Der Wissenschaftspreis 2012
Anlässlich des traditionellen „Förderkreistreffens“, dem Dinner des Vorstandes des Markenverbandes mit den Mitgliedern des Förderkreises und den Vorsitzenden der Ausschüsse, am 5. Juni 2012 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin hielt Prof. Dr. Manfred Bruhn, Vorsitzender der Jury des Wissenschaftspreises, Mitglied des G·E·M Kuratoriums, die Laudatio auf die Preisträger 2012.
Laudatio von Prof. Dr. Manfred Bruhn
Von der Jury wurden insgesamt 26 Arbeiten gelesen und begutachtet, meistens
Dissertationen. Die Jury hat sich einstimmig und einvernehmlich geeinigt auf
einen ersten, einen zweiten und einen dritten Preis.
Dritter Preis für Dr. Daniela Schork
Den dritten Preis (dotiert mit 2.000 Euro) erhält Frau Dr. Daniela Nadine Schork für ihre Dissertation: „Imitationsmarketing – Die irreführende Produktvermarktung nach Art. 6 Abs. 2 lit. a UGP-RL, § 5 Abs. 2 UWG“.
Frau Schork, Jahrgang 1980, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Nach ihren beiden Staatsexamina war sie wissenschaftliche Assistentin an der Juristischen Fakultät der Universität Konstanz am Lehrstuhl für Recht der Wirtschaftsordnung und Recht der internationalen Wirtschaftsbeziehungen (Professor Dr. Karl-Heinz Fezer), wo sie mit dieser Dissertation mit dem Titel „Imitationsmarketing“ promoviert wurde.
Das Thema „Imitationsmarketing“ klingt vertraut und erweckt den Anschein, es handle sich um einen altbekannten Sachverhalt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Problematik ist
innovativ, von höchster Brisanz und praktischer Aktualität.
Das Thema liegt auf der Schnittstelle zwischen Markenrecht und Lauterkeitsrecht. Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Analyse ist ein neuer Verbotstatbestand des UWG, der auf der Umsetzung der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken beruht. Mit einem Wort geht es bei diesem Tatbestand um die irreführende Produktvermarktung durch Produktimitationen und Kennzeichenimitationen.
Nach bisheriger Rechtslage waren nach dem Lauterkeitsrecht (UWG) Produkte nur nach dem so genannten wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geschützt, wenn sie von wettbewerblicher Eigenart waren und ein Nachahmungstatbestand vorlag.
Nach bisheriger Rechtslage waren nach dem Markenrecht (MarkenG) Marken nur dann geschützt, wenn eine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne vorlag.
Das neue Verbot der irreführenden Produktvermarktung normiert einen Produktschutz unabhängig vom Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart und einen Kennzeichenschutz unabhängig vom Vorliegen einer Marke im Rechtssinne und einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr. Frau Schork nennt dies ein Produkt-Imitationsmarketing und ein Kennzeichen-Imitationsmarketing, das als irreführende Produktvermarktung auch aus einer Kombination von Vermarktungspraktiken bestehen kann.
Um welche beispielhaften Sachverhalte handelt es sich, die von dem neuen Verbotstatbestand erstmals erfasst werden? Es geht um:
- Assoziationsschutz von Verpackungsarten und Verpackungssystemen (z.B. die Form oder Aufmachung einer Verpackung, die als solche nicht geschützt ist)
- Assoziationsschutz von Verpackungsmotiven und Werbeformaten (z.B. bei Spielzeugen, wie Puppen oder sonstigen Spielfiguren, Darstellungen von Spielsituationen als Vermarktungsmotiv)
- Assoziationsschutz von Kennzeichnungen (z.B. jede Art von Zeichen, die im Vermarktungskontext auf die kommerzielle Herkunft hinweisen).
Die Dissertation beschreibt also erstmals den umfassenden Anwendungsbereich des
Verbots assoziierender Vermarktungspraktiken. Zugleich wird das Konkurrenzverhältnis zum Markenrecht und den immaterialgüterrechtlichen Schutztatbeständen dargestellt.
Die Dissertation bedeutet für die Markenpraxis – vorausgesetzt, die Rechtsprechung übernimmt die Ergebnisse der Dissertation: Der Produktvermarktungsschutz im Sinne eines Assoziationsschutzes verstärkt das Vermarktungsumfeld und den Werbekontext eines Markenprodukts. Das ist der Kern dieser in bester wissenschaftlicher Güte verfassten Dissertation. Der Arbeit wäre also zu wünschen, dass die Gedanken von der Rechtsprechung übernommen werden.
Zweiter Preis für Dr. Tobias Recke
Den zweiten Preis (dotiert mit 3.000 Euro) erhält Herr Dr. Tobias Recke für seine Dissertation „Die Bestimmung der Repositionierungsintensität von Marken
– Ein entscheidungsunterstützendes Modell auf Basis von semantischen Netzen“.
Herr Recke, 1979 geboren, wurde mit dieser Arbeit promoviert an der Universität Bremen bei Prof. Dr. Christoph Burmann. Er absolvierte sein Studium als Wirtschaftsingenieur an der Universität Bremen. Seit 2011 arbeitet Herr Recke in der Position als Spezialist Internationale Marktforschung bei der Porsche AG in Stuttgart.
Herr Recke setzt sich im Rahmen seiner Arbeit mit einer für die Wissenschaft und Praxis der Markenführung sehr relevanten Fragestellung auseinander. Seine Forschungsbemühungen zielen darauf ab, ein Entscheidungsmodell für die Planung und Steuerung von Markenrepositionierungen zu entwickeln und in der Praxis anzuwenden. Eine bedeutende Rolle im Rahmen dieser Repositionierungsüberlegungen kommt dem Nachfrager zu. Das Modell beinhaltet
- die Aufdeckung des Repositionierungs-Bedarfs von Marken
- die Ableitung und Bewertung von Repositionierungs-Strategien und
- die Bestimmung der Repositionierungs-Intensität.
Dabei legt Herr Recke seinen Überlegungen zur Beantwortung der Forschungsfragen den Ansatz der identitätsbasierten Markenführung und der semantischen Netzwerke zugrunde und greift dabei auf einen aktuellen Ansatz der Markenimagemessung zurück, das Conceptual Brand Mapping (CBM).
Dabei werden drei Determinanten untersucht, (1) die Zeitspanne, (2) die Art der Markenmerkmale, die verändert werden, und (3) die Stärke der Veränderung der einzelnen Markenmerkmale.
Die Ergebnisse der umfassend angelegten empirischen Untersuchung anhand von 6.666 Probanden und die daraus ableitbaren Implikationen sind von hoher wissenschaftlicher und praktischer Relevanz. Die empirische Untersuchung fand im deutschen Versicherungsmarkt statt.
Die Arbeit weist unmittelbare praktische Relevanz auf. So zeigen die Ergebnisse, dass es Herrn Recke sehr gut gelungen ist, mit seiner Methode einen ganz konkreten Leitfaden zur Bestimmung der Repositionierung einer Marke zu entwickeln, dessen
Funktionsfähigkeit und Praxistauglichkeit er unter Beweis gestellt hat.
Die Arbeit zeichnet sich durch ein sehr hohes wissenschaftliches Niveau und einer sehr hohen Praxisrelevanz aus. Das entwickelte Modell fußt auf einer soliden theoretisch-konzeptionellen Basis, einem aufwändigen, gut durchdachten Design und es erfolgt eine nachvollziehbare Darlegung der Auswertungsergebnisse. Herr Recke greift das Spannungsfeld von Kontinuität und Anpassung auf und schafft durch einen gelungenen Balanceakt zwischen Statik und Dynamik die vielfach erwähnt „Statik-Falle in der Markenführung“ zu überwinden. Damit verdeutlicht er, dass die Identität einer Marke verloren geht, wenn keine Veränderungen erfolgen, so dass eine Anpassung an den Zeitgeist notwendig ist.
Erster Preis für Dr. Sabrina Hegner

Franz-Peter Falke (Präsident Markenverband), Dr. Sabrina M. Hegner (1. Preis), Prof. Dr. Manfred Bruhn (Jury-Vorsitzender),
Friedrich Neukirch (Vorsitzender G·E·M)
Den ersten Preis (dotiert mit 5.000 Euro) erhält Frau Dr. Sabrina M. Hegner für ihre Dissertation „Die Relevanz des Vertrauens für das identitätsbasierte Management globaler Marken – Ein interkultureller Vergleich zwischen Deutschland, Indien und Südafrika“.
Frau Hegner studierte Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (Grundstudium) und an der Universität Mannheim (Hauptstudium). Sie wurde mit dieser Arbeit promoviert an der Universität Bremen am Lehrstuhl für Innovatives Markenmanagement von Prof. Dr. Christoph Burmann. Seit Januar dieses Jahres ist Frau Hegner Assistenzprofessorin für Konsumentenpsychologie an der Universität Twente in den Niederlanden.
Die Thematik, die Frau Hegner ihrer konzeptionell und empirisch angelegten Arbeit zugrunde legt, weist eine große aktuelle Relevanz auf. Die Globalisierung und somit das Zusammenwachsen der Märkte schreitet immer weiter voran. Dadurch werden auch globale Marken bzw. Markenstrategien immer wichtiger. Darüber hinaus spielt das Vertrauen in eine Marke nach wie vor eine große Rolle für die Konsumenten. Frau Hegner trägt diesen beiden Fragestellungen – Globalität und Vertrauen – Rechnung, indem Sie ein eigenständiges Vertrauenskonstrukt herleitet und dieses in einem sehr gelungenen multikulturellen Ansatz empirisch untersucht.
Frau Hegner behandelt mit ihrer Arbeit die folgenden drei Forschungsfragen:
- Wie kann das Vertrauen in Marken länderübergreifend konzeptualisiert und gemessen werden?
- Welche Determinanten beeinflussen das Markenvertrauen von Nachfragern?
- Welche interkulturellen bzw. entwicklungsökonomischen Unterschiede lassen sich hinsichtlich des Vertrauensgefüges identifizieren?
Frau Hegner gelingt es dabei in hervorragender Weise, eine Brücke des
Vertrauenskonzeptes zur heute ebenfalls sehr aktuellen Thematik des CSR
(Corporate Social Responsibility) zu schlagen und eröffnet eine neue Sichtweise auf CSR, nämlich dass CSR in Zukunft kulturspezifisch zu betrachten ist, da sich gezeigt hat, dass die Kultur eine hohe Relevanz für das Vertrauenskonzept darstellt.
Frau Hegner liefert darüber hinaus wichtige neue Erkenntnisse für das Management und die zukünftige Erforschung des Markenvertrauens globaler Marken.
- Sie führt eine saubere theoretische Analyse der identitätsbasierten Markenführung sowie der Vertrauensforschung durch.
- Sie unterscheidet unterschiedliche Vertrauensansätze aus verschiedenen Forschungsrichtungen wie der Soziologie, der Neuen Institutionenökonomie und der Betriebswirtschaftslehre und leitet daraus ein eigenständiges, sehr konkretes Vertrauenskonstrukt sowie mögliche Determinanten des Vertrauens ab.
- Dieses Vertrauenskonstrukt sowie die Determinanten des Vertrauens werden anschließend in einer aufwändigen empirischen Analyse mit über 1.200 Probanden in den Ländern Deutschland, Indien und Südafrika validiert.
- Die Arbeit zeigt auch unmittelbare praktische Implikationen auf: Es liegt ein standardisierter Ansatz zur Messung des Vertrauenskonstrukts vor, der branchenübergreifend eingesetzt werden kann. Durch die empirische Untersuchung wurden länderspezifische Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung einzelner Determinanten für das Vertrauen deutlich.
Neben dieser ansehnlichen Datengenerierung rechtfertigt das methodische Vorgehen die Platzierung der Arbeit. Die durchgeführten Konstruktmessungen erfolgten in einer Breite, die selbst im Rahmen einer Dissertation weit oberhalb des erwarteten Standards einzuordnen ist.
Entsprechend diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Jury aufgrund der Aktualität des Themas, der anspruchsvollen, umfassenden länderübergreifenden empirischen Analyse und der anwendungsbezogenen Schlussfolgerungen die Entscheidung gefällt hat, Frau Hegner den ersten Platz zuzuerkennen.

Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin