G·E·M Award 2017 an Alfred T. Ritter
Am 15. Februar 2017, am Vorabend zum 21. G·E·M Markendialog „Die Marke im Zentrum der Transformation“ in Berlin, wurde zum siebten Mal der »G·E·M Award« verliehen. Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award« 2017 wurde Alfred T. Ritter, Miteigentümer Alfred Ritter GmbH & Co. KG.
Nach der Begrüßung der Gäste, der G·E·M Mitglieder und der Teilnehmer am 21. G·E·M Markendialog sowie einer Einführung in den Abend durch Friedrich Neukirch, Präsident der G·E·M, hielt Michael Grashoff die Laudatio auf den Preisträger.
Begrüßung und Einführung
Friedrich Neukirch
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie im Namen des Vorstands und des Kuratoriums der G·E·M sehr herzlich willkommen heißen zu diesem traditionellen Vorabend zum jährlichen G·E·M Markendialog. Ich freue mich ganz besonders, dass wir Mitglieder aus dem Vorstand des Markenverbandes als Gäste begrüßen können: Herrn Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbandes, die Vorstands-Mitglieder Frau Béatrice Guillaume-Grabisch und Herrn Andreas Schubert sowie den Hauptgeschäftsführer, Herrn Christian Köhler. Vielen Dank, dass Sie mit Ihrer Anwesenheit auch zum Ausdruck bringen, dass die Zusammenarbeit zwischen Markenverband und G·E·M eine tragfähige und gute ist.

An diesem Vorabend verleiht die Gesellschaft zur Forschung des Markenwesens seit 2011 ihren »G·E·M Award«, einen Ehrenpreis für Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen und damit die Entwicklung auf dem Gebiet des Markenwesens anführen und entscheidend beeinflussen, also Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens sind.
Der »G·E·M Award« wurde anlässlich „100 Jahre G·E·M“ im Jahr 2010 geschaffen und erstmals 2011 verliehen. Wer in den vergangenen Jahren dabei war, konnte miterleben, wie wir 2011 Herrn Emil Underberg, 2012 Herrn Albert Darboven, 2013 den leider verstorbenen Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, 2014 Herrn Dr. h.c. August Oetker, 2015 Herrn Professor Götz W. Werner und 2016 Herrn Herbert Hainer mit dem »G·E·M Award« ehren durften. Es waren Begegnungen mit erfolgreichen Markenführern, mit großartigen Persönlichkeiten, mit Markenfreunden.
Heute verleihen wir den »G·E·M Award« zum siebten Mal. Und Sie kennen den Namen des diesjährigen Preisträgers: Alfred T. Ritter. Die Jury will Herrn Ritter ehren in Würdigung seines Einsatzes für die Wahrung der Markenidentität von Ritter Sport, vor allem für seinen Mut und seine Energie, permanent für eine Weiterentwicklung und Optimierung der Markenführung zu sorgen, ebenso auch für die Würdigung seines Plädoyers für einen sinnvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, speziell seine Bemühungen, Umweltdenken in die Schokoladenproduktion zu integrieren. Dieses und mehr ist in der Urkunde verbrieft, die wir Ihnen nachher überreichen werden.
Lieber Herr Ritter, herzlichen Glückwunsch zu dieser Ehrung. Ja, der Applaus zeigt, wie froh und glücklich wir sind, dass wir Sie heute mit dem »G·E·M Award« 2017 auszeichnen können. Wir freuen uns sehr, dass Sie und Ihre Gattin sich die Zeit genommen haben, heute zu uns nach Berlin zu kommen, um Ihren »G·E·M Award« entgegenzunehmen.
Wie immer haben wir uns Gedanken gemacht, wer denn die würdigen Worte einer Laudatio sprechen könnte. Aus einem Gespräch mit Ihnen, Herr Ritter, bei Ihnen im Unternehmen in Waldenbuch, hat Herr Disch einen Namen erfahren, der alle Voraussetzungen für einen kompetenten Laudator mitbringt: Michael Grashoff.
Auf seinem Briefbogen steht in schlichten Lettern „Markenberatung und Relaunch“. Aber was verbirgt sich dahinter? Michael Grashoff ist ein echter Zeit- und Markenzeuge, war er doch beratend und begleitend für und mit diesem Namen unterwegs, ohne dies groß kundzutun: blend-a-med, Duden, Jacobs Krönung, Dinkelacker CD-Pils, Daimler-Benz, Feinkost-Appel, Löwensenf, Steiff, Eckes, Reemtsma, Kodak, Van Houten, Frosch. Und seit Herbst 1968 begleitet er Ritter Sport und die Herren Ritter. Damals hat er den Slogan „Quadratisch. Praktisch. Gut“ erfunden. Mittlerweile ist dieser wohl einer der bekanntesten Werbeslogans in Deutschland. Zudem ist Michael Grashoff seit vielen Jahren ein guter Freund von Alfred T. Ritter. – Herr Grashoff, bitte übernehmen Sie.
Laudatio
Michael Grashoff
Danke, Herr Neukirch, guten Abend liebe Gäste. Ich habe erst vor kurzem gelernt, was und wie das Opfer einer Laudatio eigentlich unter Gebildeten heißt. Es ist der Laureatus. Auf Deutsch: Der mit Lorbeer bekränzte. Den ersten dicken Zweig hast Du ja gerade von Herrn Neukirch bekommen.
Und ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Herr Disch das Pult hier mit zwei Deiner erfolgreichsten Sorten geschmückt hat. Hinzu kommt, dass der Sockel des Awards, der Markensockel, ja auch ganz eindeutig eine Referenz an Deine Marke ist mit seinen kubischen Grundzügen. Diese Marke mit ihrem kantigen Profil, mit ihrer farbigen Dynamik, die könnte tatsächlich aus dem Musterbuch des großen Markendenkers und Markenschöpfers Hans Domizlaff stammen.

Ich denke mit heiterer Wehmut zurück an den Anfang der siebziger Jahre, als wir in Hamburg in der Parkstraße (bei Reemtsma), dort, wo der Geist von Hans Domizlaff noch intensiv wehte, auf allerhöchstem Niveau über die Frage diskutierten: Ist eine Marke nur die Summe ihrer millionenfachen Bekanntheit oder ist sie vielleicht oder hoffentlich sogar ein autonomes Wesen an sich? Der große Meister hatte ja damals so Sätze gemeißelt wie: „Markengesetze sind Naturgesetze“. Es ist nicht ganz ohne Ironie, dass genau damals, als die Marke Ritter Sport ihren steilen Aufstieg begann, eines dieser Naturgesetze, nämlich die Preisbindung, der fixe Preis überall, krachend in sich zusammenfiel. Und seitdem ist ja nun Schumpeter-mäßig einiges zusammengebrochen – aber dafür eben auch unendlich Vieles neu entstanden.
Was speziell in den letzten zehn Jahren – hier gebrauche ich eine Formulierung aus Ihrem Programm für morgen – im digitalen Kommunikationsgewitter entstanden ist, das sind Dinge, die hätte sich Hans Domizlaff überhaupt nicht träumen lassen. Wir erleben heute Instant-branding, jeden Tag ein neues Start-up, vor allem völlig neue Markenwesen. Ich glaube, Herr Disch, da liegt noch ein unendliches Feld der Forschung für die G·E·M vor Ihnen. Wenn ich nur mir vorstelle: Diese fast körperlosen Weltbeherrschungsmarken, Dienstleistungsmarken en masse, riesige Vergleichsportale, sogar eine Marke, die alle elf Minuten eine neue Liebe verspricht, und meine andere Lebensmarke, die mit dem Stern – wie die aus diesen Disruptionen und diesen aktuellen Transformationen (digital, elektrisch) was hervorgeht, das steht wohl in den Sternen.
Aber eines scheint mir doch ein beständiges und bleibendes Element zu sein wozu der große Domizlaff einen markigen Satz gesagt hat: „Eine Markenware ist das Erzeugnis einer Persönlichkeit und wird am stärksten durch den Stempel einer Persönlichkeit gestützt.“ Ich sage: Die Persönlichkeit, die wirklich hinter einer Marke steht – das ist wohl für jede ernstzunehmende Marke auch in der Zukunft entscheidend. Nicht mehr flottes selbstherrliches Management, sondern leidenschaftliche Treuhänderschaft, auch mutige und verantwortungsvolle Linienführung, und dann eben Hingabe.
Der Begriff „Manager“ wird in den kommenden Jahren zugrunde gehen, so, wie vor vierzig Jahren der „Herr Direktor“. Und wir brauchen ja nun wirklich nur an die andere große quadratische Marke zu denken, bei der dieser Schrägbalken mir immer mehr wie eine Durchstreichung vorkommt, wo die Manager angefangen haben, mit der Kugel als Teil dieser Skulptur, die Sie für den »G·E·M Award« gewählt haben, mit diesem Element Roulette zu spielen – und im Endeffekt aus einer großen Bonität größenwahnsinnige Boni geworden sind.
Lassen Sie mich sich diese Skulptur und ihr Wesen einen Augenblick intensiver betrachten. Diese Skulptur hat Goethe seiner Charlotte von Stein gewidmet. Ich frage mich, was er sich wohl dabei gedacht hat, als er das den „Stein des guten Glücks“ genannt hat. Und der Duden gibt da doch einen deutlichen Hinweis und ich wage das zu interpretieren. Ich sage einfach: Da ist rechts das Spielerglück, das Zockerglück, da ist auch Protz und Show meist auf Kosten anderer. Und auf der linken Seite, da steht ein ganz anderes Kraftpaket, ein dreifaches: Da ist das innere Glück; das hat auch viel mit Ruhe und Reife zu tun. Da ist die Fortune, die glückliche Hand, die natürlich auch dazugehört. Und da ist vor allem das Glück des Tüchtigen, auch das Glück, das man sich schmiedet.
Diese drei Elemente, dieses Kraftpaket, das zieht sich durch die gesamte Geschichte des Hauses Ritter. Die Taten der ersten und zweiten Generation, die gehen wie nirgendwo anders – ich habe das nirgendwo anders in dieser Deutlichkeit erkennen können – als Kraftlinie durch bis in die Entscheidungen, die heute gefällt werden. Die Tatsache der drei Alfreds nacheinander – Alfred Eugen, Alfred Otto und Alfred Theodor – ist dafür ein sehr schönes Symbol.
Deshalb ist, denke ich, die echteste Lobpreisung ein kurzer Weg durch die ganz und gar unglaubliche Geschichte dieses Hauses, dieser Familie. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ganz vorne eine Frau mitmischt: Das kleine und sehr energische „Fräulein Clara Göttle“ im Königlich-Württembergischen Cannstatt. Sie heiratete den Konditormeister Alfred Eugen Ritter und die beiden begannen eine kleine Schokoladenproduktion. In erster Linie für ihren Zuckerwarenladen. Hier beginnt bereits die Prägung für alles Spätere, denn ein großer Teil ihrer Kundschaft, der Laden war im Bahnhofsträßle, waren Menschen, die zur Eisenbahn gingen und die bei ihr für die Reise noch e Schokolädle oder e Zuckerstängle mitgenommen haben. Und sechzig Jahre später steht in den großen Anzeigen und heißt es in den Fernsehspots: „Für die fröhlichen Leute von unterwegs“.
Doch in den Jahrzehnten dazwischen, da haben die Beiden erst einmal vier große Weltkatastrophen getroffen. Kurz nach ihrer Gründung begann der Erste Weltkrieg, machte alles zunichte. Danach die große Inflation. Und als sie sich gerade wieder aufgerappelt und ein kleines Fabrikle gekauft hatten – südlich von Stuttgart in einem stillen, abgelegenen Flusstal, das Fabrikle stand mitten in Gemüsefeldern – begann die Weltwirtschaftskrise. Danach kam das Nazi-Reich und der Zweite Weltkrieg und brachte wieder alles zum Erliegen.
Aber in diese Zeit der neu heraufziehenden Katastrophe 1932, da hat diese Klara Ritter dort hinter den Bergen eine Marke geschaffen, vor der sich heute jeder hochgestochene Marketingfuzzi nur verbeugen kann. Denn wir haben einen klassischen Fall von Transformation vor uns. Sie bat ihren Alfred Eugen, ihr handfeste, quadratische Tafeln zu gießen und die in ein braunes Zellophanpapier einzuwickeln. Doch das war nur die Hälfte der Tat. Sie nannte es Sport-Schokolade. Und damit hat sie der Marke oder der Form den Spirit eingehaucht.
Dieser Name ist die Ideologie letzten Endes der gesamten Marke bis heute. Und ich muss hinzufügen: Klara Ritter hat überhaupt nicht geahnt, dass genau diese Komponente, dieser Wert, erst etwa vierzig Jahre später durch Mobilität, Fitnessstreben und so weiter seine große Trendkraft entwickeln würde. Hinzu kam, dass Alfred Eugen mit seinem perfekten Marketing dazu eine Sorte mit Trauben und Nüssen entwickelte, konzeptgemäß Sport-Schokolade. Und das ist bis heute die Mutter aller Naturkost- und Energie-Schokoladen.
Nach der Stunde Null hat dann Alfred Otto Ritter, der Sohn, die Verantwortung übernommen. Er hat die kleine Fabrik vorbildlich und dynamisch modernisiert, was sich später als Segen herausstellen sollte. Es lässt sich feststellen, dass Alfred Otto so Mitte der sechziger Jahre ein Faible für die Erfindung seiner Mutter entwickelt hat, weil diese Quadrate sehr einfach und rationell zu produzieren waren, war er war doch ein leidenschaftlicher Schokoladen-Techniker. Er hat dann auch mehrere dieser Quadratsorten hinzugefügt.
Als sich das Alles gerade langsam und positiv entwickelte, kam die nächste Katastrophe, keine Weltkatastrophe, es war eine Branchenkatastrophe. Innerhalb weniger Jahre nach dem Fall der Preisbindung brach die gesamte Branche zusammen. Große traditionelle Marken wie Sprengel im Norden, Stollwerck im Westen, Sarotti und direkt im Südwesten vor Ort die große traditionsreiche Eszet – alle wurden an irgendwelche Konzerne als Markenkörper verhökert. Und das bedeutete eigentlich auch für Alfred Otto Ritter das Ende.

Jedoch, in diesem Augenblick hat die Persönlichkeit, die hinter einer Marke steht, hat dieser stille freundliche Mann, plötzlich etwas Unfassbares getan: Er hat seine Quadrate, das war logistisch damals möglich, in Kiosken und Tankstellen platziert, weit über seinen eigentlichen regionalen Raum hinaus. Er hat das Geld zusammengekratzt für überregionale Werbung. Und in dieser Werbung hat er behaupten lassen: Dieses Produkt ist der Schokoladentyp der neuen Zeit. Er hat es später selbst immer wieder als Größenwahn bezeichnet, aber: das ist die junge Schokolade, Schokolade, wie man sie heute will. Dazu so einen Stakkato-Slogan, Swing-Musik, ein richtiges Markenzeichen. Er hat mit diesem Anspruch einen munteren extrovertierten Zirkus aufgezogen. Und er hat, wie seine Mutter, auch eine Sorte dazu geschaffen, die zu diesem Anspruch wiederum hundertprozentig passte: die erste Tafelschokolade mit einer weißen Joghurtfüllung.
Alle Welt hat ihn für verrückt erklärt, aber nach allerkürzester Zeit ging der Umsatz nach oben, mitten in diesem rauchenden Trümmerfeld. Und zwei Jahre später hat er die Kühnheit besessen, seine ganzen Sorten in Farben, komplett in Farben zu bringen. Das war seine letzte große Tat vor seinem frühen Herztod. Er hat damals noch gesagt: „Jetzt glaube ich langsam selber, dass das kein Strohfeuer ist.“
In dieses traurige Vakuum nach dem Tod von Alfred Otto trat nun der dritte Alfred, Alfred Theodor, in Aktion. Zusammen mit seiner Schwester Marli und Mutter Martha haben die drei einen weiteren Meilenstein gesetzt – gegen den sich trotz aller Umsatzentwicklung noch mal heftigster angstvoller Widerstand entwickelt hatte. Es war die Umstellung des ganzen Quadrate-Programms auf das Knick-Pack, auf den Schlauchbeutel. Niemand konnte sich vorstellen, eine Qualitätsschokolade in der Verpackung billiger amerikanischer Riegel anzubieten, es gab gar Untergangsprognosen. Aber die Familie hat sich eisern durchgesetzt.
Auch dieses Mal hat das Publikum das alles Klasse gefunden, hat das logisch gefunden, hat das mühelos akzeptiert, honoriert. Und dann stieg diese ehemals kleine Marke Seite an Seite mit der lila Kontrastmarke zur führenden Schokoladenmarke in Deutschland empor. 1968 etwa zwanzig Millionen Umsatz, 1988 über vierhundert Millionen. Das war ein Weg, den ich nach wie vor für unglaublich halte.
1988 hat nun sich die Persönlichkeit, die hier jetzt sitzt, ein zweites Mal, und dieses Mal sogar ganz persönlich, einen Lorbeer verdient. Ich muss das kurz erzählen, ich durfte dabei sein. Es wurde der Geschäftsführung von ihren neuen prominenten Beratern eine sehr dezidierte Weiterentwicklung des Markenzeichens, des Logos vorgelegt. Doch das wurde gleich vom Tisch gewischt nach dem Motto: Warum sollen wir was ändern, es läuft doch alles wunderbar, never change a winning team, und so weiter. Und als man zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen wollte, da meldete sich von der Seite des Tisches Alfred T. Ritter, der als Beirat eigentlich da hätte gar nicht sitzen dürfen. Er war auch eher zufällig anwesend und wollte eigentlich nur als Zuhörer teilnehmen. Dann aber sagte er plötzlich mit dieser so unüberhörbar leisen Stimme, wie das auch sein Vater konnte: „Also, ich find das gut. Und das sollte mer mache“ – und schob Alles in die Mitte des Tisches zurück. Und in der Mitte aller Schokoladen-Quadrate von heute prangt genau dieses Logo in dieser Form.
Anfang des neuen Jahrhunderts, Jahrtausends, fingen dann die Manager von Ritter Sport ebenfalls an, mit dieser Kugel zu spielen. Innerhalb kurzer Zeit und sehr überraschend kam dieser Schokoladendampfer, wie Alfred Ritter gerne seine Firma oder seine Marke nennt, sehr gefährlich ins Schlingern. Da beschlossen die Geschwister Ritter, dass Alfred Theodor selbst auf die Brücke und ans Ruder geht, zusammen mit der übrigen, sehr tüchtigen und markenloyalen Mannschaft. Nach kurzer Zeit kehrte der Geist zurück, kamen die Quadrate ins Rollen. Wenn es vielleicht auch nicht ganz logisch ist, aber sie kamen ins Rollen.
Das vergangene Jahr wurde abgeschlossen als klarer Marktführer mit beneidenswerten qualitativen Werten. Die Mannschaft von vor zehn Jahren ist immer noch dieselbe, ein wenig erweitert, ressortmäßig. Die Pflöcke für die nächsten zehn Jahre sind eingeschlagen, unter anderem mit der wohl größten Programm-Weiterentwicklung der Firmengeschichte. Und das gibt heute die Kraft für die beiden bedeutungsvollen Lebenselemente der Marke, der Firma.
Die erste ist – und ich sage das ohne jede Scheu – die selbstverständliche Menschlichkeit. Da gibt es keinen Hochleistungsdruck, keine Erfolgsprämien, hier tut jeder von sich aus sein Bestes – getragen von viel gegenseitigem Vertrauen und Respekt. Es ist nicht umsonst so, dass immer wieder das Bild von dem gallischen Dorf auftaucht, wo die Konzernrömer über die Baumwipfel in dieses immer noch ländliche Tal hinuntergucken und herauskriegen wollen, was die da unten für einen Zaubertrank haben. Dieser Zaubertrank, das erste Lebenselement dieser Marke, ist ein doppelter Charakter: der Formcharakter, das Quadrat, und der menschliche Charakter, von dem ich sage, es ist Mut und Fairness und Verantwortung.
Mit Verantwortung bin ich auch schon bei dem zweiten Lebenselement: das außergewöhnliche Engagement für die Umwelt. Für die Umwelt engagieren sich die Geschwister Ritter seit Jahrzehnten mit höchstem Engagement und setzen dieses unendlich vielfältig um. Vor allem in einer Produktion, die nach wie vor und heute mehr denn je wirklich eine Synthese von Ökonomie und Ökologie ist. Ich sehe mit Freude, dass nun auch die vierte Generation beginnt mitzuwirken, vor allen Dingen bei der Rohstofferzeugung, wo man erkennen kann, dass mit Leidenschaft und mit Riesenschritten eine substanzielle Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit realisiert wird.
Genug des Lorbeers, zumal Du den ja viel lieber in einer guten Soße hast. Deshalb möchte ich diese Geschichte des guten Glücks mit einer ganz kleinen Story enden lassen:
Wie gingen wir vor einigen Monaten durch die offene Halle des Ritter-Museums, wo man gleich nebenan noch den Trakt des ursprünglichen Fabrikles sehen kann. Da kam eine Lady, eine Dame mit starkem amerikanischem Akzent, auf uns zu mit einer Kamera und einem kleinen Töchterchen. Und die fragte mit allen Anzeichen der aufgeregten Fanverehrung, ob sie ein Foto mit ihm und ihrem Töchterchen machen könnte. Alfred Ritter nahm das Mädele an die Hand und schenkte der Kamera sein inzwischen ja markenprägendes Lächeln. Als wir weitergingen und die beglückte Damen zurück ließen, da sagte er so halblaut und eigentlich fast zu sich selbst: „Ich glaub’, es ist nit das schlechteste Schicksal, Schokoladenfabrikant zu sein.“
Ich wünsche Dir auch weiterhin viel gutes Glück, mein lieber Alfred Ritter.
Friedrich Neukirch
Lieber Herr Grashoff, man hätte Ihnen noch stundenlang zuhören können. Es war spannend, wie Sie uns die Geschichte von Ritter Sport und der drei Ritter nähergebracht haben. Vielen, vielen Dank. Mit Ihrer Laudatio wird uns noch deutlicher, dass wir heute mit dem 7. »G·E·M Award« eine große Markenpersönlichkeit ehren dürfen.

Lieber Herr Ritter: Mit Freude überreichen wird Ihnen den „Stein des guten Glücks“, den Herr Grashoff so trefflich interpretiert hat, und die Urkunde, in der mit acht kurzen Sätzen aufgeschrieben ist, warum wir Sie mit dem »G·E·M Award« 2017 ehren. Wir sind sehr, sehr froh, Sie bei uns zu haben. Mögen Sie weiterhin viel Glück und viel Erfolg mit Ihrem Unternehmen, mit Ihrer Vision, mit Ihrer Kultur und mit Ihren Überzeugungen haben. Herzlichen Glückwunsch.
Die Begründung der Jury
Die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens verleiht den »G·E·M Award« 2017 an Alfred T. Ritter in Würdigung
- seines Einsatzes für die Wahrung der Markenidentität von Ritter Sport
- seines Mutes und seiner Energie, permanent für eine Weiterentwicklung und Optimierung der Markenführung zu sorgen
- seiner Überzeugung, dass die Mitarbeiter die ersten Vertreter der Marke sind
- seiner Aktivitäten, Auslandsmärkte für Ritter Sport zu erschließen
- seiner Bemühungen, Umweltdenken in die Schokoladenproduktion zu integrieren
- seiner Initiativen für nachhaltige Standards in der Kakaoproduktion und für den Einsatz natürlicher Aromen
- seines Plädoyers für einen sinnvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen
- seines Engagements bei der Entwicklung innovativer umweltfreundlicher Technologien.
Die Preis-Skulptur
Die Begründung der Jury ist in einer Urkunde verbrieft. Diese überreichen Friedrich Neukirch, Präsident der G·E·M, und der Laudator Michael Grashoff zusammen mit einer Skulptur in Form von Goethes „Stein des guten Glücks“ aus italienischem Marmor, ein Unikat mit Zertifikat, 3 kg schwer.
„Stein des guten Glücks“ heißt das Denkmal, das Johann Wolfgang von Goethe zu Beginn des Jahres 1777 neben sein Gartenhaus in den Ilmwiesen zu Weimar als Geburtstagsgeschenk für seine Seelenfreundin Charlotte von Stein setzen ließ. Es ist aus rötlichem Sandstein, 1,63 m hoch. Goethe wählte für sein Denkmal eine symbolische Formensprache. Sie geht auf Sinnbilder der Renaissance zurück. Es handelt sich um eines der ersten nicht-figürlichen Denkmäler Deutschlands.
Der „Stein des guten Glücks“ ist eine Kugel auf einem mächtigen Kubus.
- Der Kubus oder Würfel symbolisiert das Statische, Gefestigte und Ruhende, Beständigkeit und Gelassenheit.
- Die darüber liegende Kugel drückt Bewegung, Kreativität und Dynamik aus.
- Die Kugel ruht auf dem Kubus.
Das Ganze stellt eine gelungene Verbindung dieser beiden Elemente dar: Das Rollende auf dem Festen, das Wandelbare über dem Unabänderlichen.
Alfred T. Ritter sagt Danke
Vielen Dank, dass ich heute hier sein darf. Vielen Dank, Michael, für Deine Laudatio, die mich etwas beschämt macht. So toll bin i nun auch wieder net. Ich habe mir ein paar Sachen überlegt, die ich heute hier sagen will, doch die sind eigentlich so ziemlich alle schon gesagt worden.

Daher möchte ich einfach die Gelegenheit nutzen, mich zu bedanken. Nicht nur für den »G·E·M Award«, sondern vor allem dafür, dass ich das Glück hatte, diese Marke Ritter Sport geschenkt zu bekommen. Die nämlich vor meiner aktiven Zeit in der Firma Ritter von Dir, lieber Michael, und von meinem Vater kreiert wurde. Und mir ist es dann geschenkt worden, diese Marke weiter pflegen zu dürfen. Das habe ich lange Zeit aus der Position eines Beirats heraus gemacht. Habe immer wieder auf die Marke geachtet, wie Du gesehen und soeben berichtet hast.
Eine Marke ist ein hervorragendes Vehikel, einen Inhalt zu transportieren. Ritter Sport ist viel mehr als ein Quadrat oder bunte Farben. Ritter Sport ist ein ganzes Lebensgefühl. Der Inhalt der Schokolade ist einfach, aber hochwertig. Wir haben keine komplizierten Rezepturen, die sind alle eigentlich aufs Wesentliche reduziert. Die Namen sind keine Fantasienamen, vielmehr ist der Name Programm. Da steht dann einfach Vollnuss oder Marzipan drauf. Die Marke hat keinen Sinn für exotische Träumereien, die hat kein Stanniolpapier für die Sofa-Ecke, die ist eigentlich genau das Gegenteil: Diese Marke, die ist quadratisch, praktisch und gut. Und eine Marke für Beißer, nicht für Lutscher.
Das ist natürlich etwas, was man bei Schokolade zunächst mal gar nicht so erwartet. Das wurde kreiert und weiterentwickelt. Und an dieser Weiterentwicklung versuche ich, mein Teil zu haben.
Es gab eine Zeit, als ich – immer noch im Beirat – nicht so intensiv auf unsere Marke guckte, weil ich eigentlich Geschäftsführer von einem Unternehmen für Solartechnik war. Damals fing das Management an, mit der Marke zu spielen. Michael Grashoff hat in dieser Zeit das Unternehmen nicht beraten. Es war erschreckend, in welchem Tempo die Prägnanz dieser Marke verfiel. Da waren schon die ersten Farbverläufe in der Marke, die Qualität war nicht mehr so gut, in der Produktion war die Stimmung schlechter geworden. Es war viel mehr als nur die Marke.
Ich sah dann auch, dass, wenn eine Marke nicht prägnant ist, nicht mehr kantig ist, sie austauschbar wird, dann überflüssig wird. Das war dieser Punkt, wo ich mit meiner Schwester zusammen beschlossen habe, als vorsitzender Geschäftsführer wieder an Bord der Firma zu gehen.
Die Marke ist Ausdruck einer Firma. Und diese Firma produziert Qualität. Diese Firma ist freundlich zu allen: sie ist freundlich zu den Lieferanten, sie ist freundlich zu den Mitarbeitern, sie ist freundlich zum Kunden. Und das ist ein Zentrum. Anders kann Ritter Sport nicht funktionieren.

Unsere Marke ist jetzt auch zunehmend von Ökologie geprägt. Ich bin überzeugt, wenn wir es als Industriegesellschaft nicht schaffen, in Kreisläufen mit der Natur zu arbeiten, dann werden wir verschwinden. Und wir bei Ritter Sport wollen da Vorreiter sein. Bei Schokolade geht es vor allem um die Produktion in der Landwirtschaft, wo wir jetzt groß eingestiegen sind. Es geht darum, bessere Qualität an Kakao zu bekommen als bisher; inzwischen kümmern wir uns um alle Zutaten und Rohstoffe. Marke ist eben nicht nur das Äußere, Marke ist auch ganz, ganz stark der Inhalt, zumindest aus meiner Sicht.
Ja, so möchte ich die Marke weiter pflegen. Wir werden noch einige Qualitätssprünge schaffen. Wir werden unser Programm ausweiten, um Qualitäten besser machen zu können. Nicht in dem Sinn, dass wir jetzt ein Premium drübersetzen, manche Rezepturen sind einfach teurer. Und dem müssen wir dann auch Rechnung tragen; das alte Gesetz „Ein Preis – eine Marke“ ist hinfällig geworden.
Wir haben jetzt zum Beispiel die Nuss-Klasse weiterentwickelt, weil die Haselnüsse teurer geworden sind. Da kam so der Spruch von manchen Leuten „Tut doch weniger Nüsse rein“. Wir haben genau das Gegenteil gemacht, wir haben gesagt: Jetzt müssen wir mal gucken, was eigentlich die beste Nuss-Schokolade ist, die wir produzieren können. Wir haben Versuche gemacht, das den Leuten zum Versuchen gegeben und festgestellt: eigentlich müssen ein kleines bisschen mehr Nüsse rein. Das hat natürlich gar nicht mehr in die Kalkulation gepasst, aber Marke heißt „Beste Qualität“. Wir machen heute, glaube ich, eine Nuss-Schokolade, die ist schon richtig gut. Und darauf bin ich auch stolz.
So gehen wir unsere derzeitigen Probleme einfach konsequent an, nennen das Ganze Ritter Sport. Das ist ein großes Konzept, eine Art zu leben. Ich persönlich stehe sehr dazu, das weiterzutreiben. Aber ich bin natürlich auch nur ein Rad in der Geschichte, die nächste Generation macht auch wieder weiter.
Ich kann nur danke sagen, dass ich so eine grandiose Situation habe erleben dürfen. Und was für mich völlig überraschend war: dass ich den »G·E·M Award« kriege. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Auch dafür einfach herzlichen Dank.

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Nachschriften frei gehaltener Reden
Redaktion: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa / Michael Königs, Berlin
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