G·E·M Award 2018 an Werner M. Bahlsen
Am 14. Februar 2018, am Vorabend zum 22. G·E·M Markendialog „Marken-Beziehungen im Zeitalter der Technologie-Dominanz“ in Berlin, wurde zum achten Mal der »G·E·M Award« verliehen. Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award« 2018 wurde Werner M. Bahlsen, Inhaber und Vorsitzender der Geschäftsführung Bahlsen GmbH & Co. KG.
Nach der Begrüßung der Gäste, der G·E·M Mitglieder und der Teilnehmer am 22. G·E·M Markendialog sowie einer Einführung in den Abend durch Friedrich Neukirch, Präsident der G·E·M, hielt Hubertus Bessau, Gründer von Mymuesli, die Laudatio auf den Preisträger.
Begrüßung und Einführung
Friedrich Neukirch
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie im Namen des Vorstandes und des Kuratoriums der G·E·M sehr herzlich willkommen heißen zu einer schon sehr traditionellen Veranstaltung – der Verleihung des »G·E·M Award« am Vorabend zum jährlichen G·E·M Markendialog.
Die G·E·M, die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens, ist eine in ihrer Zielsetzung und Arbeit einmalige Gesellschaft von Gleichgesinnten. Wer dabei ist, hat das Wohlergehen der Marke im Sinn, will das Markenwesen erforschen. Um das Wohlergehen ihrer Marken kümmern sich ganz besonders Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen. Und diese Menschen will die G·E·M ehren – mit ihrem »G·E·M Award«.
Der »G·E·M Award« wurde anlässlich »100 Jahre G·E·M« im Jahre 2010 geschaffen. Als Ehrenpreis für Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten – wie bereits erwähnt – ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen. Und damit Entwicklungen auf dem Gebiet des Markenwesens anführen und entscheidend beeinflussen, also Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens sind. Damit hat der »G·E·M Award« eine Alleinstellung unter den Marken-Auszeichnungen. Er wurde entwickelt und wird betreut von Wolfgang K.A. Disch – vom Konzept über die Skulptur in Form von Goethes „Stein des guten Glücks“ bis hin zum Ablauf des Abends der Preisverleihung.

Erstmals verliehen wurde der »G·E·M Award« 2011. Wer in den vergangenen Jahren dabei war, konnte miterleben, wie wir mit dem »G·E·M Award« ehren durften: 2011 Herrn Emil Underberg, 2012 Herrn Albert Darboven, 2013 den leider verstorbenen Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, 2014 Herrn Dr. h.c. August Oetker, 2015 Herrn Prof. Götz W. Werner, 2016 Herrn Herbert Hainer und 2017 Herrn Alfred T. Ritter. Es waren Begegnungen mit erfolgreichen Markenführern, mit großartigen Persönlichkeiten, mit Marken-Freunden.
Heute verleihen wir den »G·E·M Award« nun schon zum achten Mal. Und Sie kennen den Namen des diesjährigen Preisträgers: Werner M. Bahlsen. Die Jury will Herrn Bahlsen ehren in Würdigung seiner erfolgreichen Führung der Bahlsen-Gruppe und ihrer Marken durch die Gegenwart in die Zukunft, seines Engagement für die Transformation des Traditions-Unternehmens, seiner fortlaufenden Initiativen, die Internationalisierung der Bahlsen-Gruppe voranzutreiben sowie seines politischen, sozialen und kulturellen Engagements über das Unternehmen hinaus. Dieses und mehr ist in der Urkunde verbrieft, die wir Ihnen nachher überreichen werden.
Lieber Herr Bahlsen – herzlichen Glückwunsch. Wir freuen uns sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute zu uns nach Berlin zu kommen, um den »G·E·M Award« 2018 entgegenzunehmen.
Wie immer haben wir uns Gedanken gemacht, wer denn die würdigen Worte einer Laudatio sprechen könne. Aus einem Gespräch mit Ihnen, Herr Bahlsen, bei Ihnen im Unternehmen in Hannover, hat Herr Disch Ihre Idee mitgebracht, einen jungen Unternehmer, einen Start-up, als Laudator für den Repräsentanten eines Traditions-Unternehmens zu gewinnen. Und Sie hatten auch einen Namen: Hubertus Bessau.
Meine Damen und Herren, ich gestehe, dass ich das Unternehmen, das ich gleich erwähnen darf, kannte, aber Sie werden mir verzeihen, dass ich erst einmal googeln musste, um mehr über Hubertus Bessau zu erfahren. Und ich habe gelernt: Hubertus Bessau, geboren 1981, studierte Betriebswirtschaftslehre von 2001 bis 2006 in Passau und Budapest. Nach dem Studium gründet er gemeinsam mit seinen Studienfreunden Max Wittrock und Philipp Kraiss im April 2007 ein Unternehmen für individualisierbares Biomüsli, die mymuesli GmbH. Anfangs erfolgte der Vertrieb von Mymuesli ausschließlich über das Internet, heute sind die vorgefertigten Mülis in über 50 eigenen Läden sowie in über 1.500 Supermärkten, u.a. bei Rewe und Edeka, erhältlich. Mymuesli – im April 2018 elf Jahre im Markt – wurde zu einem Erfolgs- und Vorzeigeunternehmen.
Heute ist Hubertus Bessau, der ehemalige Start-up, heute erfolgreicher Unternehmer im elften Jahr, bei uns, um die Laudatio auf Herrn Werner M. Bahlsen zu halten, den erfolgreichen Unternehmenslenker in dritter Generation eines traditionsreichen Familienunternehmens. – Herr Bessau, bitte übernehmen Sie.
Laudatio
Hubertus Bessau
Erstmal herzlichen Dank für die schmeichelhafte Ankündigung. Ich sage natürlich heute trotzdem, dass wir noch ein Start-up sind, weil ich glaube, dass sich das auch immer noch so anfühlt. Jeder, der es nicht glaubt, ist herzlich eingeladen, bei uns vorbeizuschauen. Und auch vielen Dank für die Ehre, hier sprechen zu dürfen. Ich mache normalerweise Müsli. Insofern drücken Sie mir die Daumen, dass es mir gelingen wird.
Ich wurde gefragt, eine Laudatio zu halten, was mich völlig überrascht hat. Und ich habe mich auch wirklich gefragt: Wie kommst du da jetzt raus? Soll ich doch eine Laudatio halten auf ein Unternehmen, mit dem ich sehr wenig Begegnung hatte, außer natürlich als Kunde im Supermarkt. Aber vielleicht ist es eine ganz andere Begegnung, die ich hatte, eine Begegnung mit dem inneren Kern von Bahlsen, die ein ganz gutes Thema für den heutigen Abend abgibt.

Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise in den September letzten Jahres in den Ort Nauen, ungefähr eine dreiviertel Stunde von Berlin entfernt. Dort kam es zur ersten Begegnung zwischen Herrn Bahlsen und mir. Und es dauerte nur wenige Minuten, da schrie er mich inbrünstig an, so stark, dass er dabei auf den Boden stampfte. In dem Moment merkte ich, dass hier einiges anders ist, ganz anders als das, was ich erwartet und gedacht hatte.
Ich war gebucht für einen Vortrag auf einer Führungskräfte-Tagung von Bahlsen; es waren etwa 150 Führungskräfte. Auf dem Weg nach Nauen malte ich mir aus, was mich wohl erwarten würde. Erwartet hatte ich ein altes, angestaubtes Unternehmen, einen Konzern, dem Tode geweiht, der völlig inflexibel in seinem Saft vor sich hergärte und eigentlich nur darauf wartete, von der Zukunft und der herannahenden Digitalisierung und dem Kehraus, der da gemacht wird, weggefegt zu werden.
Und in meinen Gedanken war diese Vorstellung natürlich wahnsinnig traurig, weil ich dachte: Mensch, so ein Traditionsunternehmen, da sind wahnsinnig viele Mitarbeiter, was würden denn die alle machen, wenn es Bahlsen dann nicht mehr gibt? Das erschien mir so unausweichlich, dass ich wirklich mit meinen Gedanken lange darum herum kreiste. Und ich habe mich auch gefragt: Was bedeutet das für mich? Es gäbe vielleicht kein PiCK UP! mehr. Immerhin waren PiCK UP! und ich zusammen aufgewachsen. Und ich fragte mich: Was würde denn eigentlich das Krümelmonster aus der Sesamstraße noch essen, wenn es keine Kekse mehr gibt. Und ich war vor allem mit mir einig, dass der Welt einige süße Momente fehlen würden.
Und in diesen melancholischen Gedanken verharrend wurde ich in dem Moment, als ich zur Führungskräfte-Tagung in Nauen kam, wirklich von einem Geschrei gerissen und regelrecht mitgerissen. Vor mir und hinter mir und um mich herum stand eine 150 Kopf starke Truppe, tanzende Maori-Kämpfer. Es fehlte eigentlich nur noch die Körperbemalung und die neuseeländische Sonne und die hätten alle zusammen in die Schlacht ziehen können, so groß war die Energie in dem Raum, so groß war der Mut und der Gemeinschaftsgeist. Das ist eigentlich etwas, was ich nur aus kleineren Start-up-Teams kenne.
Vor allem aber: Das war alles ganz anders, als ich es erwartet hatte. Völlig überraschend. Wie ich später lernte, wird der „Haka“ vom Bahlsen-Team regelmäßig getanzt. Und vorneweg, aber trotzdem mittendrin, Herr Bahlsen. Weil er mittendrin stand, da wurde mir in diesem Moment klar, dass er kein egozentrischer Patriarch ist, wie ich es vielleicht vorher gedacht hatte. Sondern eher ein würdevoller Häuptling mit einem großen Herzen und einer entdeckerischen Neugier. Das sah man wirklich im Blitzen seiner blauen, wachen und gutmütigen Augen – in dem Moment, in dem wir uns begegnet sind.

Die Analogie vom Häuptling zum Unternehmer ist eigentlich relativ naheliegend, denn beide handeln in der Gegenwart, haben aber die Zukunft fest im Blick. Ich glaube, aus Anlass für diese Auszeichnung des Lebenswerks von Werner M. Bahlsen mit dem »G·E·M Award« kann man auch mal kurz zurückschauen und überlegen, was eigentlich geschehen ist und verarbeiten, was gut war, was schlecht war, was Ursache, was Wirkung war. Und sich bewusst machen, was eine gute Erfahrung war, die sich lohnt weiterzugeben an die nächste Generation von tanzenden Kriegern, von Stammesnachkommen und von Mitstreitern.
Und da kommt die nächste Analogie ins Spiel. Denn das wussten auch schon die Maoris: Wer es schafft weiterzugeben, der sichert das Überleben des Stammes. Und wer es schafft abzugeben und Verantwortung zu teilen, der schafft Zusammenhalt. Und wer es schafft, von sich selbst und anderen zu akzeptieren, dass man als Mensch immer unvollkommen sein wird, der schafft Rückhalt und Vertrauen. In Summe ist dies das, was ein Maori wahrscheinlich als einen guten Anführer bezeichnen würde.
Und wie gut Herr Bahlsen darin war, das wurde mir in genau diesem Moment klar. “Wi hiti tara hill”, brüllte es mir entgegen. Die Sonne geht auf. Und das im Einklang aus 150 Kehlen. Das ist schon ein ganz besonderes Gefühl. Man sagt, Bahlsen hätte seine Mitarbeiter mitgenommen. Aber Herr Bahlsen hat viel mehr getan. Er hat die Menschen mitgenommen. Und ich glaube ganz fest, dass in dieser Zeit heute, wo wir eine so rasante technologische Entwicklung haben, wo die Zukunft ungewisser ist als jemals zuvor, wird genau derjenige gewinnen, der die Menschen mitnimmt, der auf Menschlichkeit setzt.
Es geht nicht darum, die Welt zu erobern, sondern die Herzen. Und genau das hat Herr Bahlsen sein Leben lang getan. Es ist Bestandteil der DNA von Bahlsen geworden, heute von unschätzbarem Wert. Das Unternehmen Bahlsen ist dadurch so gut gerüstet wie kaum ein anderes, das ich in Situationen des Wandels kennenlernen durfte. Ich glaube, das ist das Lebenswerk von Herrn Bahlsen. Und dank dieses Lebenswerkes gibt es meiner Meinung nach eine sehr rosige Aussicht auf die Zukunft von Bahlsen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen Herrn Bahlsen einen ganz persönlichen Dank sagen, nämlich als Gründer der nächsten Generation. Mich macht es wahnsinnig glücklich zu sehen, dass es eben auch anders geht, dass es überhaupt geht, dass ein Unternehmen, auch wenn es älter und größer wird, so agil und flexibel sein kann und bleiben wird. Fast wie ein Start-up – mit den Vorteilen eines Großen. Und das funktioniert eben nur, wenn die Häuptlinge wach sind und jung im Geiste bleiben. Vielen herzlichen Dank und meine herzliche Gratulation zu dieser hochverdienten Auszeichnung.
Friedrich Neukirch
Lieber Herr Bessau: Ihrer Ausführungen, die Worte, die Sie gefunden haben, um das Unternehmen Bahlsen und vor allem dessen Führung zu beschreiben, waren wirklich sehr eindrucksvoll. Zugleich haben Sie damit bestätigt, dass wir heute mit dem 8. G·E·M Award eine ganz besondere Ehrung vornehmen, einen ganz besonderen Menschen auszeichnen.

Ihnen persönlich möchte ich danken, weil ich mir gut vorstellen kann, wie einem so zumute ist, wenn man die Bitte für eine Laudatio angetragen bekommt, nicht wissend, wo man landet und in welcher Umgebung die Laudatio zu halten ist. Und wenn man einen so enormen Respekt hat vor dem Unternehmer, vor Herrn Bahlsen. Was Sie gesagt haben, das war schon sehr eindrucksvoll. Und ich werde mir auch nicht mehr erlauben, Sie mit dem Start-up-Unternehmer zu verwechseln, Sie als solchen zu bezeichnen. Sie haben das längst hinter sich, heute kann man auch von Ihnen lernen. Und ich bin überzeugt davon, dass es heute wichtiger denn je ist, dass Jung und Alt voneinander lernen, die Kräfte sammeln, um die Zukunft zu bedienen und zu gestalten. Um Ihr Unternehmen Mymuesli und um Sie machen wir uns alle keine Sorgen.
Doch zurück zur Preisverleihung. Neben der Urkunde mit der Begründung der Jury überreichen wir Ihnen, lieber Herr Bahlsen, eine Skulptur in Form von Goethes „Stein des guten Glücks“, aus italienischem Marmor, ein Unikat mit einem Zertifikat und drei Kilo schwer. Stein des guten Glücks heißt das Denkmal, das Johann Wolfgang von Goethe zu Beginn des Jahres 1777 neben seinem Gartenhaus in den Ilmwiesen zu Weimar als Geburtstagsgeschenk für seine Seelenfreundin Charlotte von Stein setzen ließ. Es ist aus rötlichem Sandstein, 1,63 Meter hoch. Goethe wählte für sein Denkmal eine symbolische Formsprache; sie geht auf das Sinnbild der Renaissance zurück. Es handelt sich um einen der ersten nichtfigürlichen Denkmäler Deutschlands.

Dieser „Stein des guten Glücks“ ist eine Kugel auf einem mächtigen Kubus.
Der Kubus oder Würfel symbolisiert das Statische, Gefestigte und Ruhende, Beständigkeit und Gelassenheit.
Die darüber liegende Kugel drückt Bewegung, Kreativität und Dynamik aus.
Die Kugel ruht auf dem Kubus.
Das Ganze stellt eine gelungene Verbindung dieser beiden Elemente dar: Das Rollende auf dem Festen, das Wandelbare über dem Unabänderlichen. Lässt sich Marke besser versinnbildlichen?
Lieber Herr Bahlsen, wir möchten Ihnen nun den 8. »G·E·M Award« mit der Urkunde und Ihrem Stein des guten Glücks überreichen. Nochmals herzlichen Glückwunsch.
Hubertus Bessau

Ich möchte nicht die Kugel vom Kubus stoßen, aber ich habe auch noch eine Kleinigkeit, die ich Ihnen gern überreichen möchte. Einen mymuesli Hoodie, der eigentlich nur Teammitgliedern vorbehalten ist. Das ist ein Hoodie unserer Firma. Und Sie sind tatsächlich der Erste außerhalb unseres Teams, der einen davon bekommt.
Werner M. Bahlsen sagt Danke
Lieber Hubertus Bessau: Ich muss mich erst einmal entschuldigen, dass ich Ihre Erwartung so enttäuscht habe. Wir hatten Sie nicht richtig drauf vorbereitet, ein schlechtes Briefing, würde man heute sagen. Ich kann verstehen, dass die Enttäuschung groß war. Wir haben diesen Haka-Tanz gemacht, angeführt von meinem Assistenten, der 28 Jahre ist – ja, Bahlsen ist ein Unternehmen in Bewegung. Und das haben Sie so ein bisschen miterlebt.
Ich freue mich außerordentlich über diesen Award und diese Skulptur. Sie haben diesen „Stein des guten Glücks“ bezogen auf Marken. Ich würde diesen Kubus mit Kugel gerne beziehen auch auf ein Unternehmen. Er zeigt die Kombination von Bewahrendem, Bestehendem, einer soliden Basis mit Bewegung, mit Rotation. Wir sind jetzt seit über 125 Jahren unterwegs, also glaube ich: Sie nehmen uns ab, dass wir ungefähr wissen, wie man Kekse backt. Wir haben lange genug geübt. Aber das alleine reicht halt heute nicht mehr. Gerade bei Familienunternehmen, die vielleicht in meinem Alter oder noch älter einen Patriarchen, einen Senior an der Spitze haben, zeigt dieser Kubus die Vergangenheit. Aber die Bewegung findet hier, in der Kugel, statt. Ein Unternehmen in Bewegung, in Rotation zu bringen, das ist für mich die große spannende Herausforderung. Sie alle kennen das in den Unternehmen, in denen Sie sind: es gibt ein hohes Beharrungsvermögen. Besonders dann, wenn ein Unternehmen erfolgreich ist. Und ich kann sagen: wir sind durch alle Höhen und Tiefen, auch durch sehr tiefe Gräben gegangen.
Aber wir haben das, glaube ich, ganz gut gemanagt. Und können heute sagen: Wir sind einigermaßen erfolgreich. Aber genau das ist der Grund, nicht daran festzuhalten, sondern zu sagen: Wo geht’s morgen hin? Die Tatsache, dass wir seit 125 Jahren unterwegs sind, ist kein Freibrief für morgen. Ganz im Gegenteil – sogar eine ganz große Gefahr. Sie alle kennen große Marken hier in Deutschland, die plötzlich innerhalb von einem Jahrzehnt weg waren. Deswegen glaube ich, ist der Kern unserer Aufgaben, die Herausforderung, das Bestehende infrage zu stellen und sich zu überlegen: Wie geht es morgen weiter, wie geht es übermorgen weiter?

Ich war gerade eine Woche in Amerika und habe an der Harvard Universität einen Crash-Kurs gemacht mit ganz spannenden Cases, die sich mit Hier und Heute beschäftigen, die sich mit Übermorgen beschäftigen. Wenn man dann zurückkommt nach Deutschland und sieht, was die Politik zurzeit gerade zustande bringt, dann kann man eigentlich nur das Heulen kriegen. Da läuft auf der Welt so viel mit hoher Geschwindigkeit und wir unterhalten uns über letzten halben Prozentpunkt Rente. Aber darüber wollte ich eigentlich nicht reden.
Das Entscheidende ist – Herr Bessau, Sie haben das gesagt, Menschen mitzunehmen. Und das ist in der Tat etwas, was ich versuche. Wir haben in den letzten Jahren uns massiv darüber Gedanken gemacht, was eigentlich der Kern unseres Daseins ist. Ja, wir machen Kekse, gut. Aber das ist nicht der Kern. Was also ist der Kern? Und da habe ich meine Familie und auch vor allen Dingen meine Kinder intensiv miteinbezogen. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, was eigentlich hat den Großvater bewegt hat. Was hat die Generation meines Vaters bewegt? Was haben die gehabt, was vielleicht auch heute hinüber in die Zukunft schaut? Es war nicht allein das Technische; mein Großvater war kein Bäcker, der war Kaufmann. Es war die Faszination an Neuem, die Suche, die Neugier, auch außerhalb der Branche Ideen, Inspirationen zu bekommen. Um dann zu sagen: da könnte auch wir ansetzen.
Mein Großvater ist vier Jahre nach der Gründung des Unternehmens im Jahr 1893 in Chicago zur Weltausstellung gereist, damals wirklich eine Weltreise. Er ist durch die Schlachthöfe von Chicago gelaufen und hat von dort die Idee einer kontinuierlichen Produktion mitgebracht. Zuhause ist er hingegangen und hat gesagt: So, wie die schlachten können, so können wir eigentlich auch Kekse produzieren. Nur ein Beispiel für Inspirationen bekommen.
Ich glaube wirklich an die Faszination des Neuen. Was nicht heißt, dass das Alte doof oder blöd ist, das ich wegschmeiße. Nein, das Alte sollte die Basis sein, auf der man Neues aufbaut. Wir wissen heute aus der Start-up-Szene, dass ganz neue Geschäftsmodelle kommen. Werden wir morgen als Konsumgüter-Hersteller noch an die Edekas und Rewes dieser Welt verkaufen? Oder geht es direkt an den Konsumenten? Mymuesli hat es vorgemacht, was man sehr erfolgreich machen kann. Was bedeutet Amazon für die Welt der Händler? Es ist erschreckend, wenn man mit führenden Vertretern des deutschen Handels spricht, dann sagen die: „Oh, ist alles nicht so wild. Kommt alles nicht so“. Wenn Sie in Kalifornien sind, dann erfahren Sie, mit welcher Geschwindigkeit man dort unterwegs ist. Da kann einem nur grauen.
Was heißt das für uns? Ich glaube sehr stark dran, dass wir – und das gilt ganz sicher für die Marke – permanent daran arbeiten müssen, uns zu verjüngen, uns auf neue Herausforderungen auszurichten. Eine Marke darf nicht stehenbleiben. Ein Unternehmen darf nicht stehenbleiben. Und die Mitarbeiter dürfen nicht stehenbleiben. Deswegen haben wir in diesem Prozess unserer Selbstfindung erst einmal unsere DNA definiert: Was sind wir? Wir sind „Findig im Finden“. Das ist ein etwas sperriger Begriff, der aus der letzten, vorletzten Generation kommt. Aber er sagt, worum es geht: neue Ideen zu finden und diese umzusetzen. Dann haben wir Werte definiert in der Familie, und diese treiben wir jetzt durchs Unternehmen.
Der erste Wert heißt Neugier: Neugier auf Neues, auf Anderes, Ausprobieren etc. Der zweite Wert heißt Mut: Wir wollen mutig Dinge machen, die andere vielleicht nicht machen – und die auch schiefgehen können. Und wenn sie schiefgehen, dann brauchen sie den dritten Wert, der heißt Rückhalt: Wir sagen unseren Mitarbeitern „geht los, macht, probiert aus, verändert“. Und wenn es schiefgeht, dann reißen wir euch nicht den Kopf ab. Bitte nicht drei, vier Mal den gleichen Fehler machen, das ist auch klar. Aber wir wollen uns verändern, wir müssen uns verändern. Und die Mitarbeiter, die sind diejenigen, die es verändern. Der Chef an der Spitze, der kann große Reden halten. Wenn die Mitarbeiter nicht mitgehen, dann können Sie alles vergessen.

In diesem Sinne sehe ich das Symbol dieses „Stein des guten Glücks“. Ich bin durchaus stolz darauf, dass meine Vorfahren die Basis gelegt haben für unser Unternehmen; das brachte Beständigkeit, auch eine gewisse Gelassenheit mit 125 Jahren. Das Unternehmen hat zwei Weltkriege überstanden, es hat die große Wirtschaftskrise überstanden und es hat auch noch vor zwanzig Jahren einen großen Gesellschafterstreit überstanden. Da muss schon eine gewisse Substanz da sein. Aber das reicht eben nicht für die Zukunft. Die Zukunft, die sehe ich in dieser Kugel, die eben Bewegung zeigt, für mich auch Neugier, Dynamik, Kreativität. Und das brauchen wir. In diesem Sinne kann ich nur noch einmal sagen: Ich bedanke mich vielmals für diese Auszeichnung.
Ich freue mich ganz besonders über diese Symbolik, denn sie ist genau das, was wir versuchen, in unserem Unternehmen zu machen. Und ich freue mich auch besonders, dass Hubertus Bessau die Laudatio gehalten hat, denn: Wir beschäftigen uns intensiv auch mit dieser jungen Szene von Unternehmen, die Dinge infrage stellen, die Geschäftsmodelle infrage stellen, die keinen Respekt vor 125 Jahren haben. Und dies vollkommen zu Recht, denn es ist kein Privileg, es ist kein Verdienst, ein Unternehmen zu haben, was so alt ist, denn das ist keine Garantie für Morgen. Aber die Kombination zwischen jungen, inspirierenden Unternehmern mit jungen, inspirierenden Ideen, die auch die alten richtig radikal infrage stellen, in den Senkel stellen – und älteren Unternehmen, die vielleicht eine gewisse Gelassenheit einbringen und Erfahrung, die aber offen sind für Neues, das ist eine Formel für die Zukunft.
Und ich sehe das genau im „Stein des guten Glücks“ repräsentiert. Deswegen bedanke ich mich besonders für diese Ehrung. Vielen Dank.
Friedrich Neukirch
Vielen, vielen Dank, Herr Bahlsen, für Ihre wirklich sehr eingehenden und nachdenkenswerten Worte. Ich kann nur sagen: über Ihr Unternehmen braucht man sich keine Sorgen zu machen. Sie gehen den richtigen Weg, Sie gehen kritisch ran, aber auch mit Neugierde. Ich sage gern: Jeder Mensch, der aufgibt neugierig zu sein, der gibt auch auf zu leben. Ich glaube, Neugierde ist wichtig, aber auch Mut zu haben. Es ist nicht ganz einfach, den Mut in traditionsreiche Unternehmen reinzubringen. Wir müssen noch lernen, Mut zu haben und auch mal zu probieren. Und das müssen wir vorleben. Ich habe keine Zweifel, dass bei Ihrer unternehmerischen Denke Ihre Mitarbeiter Ihnen folgen und auch den Mut beweisen, das Richtige für die Zukunft zu tun.
Wir sind sehr stolz darauf, dass wir Sie heute mit dem »G·E·M Award« ehren durften. Ich wünsche uns gemeinsam einen wunderschönen Abend.

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Nachschriften frei gehaltener Reden
Redaktion: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
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