G·E·M Award 2015 für Prof. Götz W. Werner
Am 18. Februar 2015, am Vorabend zum 19. G·E·M Markendialog „Die digitale Beschleunigung verlangt mehr Markenführung“ in Berlin, wurde zum fünften Mal der »G·E·M Award« verliehen.
Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award« 2015 wurde Prof. Götz W. Werner, Gründer und Aufsichtsrat der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Karlsruhe.
Begrüßung durch Friedrich Neukirch
Meine Damen und Herren, ich darf Sie im Namen des Vorstands und des Kuratoriums der G·E·M sehr herzlich willkommen heißen zu diesem traditionellen Abend, dem Vorabend zum jährlichen G·E·M Markendialog.
An diesem Vorabend verleiht die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ihren »G·E·M Award«. Einen Ehrenpreis für Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen. Und damit Entwicklungen auf dem Gebiet der Markenführung und Markentechnik anführen und entscheidend beeinflussen, also Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens sind.
Doch der heutige Vorabend ist ein ganz besonderer. Heute verleihen wir den »G·E·M Award« zum fünften Mal. Ein kleines Jubiläum also.
Wer in den vergangenen vier Jahren dabei war, konnte miterleben, wie wir 2011 Herrn Emil Underberg, 2012 Herrn Albert Darboven, 2013 Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell und 2014 Herrn Dr. h.c. August Oetker mit dem »G·E·M Award« ehren durften. Es waren Begegnungen mit erfolgreichen Markenführern, mit großartigen Menschen, mit Marken-Freunden. Der 2011 Erstgeehrte ist heute bei uns: Herr Emil Underberg. Ihnen, lieber Herr Underberg, ein ganz besonders herzliches Willkommen.



von Faber-Castell

August Oetker
Die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens ist seit ihrer Erstgründung im Jahre 1910 und ihrer Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1954 offen für alle an Marken interessierten Menschen. Es waren damals Mitglieder des heutigen Markenverbandes, die den Wunsch hatten, eine unabhängige Gesellschaft zu schaffen, die offen für alle Marken-Teilnehmer ist. In der Satzung von 1910 heißt es: „Als Mitglied kann jeder Fabrikant von Markenartikeln, jeder Händler mit Markenartikeln, sowie Richter, Rechtsanwälte, Schriftsteller und Redakteure beitreten“. Welche Weitsicht – schon damals.

Ich darf Ihnen nun den Namen des diesjährigen Preisträgers nennen:
Prof. Götz W. Werner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Jury, das Kuratorium der G·E·M, hat Götz W. Werner für den »G·E·M Award« vorgeschlagen, weil er sich mit der Marke dm seit über 40 Jahren in einer besonderen Weise um das Markenwesen verdient gemacht und eine Marke geprägt hat, die hohes Vertrauen genießt. Lassen Sie mich aber auch darauf hinweisen, dass diese Auszeichnung nicht unbedingt auch für die Eigenmarken oder Handelsmarken gilt, die uns als Markenartikler in dieser Form auch nicht immer erfreuen. Es ist immer wieder die Erkenntnis, dass unterschiedliche Marken-Teilnehmer auch unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen, wenn ich nur die Thematik der Preisführung hier erwähnen darf. Die Handelsmarke kann ja einen Preis festsetzen, die Herstellermarke hat hier ein kartellrechtliches Problem. Aber mit dieser Thematik werden wir uns in der Zukunft weiterhin auseinandersetzen.
Lieber Herr Professor Werner – herzlichen Glückwunsch zu dieser Ehrung, zum »G·E·M Award« 2015. Wir freuen uns sehr, dass Sie sich Zeit genommen haben, heute zu uns nach Berlin zu kommen, um den »G·E·M Award« 2015 entgegenzunehmen.
Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, wer denn die würdigen Worte einer Laudatio sprechen könne. Ich glaube, wir haben einen sehr kompetenten Laudator gefunden: Herrn Franz-Peter Falke, geschäftsführender Gesellschafter der Falke KGaA, seit 2005 Präsident des Markenverbandes.
Ganz kurz möchte Ihnen Herrn Falke vorstellen, was eigentlich gar nicht erforderlich ist. Daher nur wenige Stichworte: Franz-Peter Falke wurde 1951 in Schmallenberg im Sauerland geboren. An sein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in St. Gallen von 1969 bis 1973 schloss sich ein einjähriges Studium an der Textilfachschule in Reutlingen an. Von 1975 bis 1979 war Falke Assistent des Geschäftsführers bei Dr. Oetker Tiefkühlkost in Bielefeld, bevor er 1980 als Geschäftsführer zu Falke Fashion in Schmallenberg wechselte. Seit 1990 führt er gemeinsam mit seinem Cousin Paul Falke das gleichnamige Strumpfunternehmen in vierter Generation. Herr Falke, bitte übernehmen Sie.
Laudatio von Franz-Peter Falke
Lieber Herr Professor Werner, meine Damen und Herren. Herr Neukirch, herzlichen Dank für die Einführung.
Eine Laudatio auf einen Menschen zu halten, dem in der jüngsten Vergangenheit so viele Auszeichnungen und Ehrungen zuteil geworden sind, das ist eine echte Herausforderung.
- Bereits 1994 wird Götz W. Werner – gemeinsam mit Ricardo Diez-Hochleitner, Präsident des Club of Rome, und Conrad Wagner, Begründer des Car Sharing in der Schweiz – mit dem Alternativen Marketing-Preis geehrt für „sein anderes Marketing, das auf einer anderen inneren Gesinnung basiert und das Interesse am Menschen im Vordergrund der Wahrnehmung hat“.
- Für sein Lebenswerk erhält Götz Werner 2003 den „Deutschen Fairness-Ehrenpreis“ der Fairness-Stiftung.
- 2004 prämiiert die IHK Stuttgart sein Ausbildungskonzept mit dem „Innovationspreis Ausbildung“. Es folgt im selben Jahr der „Initiativpreis Aus- und Weiterbildung“, verliehen vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, der Otto-Wolff-Stiftung und der Wirtschaftswoche.
- In 2004 erhält Professor Werner das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2008 gefolgt vom Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
- 2005 ehrt ihn der BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater mit dem BDU Manager Award.
- Im Oktober desselben Jahres wird Werner im Rahmen der II. Bayreuther Dialoge mit dem erstmals vergebenen Bayreuther Vorbildpreis ausgezeichnet.
- Im Oktober 2008 wird Götz Werner von der Unternehmensberatung Ernst & Young die Auszeichnung Entrepreneur des Jahres in der Kategorie „Handel“ zuteil.
- Der Handelsverband Deutschland (HDE) verleiht Professor Werner im November 2010 den Deutschen Handelspreis in der Kategorie „Lifetime Award”.
- 2012 wird Werner in die Hall of Fame des Manager Magazins aufgenommen. In der Laudatio anlässlich der Preisverleihung lobt der Philosoph Peter Sloterdijk das Lebenswerk Werners.
- Im Rahmen des Markenrankings Best Brands wird Werner im Februar 2013 zur „Besten Unternehmermarke“ gekürt.
- Und im September vergangenen Jahres erhält Professor Werner den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Lebenswerk.
Wenn heute die G·E·M Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens Prof. Götz Werner ehrt, dann geht es um die Würdigung seines Denkens und Handelns in Bezug auf Marke und Markenführung. Der »G·E·M Award« ist ein Ehrenpreis für Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen.

Doch bevor ich darauf im Detail eingehe, kurz einige Daten aus dem Leben des Menschen, den wir mit dem »G·E·M Award« 2015 ehren wollen: Götz W. Werner. Geboren am 5. Februar 1944 in Heidelberg; sein Vater betrieb in dritter Generation in Heidelberg eine Drogerie mit einigen Filialen. Götz Wolfgang Werner absolviert 1961 bis 1964 in Konstanz eine Drogistenlehre; es folgt Berufspraxis in verschiedenen Handelsunternehmen; 1968 tritt er in das elterliche Drogeriegeschäft in Heidelberg ein.
Ein Jahr später wechselt er zur Karlsruher Großdrogerie „Idro“ der Firma Carl Roth. Als Jung-Manager analysiert er die Situation des süddeutschen Großdrogisten und kommt zu dem Schluss, dass der Kunde nicht unbedingt das Gespräch, sondern seinen Vorteil sucht. Für Werner entsteht das Konzept, dass Drogerie-Artikel für den Kunden preiswerter werden müssten. Werner schlägt der Geschäftsführung die Einführung des Discounter-Prinzips vor: Selbstbedienung und kompetente Kunden-Fachberatung ohne die Preisbindung der zweiten Hand, denn diese ist ab 1. Januar 1974 in Deutschland verboten. – Seine innovativen Ideen aber werden abgelehnt. Die Folge?
Götz W. Werner macht sich selbständig, eröffnet am 28. August 1973 in Karlsruhe seinen ersten eigenen Laden. Er nennt ihn Drogeriemarkt, kurz dm. Der Grundstein war gelegt für die spätere dm-drogerie markt GmbH + Co. KG. Heute – 42 Jahre danach – ist „dm“ in zwölf europäischen Ländern mit über 3.000 Märkten präsent. Mehr als 36.000 Menschen arbeiten in über 1.600 dm-Märkten in Deutschland, in den Verteilzentren und in der Karlsruher Unternehmenszentrale. Zusammen mit den Mitarbeitern im europäischen Ausland sind es über 52.000 Menschen. Im Geschäftsjahr 2013/14 erzielte das Unternehmen in Deutschland einen Umsatz von 6,4 Milliarden Euro, europaweit lag der Umsatz bei 8,32 Milliarden Euro. Am 16. Mai 2008 übergibt Götz W. Werner den Vorsitz der Geschäftsführung von „dm-drogerie markt“ an Erich Harsch, der seit fast 27 Jahren für „dm“ arbeitet, und wechselt in den Aufsichtsrat.
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit ist Götz W. Werner ehrenamtlich aktiv: Seit Februar 2006 ist Werner Präsident des EHI Retail Institut e.V., Köln. Im Oktober 2003 wird Götz W. Werner die Professur für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe angeboten. Er wird zum Leiter des Interfakultativen Institut für Entrepreneurship am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berufen, wo er bis zum 30. September 2010 tätig ist. Im Oktober 2008 übernimmt Werner an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn eine Gastprofessur. Im September 2013 erscheint im Econ-Verlag Werner’s Autobiographie „Womit ich nie gerechnet habe“.

Wer sich mit den vergangenen 42 Jahren von Götz W. Werner intensiver befasst, wird drei Facetten ausmachen, die das Denken und Handeln unseres Laureaten als Unternehmensführer geprägt haben: Götz Werner, der Pionier. Götz Werner, der Humanist. Götz Werner, der Marken-Initiator.
Götz Werner – der Pionier. Die erste Facette. Bei Pionier und Unternehmer ist der Name des österreichischen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter, der später an der Harvard University lehrte, nicht weit. Schumpeters innovative Pionier-Unternehmer waren junge Leute, die erst einmal nicht mehr besaßen als eine Idee. Schumpeter hätte zweifellos seine Freude an dem damals knapp 30-jährigen Götz W. Werner gehabt. Entsprach er doch genau seiner Vorstellung von jungen Pionieren.
Und Werner war in der Tat Pionier gleich in mehreren Bereichen, was die folgende kleine Auswahl zeigt:
- Die Einführung des Discounter-Prinzips für Drogeriewaren 1973
- Das Konzept, die Kunden als Menschen zu begreifen und als Menschen zu behandeln. Was sich im dm-Slogan “Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ widerspiegelt.
- Die frühe umwelt-orientierte Sortimentsgestaltung, so 1984 die Einführung von Bio-Lebensmitteln, als „Öko“ für die meisten Menschen noch ein Fremdwort war.
- 1994 die Idee, die Aktionitis abzuschaffen und auf niedrige dm-Dauerpreise umzustellen.
- Das gelebte Credo, dass ein Unternehmen durch immer neue Projekte, in die die Mitarbeiter permanent eingebunden sind, eine positive Unruhe erfährt. 1994 wurde Werner in der Laudatio des Alternativen Marketing-Preises „Pionier der Unruhe“ genannt.
- Seit 2005 Einsatz für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland. Die Anfänge seiner Ideen dazu reichen bis ins Jahr 1982 zurück.
„Pionier der Unruhe“ kennzeichnet den Unternehmer Götz W. Werner am besten. In seiner Autobiographie überschreibt er sein siebtes Kapitel mit „Innovationsfitness oder weshalb mir unzufriedene Mitarbeiter am liebsten sind und ich selbst so gerne klaue“ – und gibt die Empfehlung: „Jeden Tag das Unternehmen neu erfinden“.
> Götz Werner ist ein Pionier – im Denken und im Handeln. Er hinterfragt, er stellt zur Diskussion, er bindet Mitarbeiter von Anfang an in Entwicklungen ein, er lässt eine „Arbeitsgemeinschaft dm-drogerie markt“ entstehen. Früh erkennt er die große Veränderung im Marketing, die er auf die kurze Formel bringt: Marketing als Sog und nicht als Druck.
Götz Werner – der Humanist. Die zweite Facette. „Man muss sich selbst aufmerksam machen – auf die Menschen und die Welt um einen herum. Dazu muss man die Menschen und die Welt an sich herankommen lassen und schauen: Berührt es mich? Lehne ich es ab? Was macht es mit mir? Das erfordert eine seelische Offenheit“. Mit diesen wenigen Worten bringt Götz Werner, der bekennende Anthroposoph, in seiner Autobiographie das, was ihn bewegt, auf den Punkt.
Die »Entdeckung des Menschen und der Welt « – das ist die Idee des Humanismus in der Renaissance, wie sie von Jacob Burckhardt, dem Schweizer Kultur- und Kunsthistoriker (1818-1897), beschrieben wird. Humanismus in der gelebten Praxis eines Unternehmens bedeutet, den Menschen zum Maßstab wirtschaftlichen Handelns zu machen. Götz Werner hat dies in seinem Unternehmen auf einzigartige Weise umgesetzt. Aus der Überzeugung heraus, dass der arbeitende Mensch nicht Mittel, sondern Zweck ist, hat er eine dm-eigene Arbeitsorganisation sowie Führungs- und Unternehmenskultur geschaffen. Und dafür erhält er in Kürze, am 23. März 2015, im Stuttgarter Neuen Schloss den Erich Fromm-Preis, den sogenannten Humanismus-Preis. Die jährlich von der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft vergebene Auszeichnung ehrt Menschen, die Hervorragendes für den Erhalt oder die Wiedergewinnung humanistischen Denkens und Handelns im Sinne Erich Fromms geleistet haben bzw. leisten.
Götz Werner hat stets den Menschen – als Mitarbeiter und als Kunde – im Visier. Die Menschen drinnen im Unternehmen und die Menschen draußen in den Märkten. Dafür gibt es in der dm-Unternehmensphilosophie denn auch dm-Kundengrundsätze und dm-Mitarbeitergrundsätze. Gelebter Humanismus in zweiten Richtungen.
Da es um Marke geht, interessiert insbesondere der Mensch als Konsument und Kunde. „Sich die Probleme des Konsumenten zu eigen machen“, das ist einer der Grundsätze der dm-Unternehmensphilosophie. Diskussionen dazu gelangen hier meist schnell zum Thema Kundenbindung und dem Instrumentarium des Customer Relationship Management (CRM). Doch hier reagiert Götz Werner höchst sensibel.
Beim 8. G·E·M Kamingespräch am 15. Oktober 2008 fragt er seine Zuhörer: „Lassen Sie sich gern binden? Ist Kundenbindung überhaupt ein richtiger Gedanke? Ist es richtig, von Bindung zu sprechen, wenn es um Marke geht? Entsprechen die Begriffe, die wir da verwenden, dem, was wir wollen?“ Und er gibt auch seine Antwort: „Wenn wir es mit dem Binden wirklich ernst nehmen würden, hätten wir keinen Erfolg. Die Frage ist doch, wie es uns gelingt, dass sich Menschen mit uns verbinden“. Und Professor Werner legte noch nach: „Begriffe und Begriffsinhalte spielen eine große Rolle in unserer Arbeit. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob unsere Strategien und Konzeptionen eine Bindung oder eine Verbindung erreichen sollen. Die Effizienz, mit der wir zu Werke gehen, steigert sich gewaltig, wenn wir von Verbinden ausgehen. Bei Bindung wird Druck aufgebaut; beim Verbinden geht es darum, Sog aufzubauen: Der Kunde muss kaufen wollen, weil er die Verbindung sucht.“ Was bei „dm“ in den Slogan mündet: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“.
> Götz Werner ist ein Humanist – im Denken und im Handeln. Stets hat er den Menschen im Visier – als Mitarbeiter und als Kunde. Und für Werner besteht ein enger Zusammenhang zwischen diesen beiden Menschen, was er in die kurze Formel bringt: „So wie ich mit meinen Mitarbeitern umgehe, so gehen diese mit den Kunden um.“
Götz Werner – der Marken-Initiator. Die dritte Facette. Kein Handelsunternehmen in Deutschland ist so häufig auf den Spitzenpositionen von Marken-Rankings vertreten wie „dm“. Zum Beispiel: dm zählt zu den wertvollsten deutschen Händlermarken. dm-drogerie spielt bei den Lieblingsmarken der Deutschen ganz vorne mit. dm-drogerie markt hat die zufriedensten Kunden im Handel. Oder auch Götz Werner als die Beste Unternehmermarke.
„dm“ ist Marke, daran besteht kein Zweifel. Und dm-drogerie markt führt eigene Marken, die so genannten „Qualitätsmarken“: 23 dm-Marken, exklusiv für „dm“ entwickelt und besonders günstig.
Hat Götz Werner diese Händlermarke mit ihren 23 Handelsmarken mit rund 2.700 Produkten geschaffen? Fragen wir nach bei dem, der das Buch „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik“ geschrieben hat: Hans Domizlaff. Sein Buch gilt als der Klassiker der Markenführung. Domizlaff schreibt: „Man sagt zwar, dass der Markentechniker eine Marke schafft, aber das ist nur eine sprachliche Vereinfachung. Der Markentechniker liefert gewissermaßen nur eine Materialkomposition, die besonders geeignet und verführerisch ist, um von der Masse aufgenommen und zu einer lebendigen Marke auferweckt zu werden.“
Genau dieses hat Götz Werner getan. Er hat etwas geliefert, Domizlaff nennt es eine Materialkomposition, aus dem in den Köpfen der Menschen „Marke“ entstehen konnte. Die Händler-Marke „dm“ ebenso wie die 23 Handels-Marken. Götz Werner hat etwas initiiert. Deshalb die Überschrift zur dritten Facette: Götz Werner – der Marken-Initiator. Hans Domizlaff hätte seine Freude an Götz Werner. Er würde ihn mit Sicherheit heute an die Stelle seines damaligen Kaufmannes Hermann Schmidt setzen.
Doch lassen wir noch einmal Götz Werner selbst zu Wort kommen: „Durch die Führung des Unternehmens selbst können die Werte erzeugt werden, die unmittelbar als Markenaussage kommuniziert werden. In diesem Ansatz ist Markengestaltung keine primäre Design-Frage, sondern die Frage nach der Identitätsbildung eines Unternehmens durch die Qualität seiner Führung selbst.
Dafür müssen wir Gründe liefern, indem wir die Frage beantworten, was das Unternehmen tut. Zum Beispiel: Lernlinge (wie es bei „dm“ heißt) umfassend bilden, Sozialkompetenz zeigen, fair trade praktizieren, die Mitarbeiter schätzen u.v.a.m. Der Kunde kann dann sagen: Wenn ich hier einkaufe, ermögliche ich denen, dass die mit ihrem Unternehmen so weitermachen.“ Markenaufbau in einer sehr subtilen Weise – nennt das Werner.
Bemerkenswert ist, dass im Unternehmen „dm-drogerie markt“ gar nicht so viel über Marke und Markenführung gesprochen wird. Auch in seiner Autobiographie gibt es kein eigenes Kapitel zur Marke. Ebenso wird das auf Symposien und in der Literatur oft heiß diskutierte „Handels-Marke contra Hersteller-Marke“ nicht thematisiert. Weil das „Marke entstehen lassen“ eben in der von Werner genannten sehr subtilen Weise erfolgt. „Wenn sich ein Unternehmen des Handels etabliert hat, entsteht Marke“ – sagt er.
Eine gute Zusammenarbeit von dm-drogerie markt mit Hersteller-Unternehmen wird damit demonstriert, dass auf der dm-Homepage neben den 23 Eigenmarken, den dm-Marken, auch 69 dm-Partnermarken dargeboten werden. Doch ebenso bezieht Götz Werner deutlich Position, seine Position als Handels-Unternehmer: „Es besteht die Aufgabe, die Filiale von einem Marktplatz für verschiedene Hersteller-Marken hin zu einem Markenplatz zu entwickeln.“
Für Götz Werner gehören Marke und Vertrauen unzertrennlich zusammen: Zutrauen gewinnen und Vertrauen verdienen sind das Fundament jeder Gemeinschaft. „Eine Marke, die Zutrauen verspielt und Vertrauen missbraucht, gleicht einem fliegenden Händler. Der will keine Gemeinschaft, er täuscht dies des schnellen Geldes zuliebe nur vor. Er spielt Marke.“ Und: „Starke Marken sind die, mit denen sich viele Menschen verbinden können“.
Noch ein letzter Gedanke zur Marke von Götz Werner. Für ihn ist Marke praktische Philosophie: Je größer das Einvernehmen der Mitarbeiter mit der Marke ist und je stärker sich diese mit deren Wertorientierung identifizieren, umso größer ist ihre Bereitschaft, aus eigener Einsicht intelligent im Sinne der Marke – dem unternehmerischen Ganzen – kundenorientiert zu handeln. Eine Führung, die diese Prozesse evoziert, wirkt damit unmittelbar Marken bildend. Und das heißt für Werner: Mitarbeiter sind die besten Marken-Botschafter.
> Götz Werner ist ein Marken-Initiator – im Denken und im Handeln. Er hat unter Beweis gestellt, wie man Marken entstehen lassen kann. Dass Markenaufbau in einer sehr subtilen Weise erfolgen muss und dass Marke eine sehr praktische Philosophie ist.

Die Begründung der Jury
Ich komme zur zusammenfassenden Würdigung: Die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens verleiht den »G·E·M Award« 2015 an Prof. Götz W. Werner in Würdigung
- seiner langfristig gelebten Philosophie, ein Unternehmen nach den Prinzipien von Persönlichkeitsentwicklung, Vertrauen und Kreativität zu führen
- seines immerwährenden Bemühens, die Kunden als Menschen zu begreifen und als Menschen zu behandeln
- seiner tiefen Überzeugung, dass Marke keine primäre Designfrage ist, sondern die Frage nach der Identitätsbildung eines Unternehmens durch die Qualität seiner Führung
- seiner auf Erfahrung beruhenden Erkenntnis, dass Mitarbeiter des Unternehmens die besten Marken-Botschafter sind
- seines täglich angetretenen Beweises, dass Marke nicht durch Kunden-Bindungs-Maßnahmen entsteht, sondern durch gelebte Marke-Kunden-Beziehungen
- seines nicht müde werdenden Bestrebens, das Unternehmen jeden Tag neu zu erfinden
- seines persönlichen Einsatzes für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Die Preis-Skulptur
Diese Begründung der Jury ist in einer Urkunde verbrieft, die wir Ihnen, lieber Herr Professor Werner, gleich überreichen werden. Zusammen mit einer Skulptur in Form von Goethes „Stein des guten Glücks“ aus italienischem Marmor, ein Unikat mit Zertifikat, 3 kg schwer.
„Stein des guten Glücks“ heißt das Denkmal, das Johann Wolfgang von Goethe zu Beginn des Jahres 1777 neben sein Gartenhaus in den Ilmwiesen zu Weimar als Geburtstagsgeschenk für seine Seelenfreundin Charlotte von Stein setzen ließ. Es ist aus rötlichem Sandstein, 1,63 m hoch. Goethe wählte für sein Denkmal eine symbolische Formensprache. Sie geht auf Sinnbilder der Renaissance zurück. Es handelt sich um eines der ersten nicht-figürlichen Denkmäler Deutschlands.
Der „Stein des guten Glücks“ ist eine Kugel auf einem mächtigen Kubus.
- Der Kubus oder Würfel symbolisiert das Statische, Gefestigte und Ruhende, Beständigkeit und Gelassenheit.
- Die darüber liegende Kugel drückt Bewegung, Kreativität und Dynamik aus.
- Die Kugel ruht auf dem Kubus.
Das Ganze stellt eine gelungene Verbindung dieser beiden Elemente dar: Das Rollende auf dem Festen, das Wandelbare über dem Unabänderlichen.
Lässt sich Marke besser versinnbildlichen? Und ist das nicht auch Sinnbild Ihrer und damit der dm-Philosophie: die Kugel „Unruhe und Innovation“ auf dem Kubus „Menschen und Vertrauen“.
Lieber Herr Professor Werner: Herzlichen Glückwunsch zum »G·E·M Award« 2015.
Prof. Götz W. Werner sagt Danke

Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Heribert Meffert
Vielen Dank, Herr Falke, dass Sie so viele, nicht nur wohlwollende Worte gefunden haben, sondern wie Sie – nein, überrascht bin ich natürlich nicht, aber ich bin begeistert – den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Ist es doch immer wieder die Aufgabe für uns: „Mensch, werde wesentlich“. Doch wie finden wir das Wesentliche, auf was es ankommt? Und dass die G·E·M diesen Preis mit einer Skulptur von Goethe verbunden hat, das regt mich jetzt direkt an, Sie noch etwas vom Essen abzuhalten.
Vorab will ich aber sagen, dass ich natürlich ganz besonders stolz bin, dass ich als erster Händler – im fünften Anlauf sozusagen – diesen Preis, diesen „Stein des guten Glücks“ mit nach Hause nehmen kann.
Es gibt in meinem Leben so einige Schlüsselerlebnisse, was ich auch in meiner Biographie beschrieben habe. Das erste Schlüsselerlebnis hat mit Rudern zu tun. Günter Bauer, mein späterer Partner, der das Auslandsgeschäft aufgebaut hat, und ich sind Doppelzweier gefahren. Wir waren 18, 19 Jahre alt, das war 1962/63. Damals war Brigitte Bardot groß in. Das erste Mal einen nackten Frauenhintern im Kino zu sehen, das war für uns junge Buben was Besonderes. Doch unser Trainer Ludi Marquardt hat uns immer gesagt: B.B., merkt Euch das, heißt nicht Brigitte Bardot, sondern „Beharrlich im Bemühen und Bescheiden in der Erfolgserwartung“. Da haben wir natürlich fürchterlich gelacht, als der das jeden Tag uns dreimal erzählt hat. Aber, je länger das B.B. mich begleitet hat – und das wurde natürlich auch bei dm kultiviert –, erkannte ich, dass es wirklich Empirie ist. Wenn was schiefgeht, schauen Sie nach, dann gilt: „Ungeduldig im Bemühen, anspruchsvoll in der Erfolgserwartung“. So gehen Freundschaften kaputt, so gehen Unternehmen kaputt, so erleiden Marketingkonzepte Schiffbruch.
Das zweite Schlüsselerlebnis hat etwas mit diesem „Stein des guten Glücks“ zu tun, es lautet K.K. und bedeutet „Kreativität und Kontinuität“. Als Ruderer haben wir von unserem Trainer auch immer dieses K.K. als Ansporn bekommen. Er hat gesagt: „Im Rhythmus liegt die Kraft“. Und dann kommt man sehr schnell dahinter, dass eigentlich unser ganzes Leben im Rhythmus geschieht. Hell, dunkel oder Sommer, Winter, oder einatmen, ausatmen – alles Rhythmusgeschehen. Wenn man das mal begreift, und als Ruderer hat man dann das Glück, dass man das zwangsläufig begreift, dann wird einem deutlich, dass es in der Gestaltung immer darauf ankommt, dass man den Rhythmus findet. Den richtigen Rhythmus.
Und dieses K.K. – Kreativität und Kontinuität – ist etwas ganz Grundlegendes. Das ist, dass man den Blick darauf hat, dass man immer zwei sich eigentlich wechselseitig ausschließende Phänomene in eine Verbindung bringt, sodass daraus etwas enorm Prosperierendes wird. Beim Atmen kann man das beobachten: Ein- und Ausatmen schließt sich gegenseitig aus. Wenn Sie nur einatmen, sterben Sie; und wenn Sie nur ausatmen, auch. Also: Wirklich wohl fühlt man sich nur, wenn man in den richtigen Atemrhythmus kommt. Mit den entsprechenden Atemübungen kann man übrigens auch, was ich jeden Tag mache, seinen Blutdruck beeinflussen. Für uns heißt das: Wie kann man seine Wahrnehmung so sensibilisieren, so schärfen, dass man in allem, was man macht, die Rhythmusfrage nicht aus den Augen verliert.
Beim Managen, wenn ich in der Unternehmensverantwortung bin, wenn ich verantwortlich bin für eine Gemeinschaft, da geht es immer um Harmonisieren und Koordinieren. Es geht immer um Investieren und Deinvestieren. Und bei der Gelegenheit darf ich betonen: Ein Unternehmen führen ist kein Kosten-Management, es ist ein Investitions-Management. Dass sich das in Universitäten so wenig herumgesprochen hat, verblüfft mich heute noch. Aber wenn das Investitions-Management schief geht, dann haben Sie natürlich Kosten-Management. Aber das ist im Prinzip der Unfall der Sache. Mit einem richtigen Investitions-Management können Sie den Erfolg gar nicht verhindern.
Aber Investitions-Management heißt natürlich, dass man sich trennen muss von dem, was man schon glaubt zu haben. Was man bei den Händlern ja schön sehen kann. Kaum hat man das Geld in der Kasse, kauft man wieder neue Ware ein. Kaum hat man die Ware verkauft, müsste man eigentlich froh sein, dass das Geld wieder in der Kasse ist, aber man kauft schon gleich wieder neue Ware ein. Das nennt man übrigens Warenumschlag. Und es ist natürlich ganz wichtig, dass man den Warenumschlag schön steigert. Das war auch mein Bestreben.
Aber zurück zu den beiden K.K, also Kreativität und Kontinuität. Das widerspricht sich eigentlich. Wenn wir in unserer Unternehmensführung zu sehr Wert legen auf Kontinuität – ich drücke das jetzt mal medizinisch aus, dann fängt das Unternehmen an zu sklerosieren. Sklerose führt ja bekanntlich zum Herzinfarkt. Mausetot. Und wenn Sie Kreativität zu sehr forcieren, dann fängt das Unternehmen an abzuheben. In der medizinischen Konnotation wird man sagen, dann findet Wucherung statt. Wucherung führt zu Krebs und wenn Krebs, da sind Sie früher oder später auch mausetot.

Also, es ist immer die Frage: Wie bringen wir dieses Denken in unseren persönlichen Lebensrhythmus wie auch in den Rhythmus des Unternehmens? Wenn Sie das mit dem Rhythmus heute von hier mitnehmen, dann hat es sich richtig gelohnt hierher zu kommen, glauben Sie mir. Aber, es ist eine persönliche Leistung, dass man sich das zu seiner persönlichen ergebnisoffenen Forschungsfrage macht und fragt: Wie ist das eigentlich mit dem Rhythmus bei mir, in meiner Ehe, im Unternehmen, was ich mache, wo ist das Geheimnis des Rhythmus? Für mich im Unternehmen war das halt die Sache mit der Kreativität und der Kontinuität. Und wenn man das kultivieren kann im Unternehmen, dann haben Sie das, was man nennen kann: Innovationsfitness. Wir reden immer von Innovation. Aber die braucht auch noch das andere. Die Kontinuität. Innovation ohne Kontinuität, Kontinuität ohne Innovation führt zu Niedergang.
Und das andere, das haben Sie wunderbar rausgearbeitet, Herr Falke – das hat Sie offensichtlich angesprochen, Sie hätten ja auch eine andere Laudatio halten können –, das ist die Sache mit dem Menschen. Ich glaube, das ist etwas, was wir uns immer wieder vor Augen halten müssen. Wenn jemand von außen käme und würde hören, wie wir über Wirtschaft schreiben, über Unternehmen schreiben, was dazu gelehrt wird, dann käme er unweigerlich zu der Erkenntnis: der Mensch ist ein Kostenfaktor, ist ein Nutzfaktor, ist ein Spaßfaktor, ist ein Risikofaktor. Das können Sie jetzt noch beliebig verlängern. Er käme aber nicht auf den Gedanken und würde sagen: Der Mensch ist der eigentliche Zweck unserer Betätigung.
Und das lässt sich doch ganz leicht verifizieren. Wenn man sich vorstellt, es gäbe keine Menschen, dann gäbe es auch keine Wirtschaft. Einverstanden? Wenn Sie mal gucken, was wir so Jahr für Jahr, Tag für Tag tun, auf welches eine Ziel ist das letztlich gerichtet? Immer auf den Menschen. Es würde keine einzige Flasche Klosterfrau Melissengeist produziert, wenn es keine Menschen gäbe, die das als Arzneimittel verwenden. Das ist doch klar. Es heißt immer so schön: der Mensch, entweder stört er oder er ist der Mittelpunkt. Der Mensch ist immer das Ziel unserer Bemühungen.
Und das fällt einem natürlich in einem Handelsunternehmen sehr schnell auf die Füße. Man kann, wenn man Produkte herstellt, so schöne Socken usw. macht wie der Herr Falke, auf seine Produkte wahnsinnig stolz sein. Als Händler kann man auf die Produkte gar nicht stolz sein, weil die ja jemand anderes macht. Und da unterscheiden sich Handelsunternehmen von Industrieunternehmen. In einem Industrieunternehmen verbinden sich die Mitarbeiter mit dem, was dort hergestellt wird. Sie sagen zwar: das ist ein ganz schreckliches Unternehmen, wo ich bin, aber wir machen die besten Wasserdurchlauferhitzer. Im Handelsunternehmen ist das ganz anders: wir haben zwölfeinhalbtausend Artikel, da müssen sich die Menschen mit dem Unternehmen identifizieren.
Da stellt sich einem die Frage: Mit was sollen sich die Menschen bei uns denn identifizieren? Wenn sie sich mit dem Unternehmen identifizieren wollen, was ist denn das Unternehmen? Sie haben es genau nachgeguckt, fast 1.700 Filialen in Deutschland. Niemand bei uns im Unternehmen kennt diese 1.700 Filialen alle. Also, ein Flohzirkus ist fast nichts dagegen. Überall verteilt. Und wenn Sie dann von 8,5 Milliarden Umsatz reden, die 8,5 Milliarden, das ist Theorie. Oder es ist eine Abstraktion.
Das Unternehmen dm-drogerie markt ist so wie die einzelne Filiale, die Sie sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Und wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Hören Sie mal zu, Herr Werner, weil ich da in Konstanz viel Leute kenne, Ihr Laden, das ist ja schrecklich, das muss doch ganz anders werden“. Dann nützt das überhaupt nichts, wenn ich ihm sage: „Ja, aber wir haben gerade in Flensburg einen neuen Laden aufgemacht, den müssen Sie sich mal anschauen“. Es ist immer local business. Und es zählt nur das, was vor Ort ist. Also: der Unternehmer in so einem Einzelhandelsunternehmen, das ist der Kollege am point of sale. Ich habe gerade vorhin, als ich in Spandau in unserer Filiale war, zu den Damen gesagt: „Der Kunde verbindet sich mit Ihnen“. Und wenn Sie mal genau Ihr eigenes Einkaufsverhalten nachprüfen, dann werden Sie feststellen, dass Sie das genauso machen. Und wie bringen wir das fertig, dass unsere Kunden, bei uns jeden Tag 1,7 Millionen Kunden, sich mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Filialen verbinden?
Das ist letzten Endes die große Kunst, es könnte fast ein Kunststück sein. Aber es ist eigentlich kein Kunststück, wenn man die richtige Perspektive einnimmt. Was unterscheidet denn einen Unternehmer von den vielen anderen, die es auch gibt? Die Antwort lautet: die richtige Perspektive. Wie komme ich zu der richtigen Perspektive? Und da wird es dann deutlich: Sehe ich das Unternehmen wie eine Pyramide – oben die Geschäftsleitung, unten die Menschen in den Filialen? Wird mir denn deutlich, dass das eigentlich Unternehmerische dort geschieht, wo die Kunden sich mit unseren Menschen in der Filiale berühren und verbinden? Am point of sale. Und das lässt sich durch überhaupt nichts sicherstellen. Sie können Ihre Socken, die Sie produzieren, wenigstens kontrollieren, ob sie in Ordnung sind. Bei uns aber gibt es keinen Ausstoß zu sehen, da gibt es nur Versagen. Wenn diese 1,7 Millionen Kunden auf unsere Kolleginnen und Kollegen zusteuern, 36.000 in Deutschland, dann gibt es nur Versagen. Und da ist es dann eben die Frage, ob es einem gelingt.
Hier kommt es auf zwei Dinge an: Das eine habe ich bei Erich Fromm gelernt. Es ist wirklich so: Wenn man seine Kunden nicht liebt, dann geht die Sache schief. Man muss seine Kunden lieben. Die Amerikaner, die sind ja viel zu kritisieren, aber sie sind unheimlich praktisch. Die haben so einen schönen Spruch, der wird bei uns immer verwendet: Love it, change it, or leave it. Diese Frage muss sich eigentlich jeder, der irgendetwas macht, jeden Morgen stellen. Liebe ich meine Arbeit? Kann ich das möglicherweise verändern, weil ich sie eben nicht ausreichend liebe? Wenn mir das auch nicht gelingt, dann muss man sagen: Nix wie weg.
Und dann muss man sich klarmachen: Die Menschen, die bei uns im Unternehmen tätig sind, die haben nicht ihre Arbeitszeit bei uns. Es ist eine fürchterliche Verführung, immer von Arbeitszeit und Freizeit zu sprechen. Ja, ich bin ein bisschen ein Begriffsfetischist. Arbeitszeit, diesen Begriff muss man verbannen. Weil es immer Lebenszeit ist. Es ist immer Ihre Lebenszeit, immer unsere Lebenszeit. Wir als Unternehmer verfügen immer über die Lebenszeit von anderen Menschen.
Und dann haben wir zwei Aufgaben. Die erste ist Wertschätzung. Das hat was mit Liebe zu tun. Steigerung der Wertschätzung ist ja Liebe. Unsere Kolleginnen, unsere Kollegen müssen wir lieben, auch mit ihren Unzulänglichkeiten, und uns wirklich warm dafür interessieren. Und das Zweite, da bin ich bei Viktor Frankl, meinem zweiten Mentor, das ist die Sinnstiftung. Bei allem was wir machen, müssen wir uns fragen: Macht das für den anderen Sinn? Nicht für mich, für den anderen muss es Sinn machen. Für unsere Mitarbeiter, denn die bringen einen Großteil ihrer Lebenszeit bei uns ein. Und wenn die hier nicht den Sinn finden, und wenn es uns nicht gelingt, unsere Vorhaben, unsere Zielsetzung an diese Menschen heranzubringen, ja dann brauchen wir es bei den Kunden gar nicht mehr auszuprobieren. Wenn schon die Menschen, die bei uns im Laden stehen, der Meinung sind, dass das eigentlich eine ganz unglückliche Angelegenheit ist, dann wird es an die Kunden auch nicht rüberkommen.
Also: Die ersten Kunden sind die Kolleginnen und Kollegen, es sind die wichtigsten. Die Zweiten sind die Kunden, die bei uns kaufen, die unsere Leistung in Anspruch nehmen. Die das Ziel, das gemeinschaftliche Ziel unserer Bemühungen sind. Und dann haben wir noch die Dritten, die werden oft vergessen: das sind unsere lieben Lieferanten. Denn wenn die nicht liefern, haben wir nichts zu verkaufen. Gar nicht so einfach. Zu gucken, dass die auch immer pünktlich liefern, dass denen auch was Neues einfällt. Und dass man denen so viel Luft lässt, dass sie auch noch was Neues entwickeln können. Lieferanten, die nichts Neues mehr entwickeln, die tun dem Geschäft gar nichts Gutes.
Sie merken, es hat immer mit Menschen zu tun. Also müssen wir uns doch fragen, welches Menschenbild wir denn eigentlich haben. Das ist das Entscheidende. Die erste Frage lautet: Ist der Mensch für mich Mittel oder Zweck? Hier kann man sich mit Kant verbinden, der sagte: der Mensch ist nie Mittel, immer Zweck. Und dann kann man mal bei sich im Unternehmen durchforsten: Wie oft wird der Mensch als Mittel bezeichnet? Als Zweites dann die Sinnfrage. Und das Ganze entsteht nur dadurch, dass wir ständig kommunizieren. Wir müssen ja kommunizieren. Ich kommuniziere jetzt mit Ihnen. Sie rechnen mit meiner Produktivität, ich rechne mit Ihrer Empfänglichkeit. Produktivität und Empfänglichkeit muss zusammenkommen. Und ich versuche mit den Ausführungen, die ich hier mache, in eine Art monologischen Dialog mit Ihnen zu kommen.
Wie komme ich in einen monologischen Dialog? Das hat mich immer ganz verrückt gemacht. Es waren früher zwar nicht so viele Kunden wie heute, aber es waren immer viele Kunden. Im Einzelhandel hat man keine unmittelbare Kundenbeziehung, sondern nur eine mittelbare. Und wie kann ich jetzt mit den Kunden so kommunizieren, dass sie sich wertgeschätzt fühlen? Dass die sagen: Denen geht’s nicht nur um mein Portemonnaie, denen geht’s um mich. Deswegen unser Slogan: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“. Die Wertschätzung gegenüber den Kunden.
Und deswegen auch keine Sonderangebote. Das ist kein Marketinggag. Die Lebensmittelzeitung hat 1994, als wir das einführten, zitieren lassen, das wäre hirnrissig. Nein, das ist Ernst nehmen des Kunden. Der Kunde soll dann einkaufen, wenn er will und nicht wenn wir wollen. Und wenn Sie das mal begriffen haben, dann kommen Sie nie mehr auf die Idee, ein Sonderangebot zu machen. Außerdem spart das unheimlich viel Geld, das kann ich Ihnen sagen. Prozesskosten und so. Macht richtig Spaß. Ich kann Ihnen beweisen, wie plötzlich die Kurven so einen Knick nach oben bekommen, wenn Sie das machen. Dauerpreise – das war eine Innovation. Eine echte Innovation.

Innovationen entstehen immer auf drei bis vier Wegen. Der erste ist die konstruktive Unzufriedenheit mit den herrschenden Umständen. Die Betonung liegt auf konstruktiv. Menschen im Unternehmen, die destruktiv unzufrieden sind, haben Sie wie Sand am Meer. Was heißt konstruktive Unzufriedenheit? Immer habe ich mich gefragt, was denn dann das eigentlich Unternehmerische ist. Was unterscheidet einen Unternehmer, eine unternehmerische Disposition von den anderen?
Ich habe einmal geklaut bei Herbert Wehner, ansonsten habe ich von dem nicht viel gehalten, aber das hat mir eingeleuchtet. Herbert Wehner hat gesagt: „Man darf sich nie mit der ersten Antwort zufrieden geben“. Das heißt für mich: Ein Unternehmer hinterfragt immer, lässt sich nicht so ohne weiteres zufriedenstellen. Als meine Mutter nach Konstanz kam, wo ich in der Lehre war, ging sie zu meinem Lehrchef und hat ihn gefragt: Ja, wie ist denn das mit dem Götz? Da sagte er: Ja, der macht das nicht schlecht und so, aber der hat immer auf alles eine Frage. Da sagte meine Mutter: Ja, ja, das kenn ich von Zuhause. Ich habe inzwischen großes Verständnis dafür, weil einer meiner Söhne ganz genau so ist. Und dann hat mein Lehrchef noch gesagt: Deswegen nennen wir ihn einen UU, einen unangenehmen Untergebenen.
Aber schauen Sie, das ist doch das Salz in der Suppe. Haben wir genügend Menschen im Unternehmen um uns herum und lassen wir das auch zu? Fördern wir es, dass sich die Menschen mit der ersten Antwort nicht zufrieden geben? Dann wird deutlich: Ein Unternehmen zu führen heißt nicht, dafür zu sorgen, dass alle Fragen beantwortet werden. Das ist ein ganz großer Irrtum. Ein Unternehmen zu führen heißt, dafür zu sorgen, dass immer wieder neue Fragen gestellt werden. Und dass das Unternehmen lernt, mit offenen Fragen umzugehen. Und Sie werden schnell merken: Es gibt gar nicht so viele Menschen, die in der Lage sind, offene Fragen auszuhalten. Die sich immer wieder deutlich machen: Da ist etwas, das müssen wir noch erforschen, da müssen wir uns drum kümmern.
Das ist Innovations-Fitness. Es muss im Unternehmen gepflegt werden, immer wieder das Neue anzugreifen. Und schon sind wir beim Thema Wachstum. Davon reden Sie vielleicht auch. Obwohl, wenn Sie in dieser Gesellschaft Mitglied sind, dann sind Sie ja schon darüber rausgewachsen. Was sagen denn die Menschen, wenn sie sich verändert haben, sagen die, weil sie gewachsen sind? So ein Quatsch. Sie können es beobachten bei den Kindern. Ich habe meine sieben Kinder beobachtet, wie die gewachsen sind. Immer, wenn sie sich verändert haben, sind sie anschließend gewachsen. Das ist bewiesen: das Kind wird krank, dann verändert sich was, und anschließend wächst es. Und das ist im Unternehmen genauso.
Wir brauchen die Krise der Veränderung, um zu wachsen. Bei dm sind wir nicht so groß geworden, weil wir gewachsen sind, das ist eine schlimme Verkürzung. Sondern weil wir uns verändert haben. Jetzt muss ich mit Goethe enden. Goethe, ein weiteres Schlüsselerlebnis in meinem Leben. Sich mit Goethe zu beschäftigen, das lohnt sich wirklich. Wir sind beim Faust, bei der Wette zwischen Mephisto und Faust. Faust: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“ Das kann man sich jeden Abend schon mal fragen: Wie oft hast du heute schon die Wette verloren?
Und noch einmal Goethe, auch Faust, Prolog im Himmel. Da ist mir etwas klar geworden, besonders für unser Marketing. Mephisto zum Herrgott: Was Du da gemacht hast, diese Menschen, das ist doch korrumpierbar und verführbar und so weiter. Das ist ja eigentlich nichts Besonderes. Und Mephisto macht den Herrgott immer an, bis dieser dann sagt – ein wenig enerviert: Also gut, dann zeig’ doch mal am Beispiel Dr. Faustus – und jetzt Original Goethe: „Nun gut, es sei dir überlassen! Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab und führ ihn, kannst du ihn erfassen, auf deinem Wege mit herab. Und steh beschämt, wenn du bekennen must: Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“
Und als ich das vor 30 Jahren zum ersten Mal gehört habe, nur nicht begriffen habe, dann immer wieder gehört habe, da ist es mir klar geworden: Darauf kommt es an. Appellieren wir mit der Art und Weise, wie wir uns als Unternehmer äußern und wirken, an den dunklen Drang oder an den rechten Weg? Sie können mal Ihre Werbung darauf untersuchen. Das habe ich gern mit meinen Studenten gemacht und ihnen gesagt: Kaufen Sie sich irgendeine Illustrierte und untersuchen Sie bis zum nächsten Mal die ganzen Werbebotschaften immer mit der Fragestellung: Wird da appelliert an den rechten Weg oder an den dunklen Drang? Schiller würde fragen: Wird appelliert an den Stofftrieb oder an den Formtrieb? Machen Sie das mal mit Ihrer Werbung. Sie werden sehen, dass Sie enormes Verbesserungspotenzial haben.
Und glauben Sie mir: Menschen merken das, Menschen spüren das. Plötzlich verändert sich das ganze Umfeld, in dem Sie tätig sind. Auch bei den eigenen Mitarbeitern. Aber, und auch das weiß ich aus eigener Erfahrung, die Gefahr ist groß, dass man immer wieder in die Falle tappt. Fragen Sie sich daher immer wieder: Appelliere ich an den dunklen Drang, an Neid, an Missgunst, an Triebhaftigkeit etc. oder appelliere an den rechten Weg? Und für den rechten Weg gibt uns Herr Goethe auch einen guten Rat: Ich darf den Menschen nicht so ansprechen wie er ist, sondern ich muss ihn so ansprechen, wie er sein könnte. Das kann man gleich schon mal in der Ehe ausprobieren. Mit diesem frommen Wunsch darf ich Sie jetzt hier loslassen und bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
Friedrich Neukirch: Es ist Ihr Applaus, Herr Professor Werner. Meine Damen und Herren, vielleicht haben Sie es nicht gehört, was Professor Werner zum Schluss ganz leise sagte: „Jetzt war ich ein bisschen lang“. Ich glaube, Sie haben es gespürt: Wir hingen Ihnen an den Lippen und wir hätten Ihnen bestimmt noch stundenlang zuhören können, weil Sie so spannend aus Ihrer Lebensführung erzählt haben. Das einzige, was wir vielleicht anders hätten organisieren können, wir hätten das Abendessen abbestellen können, um Ihren Worten noch weiter zu lauschen. Und daraus ist mir ein Gedanke gekommen: Wir laden Sie zu einem G·E·M Markendialog ein und Sie sind der einzige Referent, der den ganzen Tag gestaltet. Nochmals: Wir sind sehr, sehr stolz – ich glaube, das spüren Sie auch –, dass wir Sie heute mit dem »G·E·M Award« ehren durften. Wir wünschen Ihnen weiterhin diese Dynamik, diese konstruktive Unruhe, die Sie auch am heutigen Abend bei uns immer wieder haben wirken lassen.
Ihr Unternehmen kenne ich nun seit über 40 Jahren und ich kann nur sagen: Das, was Sie sagen, was Sie verkörpern, das spürt man tagtäglich in Ihrem Unternehmen. Nicht nur in Karlsruhe, sondern in jeder dm-Filiale. Dadurch, dass Sie Ihr Denken und Handeln im Unternehmen vorleben, haben Sie eine Unternehmenskultur geschaffen und damit eine gute Basis für den Erfolg.
Vielen Dank. Sie waren ein würdevoller Preisträger.

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Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
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