank bewusst einen anderen Weg ein: Mit ihrem produkt-unabhängigen Beratungsansatz verfolgt sie eine Strategie, die den provisionsgesteuerten Vertriebsmodellen der Wettbewerber ein neues, faires und transparentes Geschäftsmodell gegenüberstellt. Man will zurück zum Prinzip der Verantwortung eines ehrbaren Kaufmanns. "Mit der quirin bank ist ein erster Anbieter auf dem Bankenmarkt, der sich vom klassischen Provisionsvertrieb gelöst hat und ein in Richtung Honorarberatung zielendes Geschäftsmodell anbietet", heißt es in einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (September 2008).
Die quirin bank sieht ihre Chance für einen Vertrauensaufbau nicht bei den Produkten, sondern im Absatzsystem Marke. Man betreibt keinen Produkte-Verkauf an den Kunden, sondern Strategie-Entwicklung mit dem Kunden. "Wir sind fürsprechend", sagt Karl Matthäus Schmidt. "Wir verstehen uns als Customer Advocate Bank. Mit unserem transparenten Honorar-Beratungsmodell sind wir Pionier."
Bei der quirin bank suchen Sie sich Ihren Honorarberater aus, der Sie professionell berät und langfristig betreut. Hier stellen wir Ihnen unsere Berater aus ganz Deutschland vor – heißt es auf der Homepage. Und mit Roadshows in ganz Deutschland werden Interessenten auf die Leistungen des neuen Private Bankings aufmerksam gemacht. Mit der Zentrale in Berlin und 12 weiteren Standorten mit über 90 Beratern hat man von Dezember 2006 bis Dezember 2009 5.500 Kunden vom Honorar-Beratungsprinzip überzeugt; das Ergebnis: 1,5 Mrd. € verwaltete Kundengelder. "Honorar-Beratung – der Weg aus der Krise", schlussfolgert Karl Matthäus Schmidt.
Wie ein Markenartikler "Innovationen im Absatzsystem Marke" lebt, schilderte Holger Feldmann, Geschäftsführer Nespresso Deutschland GmbH, Düsseldorf. "Wir wollen den Kunden verwöhnen. Er soll zu Hause den gleichen Kaffeegenuss erleben wie außer Haus. Das ist die Idee von Nespresso."
Nestlé Nespresso SA, der weltweite Pionier und Marktführer im Bereich portionierter Spitzenkaffees, entwickelte die sog. "Nespresso-Trilogie": eine Kombination aus den besten Grand-Cru-Kaffees der Welt, intelligenten, formschönen Kaffeemaschinen und einem besonderen Kunden-Service. Das vollkommene Zusammenspiel dieser drei Elemente nennt man das "perfekte Nespresso Kaffee-Erlebnis". Das ist das Erfolgsrezept von Nespresso.
Nespresso ist ein Beispiel, an dem sichtbar wird, wie sich das einem Produkt zugehörige Absatzsystem in den Köpfen der Menschen im Markt zu einer Marke formt. Extremes Qualitätsbewusstsein beim Kaffee und die hohen Ansprüche an die luxuriösen Nespresso-Kaffeemaschinen (nach eigenen Vorgaben zu Technologie und Design gefertigt) einerseits und die Innovationen im Zusammenspiel mit dem Kunden andererseits: Eigener Direktvertrieb von Kapseln und Maschinen über Boutiquen und Internet, 24/7-Service für Informationen und Rat rund um Kaffee und Kaffeemaschinen, 48-Stunden-Liefergarantie für Kaffekapseln, Recycling der Alu-Kapseln, der Nespresso Club, das Nespresso Global Boutique Network, die Global Nespresso Community und die Nespresso Fan Community. "Das überzeugt die Kunden und hat uns in den letzten zehn Jahren jeweils 30-prozentige Umsatzsteigerungen beschert", so Holger Feldmann.
2. Vertrauen schaffende Marken-Kommunikation
Zum zweiten Themenblock sprachen Prof. Dr. Ingo Balderjahn, Universität Potsdam (Lehrstuhl für Marketing) als Vertreter der Wissenschaft, und Tina Müller, Corporate Senior Vice President Henkel AG & Co. KGaA, Düsseldorf, als Vertreterin der Unternehmenspraxis.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise, so Ingo Balderjahn, hat zu einem enormen Vertrauensverlust bei den Konsumenten geführt. Während das Vertrauen in die Wirtschaft sich wieder zu stabilisieren scheint, ist das Vertrauen in große Unternehmen und in die Werbung insgesamt äußerst gering. Und er stellte die Frage: Wie kann durch Kommunikation das Vertrauen in Marken verbessert bzw. zurückgewonnen werden?
Vertrauen machte Prof. Balderjahn in drei Bereichen aus:
1) Vertrauen als Persönlichkeitsmerkmal bzw. Disposition: Vertrauen ergibt sich aus einer individuellen Vertrauensneigung, die unabhängig vom Vertrauensnehmer ist.
2) Soziales Vertrauen: Vertrauen setzt ein Beziehungsverhältnis voraus. Es umfasst das
Verhältnis eines Vertrauensgebers (z.B. Kunde) zu einem Vertrauensnehmer (z.B. Marke) und ist bestimmt von (stereotypen) Erwartungen an das Verhalten des Vertrauensnehmers (z.B. Zuverlässigkeit, Kompetenz). Geprägt ist diese Beziehung vom Risiko, dass der Interaktionspartner entgegengebrachtes Vertrauen missbraucht, von der Reziprozität und von der Beziehungsdauer.
3) Qualitätsvertrauen auf intransparenten Märkten mit informations-asymmetrischen Strukturen hinsichtlich relevanter Produkteigenschaften (Institutionenökonomik). Konsumenten suchen Hinweise (Vertrauenssignale) auf die jeweilige
Leistungsqualität des Produkts bzw. der Marke.
Vertrauen setzt nach Ingo Balderjahn dort an, wo Wissen aufhört. Eckpfeiler des Vertrauens sind Glaubwürdigkeit und Kompetenz (Einhaltung des Leistungsversprechens und Leistungsvermögens).
In einem Exkurs ging Prof. Balderjahn auf den Einsatz von Celebrities (Prominenten) in der Marken-Kommunikation ein. Die Vermittlung von Vertrauen für eine Marke durch eine Person (Kommunikator) in der Kommunikation ist in ihrem Erfolg abhängig von der Bereitschaft des Empfängers, der Botschaft des Kommunikators zuzustimmen (Compliance), sich mit der Persönlichkeit des Kommunikators zu identifizieren (Identification), die Botschaft des Kommunikators als glaubwürdig zu übernehmen (Internalization). Celebrities müssen glaubwürdige und sympathische Idole sein.
Prof. Balderjahn schloss mit den Ergebnissen einer empirischen Studie, die er im Januar 2010 bei 263 Studenten im 1. Semester durchgeführt hatte: Experiment für die Marke Pritt. Es ging um drei Vertrauen schaffenden Kommunikationsmaßnahmen: Vertrauenssignale (Dachmarke und Testsieger) und Soziale Erwartung/Faktor Ähnlichkeit (Sponsoring) im Vergleich zur reinen Produktdarbietung (vier Anzeigenmotive).
"We sell hope” überschrieb Tina Müller ihre Ausführungen über "Vertrauen schaffende Marken-Kommunikation" für Schwarzkopf, der mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz größten Henkel-Einzelmarke. Und später fügte sie hinzu: "Produktqualität, Ansprache und Kommunikation, wo die Zielgruppe ist, das ist das Erfolgsgeheimnis."
Schwarzkopf ist Masterbrand für Retail und Professional. Das im Professional gespeicherte Vertrauen wird für den Verbraucher übertragen durch den Slogan "Professional HairCare for you".
Tina Müller unterstrich die Bedeutung von Innovation Leadership in der Kosmetikbranche. Der richtige Innovationsprozess ist entscheidend. Voraussetzung dafür ist viel mehr Consumer Insight durch Beobachtung und nicht über klassische Marktforschung, die redet. Gekoppelt mit einem weltweiten Trendscouting. Besonders bei der jungen Zielgruppe gilt es, diese in die Entwicklungsprozesse für Neues einzubeziehen, Beispiel "got2b". Tina Müller: "Die Marke loslassen und ein Stück in die Hand der Konsumenten geben."
Dass eine Traditionsmarke modern sein kann, zeigt Schwarzkopf mit 111 Jahre Schwarzkopf.
Das sind 111 Jahre Vertrauens-Beziehung, so Tina Müller. Ein Jahr lang wird alle Kommunikation um diese 111 gestrickt. 111 ist für uns nicht irgendeine nette Schnapszahl, sondern die drei Einsen sind für Schwarzkopf voller Symbolik:
1 steht für Innovation: Das erste Shampoo und das erste Haarspray trugen den Namen Schwarzkopf.
1 steht für Marktführerschaft: Schwarzkopf Drei Wetter Taft und Schwarzkopf Palette sind Nummer Eins-Marken in Europa.
1 steht für Vertrauen: Für immer mehr Verbraucher auf der ganzen Welt ist Schwarzkopf die persönliche Nummer 1 bei der Haarpflege
Die Exhibition "We Love Hair" in Düsseldorf und das zum Jubiläum herausgebrachte Buch "We Love Hair", das es für 49,90 € zu kaufen gibt, zeigen das große Interesse an der redaktionellen Aufmachung der Marke Schwarzkopf.
In der Diskussion wurde Tina Müller zum Thema "Handelsmarke" befragt. Ihre Antwort: Eigenmarken sind genau so Marken und müssen genau so geführt werden. Wir müssen besser sein als eine Eigenmarke. Für uns ist es egal, ob der Wettbewerber L’Oréal oder eine Eigenmarke des Handels ist. Wir können uns um diese Entwicklung nicht drum herum reden. Der Wettbewerb zwischen Hersteller und Handel wird sich in Zukunft verstärken. Unser Ansatzpunkt ist der partnerschaftliche Ansatz.
3. Nachhaltig gelebte Unternehmenskultur und Marken-Erfolg
Der dritte Themenblock war der nachhaltig gelebten Unternehmenskultur gewidmet. Es sprachen Prof. Dr. André Habisch, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, als Vertreter der Wissenschaft, und Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Karlsruhe, als Vertreter der Unternehmenspraxis.
Warum Marken? fragte André Habisch. Und er gab Antworten:
1) Marke hilft bei Qualitätsunsicherheit. Sie gibt ein überprüfbares Qualitätsversprechen und führt zur Bindung von Kunden – als Selbstbindung.
2) Marke ist Indikator wirtschaftlicher Nachhaltigkeitsorientierung.
3) Die Aufrechterhaltung des Qualitätsversprechens der Marke durch investive Managemententscheidungen bedeutet Verzicht auf kurzfristige Ertragsvorteile: kein Ersatz für minderwertige Materialien, kein Verzicht auf Forschung und Entwicklung, kein Ersatz für unmotiviertes, weil schlecht bezahltes und schlecht ausgebildetes Personal.
4) Ein Bruch des Qualitätsversprechens bedeutet Vertrauensverlust.
Am Beispiel der betapharm Arzneimittel GmbH zeigte Prof. Habisch, wie sich ein Unternehmen im Markt austauschbarer Produkte mit einer nachhaltig gelebten Unternehmenskultur zu differenzieren vermag. Bei betapharm geht man davon aus, dass ganzheitliche Krankheitsbewältigung häufig der weitergehenden Betreuung der Patienten bedarf. Das beste Medikament hilft wenig, wenn soziale Probleme nicht bewältigt werden. Und so heißt es auch im Unternehmensleitbild: Soziale Verantwortung nehmen wir ernst. Deshalb stellen wir uns auch den psychosozialen Fragen im Gesundheitswesen und fördern sozialmedizinische Zukunftsprojekte.
So gibt es betaCare, ein einzigartiges Wissenssystem für Sozialfragen im Gesundheitswesen und die betapharm Stiftung "Der bunte Kreis", die sich um Nachsorge kümmert. Eine gezielte Grenzüberschreitung nennt es Prof. Habisch. Fachkompetenz und Sozialkompetenz in einer Hand. Und er ergänzt: Gesellschaftliche Mitverantwortung kann ein Markentreiber sein.
Erich Harsch ist seit 28 Jahren bei dm-drogerie markt, seit Mai 2008 Vorsitzender der Geschäftsführung und in dieser Funktion Nachfolger des dm-Gründers Götz W. Werner. Nachhaltigkeit – dieser Gedanke ist seit der Firmengründung 1973 fest in der Unternehmensphilosophie verankert. Nachhaltigkeit heißt, die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen ernst zu nehmen, ohne kommenden Generationen die Chance auf ein gutes Leben zu nehmen. Um dies zu erreichen, müssen die drei Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales gleichermaßen berücksichtigt werden: Sie bilden das Dreieck der Nachhaltigkeit.
Im Mittelpunkt steht der Mensch, unterstreicht Erich Harsch. Für uns gilt: Weg vom Struktur- und Macht-Denken und hin zum Kunden-Denken. Es gilt sich zu entscheiden: denke ich in erster Linie an den eigenen Nutzen (Gewinn) oder an den Kunden-Nutzen. "Wenn ich an den Kunden denke, kann ich gar nicht verhindern, dass ich erfolgreich bin." Und so hat man sich auch vom Begriff "Kundenbindung" verabschiedet. Der Kunde muss sich freiwillig mit der Leistung des Unternehmens verbinden. Marketing nicht als Druck, sondern als Sog verstehen. "Diese Vertrauensfrage ist uns sehr wichtig!"
Nachhaltigkeit wird bei dm gelebt. Vom Umgang mit Ressourcen über das Miteinander am Arbeitsplatz bis hin zu weit reichenden Fort- und Ausbildungsmöglichkeiten – die vielfältigen und langfristigen Aktionen und Projekte von dm zeigen, dass Nachhaltigkeit für dm ein in allen Bereichen und durch die Initiative aller Mitarbeiter lebendiges Prinzip ist.
Ein Beispiel: Bereits 1994 hat dm die Aktionitis abgeschafft und auf ein eigenes Dauerpreiskonzept gesetzt. Um Verlässlichkeit für den Kunden zu erzeugen. Oder: Vor zehn Jahren hat man sich bei dm entschieden, in junge Kräfte zu investieren. Und hat sie "Lernlinge" getauft. Wie komme ich zum täglichen Lernen?
dm macht sich die Bedürfnisse seiner Kunden zu eigen – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und damit weit über das drogistische Angebot hinaus. Direkt spürbar wird dies unter anderem durch kostenloses Wasser höchster Reinheit, das in den Filialen für Genuss sorgt und zum Nachdenken über diese so grundlegende Ressource anregt. Im Wettbewerb "Sei ein Futurist" greift dm das Thema Nachhaltigkeit direkt auf. Die Initiative "ZukunftsMusiker" gibt Kindern die Chance, ihre Perspektiven durch Musik zu erweitern.
Und Nachhaltigkeit auf der Ebene der Marken? Alverde NATURKOSMETIK von dm ist eine der drei nachhaltigsten Marken Deutschlands. Zahlreiche dm-Qualitätsmarken sind mit Umweltsiegeln und Testergebnissen ausgezeichnet. Der Mensch im Mittelpunkt betont Erich Harsch immer wieder. Daher auch der dm-Slogan: Hier bin ich Mensch hier kauf ich ein.
Vorabendveranstaltung
Seit 2004 ist der G·E·M Markendialog flankiert durch eine Vorabendveranstaltung. Anlässlich des Get together zum 14. G·E·M Markendialog am 24. Februar 2010 gab der Zukunftsforscher Leo A. Nefiodow als Gastreferent einen "Blick in die Zukunft. Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft".
Die Wirtschaftsgeschichte lehrt, dass tiefe Rezessionen im Wechsel mit langen Phasen der Prosperität in einem Abstand von etwa vierzig bis sechzig Jahren auftreten. Diese langen Schwankungen werden "Kondratieffzyklen" genannt. Den jüngsten Zyklus hat Leo A. Nefiodow in seinem Buch "Der sechste Kondratieff" beschrieben (Rhein-Sieg Verlag, 6. Auflage, Sankt Augustin 2006). – Was können wir heute über den neuen Langzyklus voraussagen? Durch welche neuen Entdeckungen, Märkte und Technologien wird er ausgelöst werden? Leo A. Nefiodow gab darauf Antworten.
Ganzheitliche Gesundheit -
die Wachstumslokomotive des 21. Jahrhunderts
Das derzeitige Gesundheitswesen kann in seiner heutigen Ausrichtung aber noch kein Träger des sechsten Kondratieffs sein. Es ist mit zu vielen internen Problemen und Einschränkungen belastet: starke Partikularinteressen, unzureichendes Gesundheitswissen, zu viel Bürokratie, zu niedrige Produktivität, zu wenig Aufklärung und Prävention. Das derzeitige Gesundheitswesen ist in Wirklichkeit ein Krankheitswesen, da ca. 98 Prozent der Finanzmittel dafür verwendet werden, Krankheiten zu erforschen, zu diagnostizieren, zu behandeln und zu verwalten. Behandelt werden vor allem Krankheitssymptome, weniger die Krankheitsursachen.
Das herkömmliche Gesundheitswesen: Medizintechnik, Pharmaindustrie, Ernährungsindustrie, Krankendienste, Kurbetriebe/Sanatorien, Betriebsinterne Gesundheitsdienste, orthopädische Produkte, Sportartikel und –anlagen, Fitness-Studios, Verlage mit Spezialsortiment. (Nefiodow, Seite 52)
Krankheiten wird es immer geben, ein leistungsfähiges Krankheitswesen ist und bleibt auch in Zukunft unverzichtbar. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aber ist die einseitige Ausrichtung auf Krankheiten für die Gesellschaft teuer, schädlich und nicht mehr zeitgemäß. In Zukunft kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass nicht mehr die Krankheit, sondern die Gesundheit im Vordergrund steht.
Den drohenden neuen Kosten im Gesundheitswesen kann nicht mit einem Ausbau des kurativen Therapieangebotes wirksam begegnet werden. Krankheit und Gesundheit sind Systemeigenschaften, die vom ganzen Menschen und seiner natürlichen und sozialen Umgebung abhängig sind. Auf diese ganzheitliche Sicht – körperlich, seelisch, geistig, sozial, ökologisch und spirituell – kommt es in Zukunft an. Denn die entwickelten Gesellschaften sind in eine Phase eingetreten, in der mehr und mehr Menschen bereit und finanziell auch in der Lage sind, für ganzheitliche Gesundheit zu zahlen.
De neu aufkommende Gesundheitssektor: Biotechnologie, Umweltschutz, Naturheilverfahren, Naturkost, Komplementäre/alternative Medizin, Wellness/Fitness, Gesundheits-Tourismus, Sinne (Farbe, Geruch, Musik), Architektur, Bausstoffe, Materialien, Textilien, Eigenmedikation und Eigenbehandlung, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Psychologie, Psychosomatik, Psychiatrie, Psychotherapie, Religion/Spiritualität.
(Nefiodow, Seite 52)
In der Fortentwicklung des Gesundheitswesens schlummern die größten Produktivitäts- und Wachstumsreserven. Um diese Transformation zu verwirklichen werden aber nicht nur neue Konzepte, Strategien, Institutionen und Angebote benötigt, die den ganzen Menschen und seine Potentiale ernst nehmen. Die Transformation kann nur sozialverträglich gelingen, wenn die bisherigen Leistungserbringer des Gesundheitswesens den sechsten Kondratieff nicht als Bedrohung, sondern als Chance begreifen und eine führenden Rolle bei seiner Gestaltung übernehmen. Denn Gesundheit im ganzheitlichen Sinn wird Auslöser und Träger der nächsten langen Konjunkturwelle, des sechsten Kondratieffs, sein.
Der sechste Kondratieff hat schon begonnen. Aber die Haupt- und Nebenrollen sind noch nicht vergeben. Die Unternehmen, Regionen, Bundesländer und Volkswirtschaften, die sich am besten auf den neuen Langzyklus ausrichten, werden im 21. Jahrhundert zu den Gewinnern gehören – prognostiziert Leo A. Nefiodow.
Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
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Die Dokumentation zum 14. G·E·M Markendialog "Markenführung in strukturell veränderten Märkten" mit allen Referaten ist erhältlich im Book Shop der G·E·M:
www.gem-online.de/books
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