G·E·M Award 2013 für Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell
Am 27. Februar 2013, am Vorabend zum 17. G·E·M Markendialog „Marken brauchen Preisführung“ in Berlin, wurde zum dritten Mal der »G·E·M Award« verliehen.
Ausgezeichnet mit dem »G·E·M Award 2013« wurde Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, Vorsitzender des Vorstandes der Faber-Castell AG, Stein.
Begrüßung durch Friedrich Neukirch
Meine Damen und Herren, ich darf Sie im Namen des Vorstands und des Kuratoriums der G·E·M sehr herzlich zu diesem traditionellen Abend, dem Vorabend des G·E·M Markendialogs, willkommen heißen. Dieser Abend ist ein ganz besonderer. An diesem Abend wird der »G·E·M Award« verliehen, heute zum dritten Mal. Diejenigen von uns, die 2011 und 2012 dabei waren, haben miterlebt, wie wir Herrn Emil Underberg als ersten und Herrn Albert Darboven als zweiten Preisträger mit dem »G·E·M Award« ehren konnten.
Der »G·E·M Award«, ein Ehrenpreis, geht an Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeiten ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen. Und dass sie Entwicklungen auf dem Gebiet des Markenwesens, der Markenführung und Markentechnik anführen und entscheidend beeinflussen, also Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens sind.
Ich darf Ihnen nun den Namen des diesjährigen Preisträgers nennen: Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell.
Graf Faber-Castell – herzlichen Glückwunsch. Wir freuen uns sehr, dass Sie sich Zeit genommen haben, zu uns nach Berlin zu kommen, um den »G·E·M Award 2013« entgegenzunehmen.
Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, wer denn die würdigen Worte einer Laudatio sprechen könne. Ich glaube, wir haben einen sehr kompetenten Menschen gefunden, der im Zusammenhang mit Marke und auch in Verbindung mit dem morgigen Thema „Preisführung“ eine besondere Note hinterlässt. Ich übergebe in wenigen Minuten an unseren Laudator, Herrn Professor Dr. Hermann Simon. Ganz kurz möchte Ihnen Professor Simon vorstellen, was eigentlich gar nicht erforderlich ist.

Hermann Simon, Jahrgang 1947, Dr. und drei Dr. h.c., Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing. Er lehrte von 1979 bis 1989 an der Universität Bielefeld, von 1989 bis 1995 an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Laufbahn begann er schon sehr früh, in der Wirtschaft tätig zu werden. 1985 gründete er mit damaligen Doktoranden ein Beratungsunternehmen, das heute als Simon, Kucher & Partners firmiert und dessen Spezialität Preisfindungsberatung ist. Hermann Simon war von 1995 bis 2009 CEO, seit 2009 ist er Chairman des Unternehmens.
Professor Simon veröffentlichte über 30 Bücher, in 25 Sprachen übersetzt, er ist Kolumnist im Manager-Magazin. Er hat mehrere Ehrungen erfahren, ist u.a. Träger des Erich-Gutenberg-Preises 2009, der von der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft verliehen wird. Für das Werk „Preismanagement“ erhielt Professor Simon gemeinsam mit Professor Martin Fassnacht 2011 den Georg-Bergler-Preis für Absatzwirtschaft. Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft verlieh Professor Simon den Preis „Wissenschaftsorientierter Unternehmer des Jahres 2012“.
Mit dem Namen Hermann Simon verbunden ist vor allem der Buchtitel „Hidden Champions“. 1996: Die heimlichen Gewinner; die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. 2007: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts – Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. 2012: Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia.
Zu seinen Hidden Champions gehört auch das Unternehmen Faber-Castell. Wer also könnte berufener sein als Professor Simon, heute die Laudatio auf Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell zu halten? Herr Professor Simon, bitte übernehmen Sie.
Laudatio von Prof. Dr. Hermann Simon
Lieber Graf Faber-Castell, meine Damen und Herren. Herr Neukirch, herzlichen Dank für die Einführung. Wir sind heute hier in Berlin zusammen gekommen, um den Award 2013 der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens zu verleihen. In der Satzung heißt es, die G·E·M zeichnet Menschen für ihre erfolgreichen Arbeiten auf dem Gebiet des Markenwesens aus. Der G·E·M Award wird verliehen an Personen, die hinter der Marke stehen, die Entwicklungen in Markenführung und Markentechnik anführen oder entscheidend beeinflussen.
Herr Disch gab mir vor, meine Laudatio solle eine halbe Stunde dauern. Ich warf ein, das sei doch viel zu lang und fragte, wie ich eine solche Zeitspanne ausfüllen solle. Dann begann ich mit der Stoffsammlung und war überwältigt. Um die Leistungen von Graf von Faber-Castell angemessen zu würdigen, reiche eine halbe Stunde bei weitem nicht aus, spielte ich an Herrn Disch zurück. Doch er blieb hart: „Mehr kriegen Sie nicht“. Es liegt also nicht an mir, sondern an Herrn Disch, wenn ich aufgrund Zeitmangels das Lebenswerk von Graf von Faber-Castell nur bruchstückhaft würdige. Ich bitte schon jetzt um Entschuldigung.

Was macht eine große Marke aus? Hans Domizlaff hat dies 1937 erstmals in seinem berühmten Buch „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik“ beschrieben. Er formuliert dort 22 Grundgesetze der natürlichen Markenbildung, aus denen ich nur einige Stichworte herausgreife. An erster Stelle steht die objektive Qualität. Direkt danach kommt das Vertrauen. Es folgen Attribute wie „keine laute Reklame“, „Gleichmäßigkeit der Beschaffenheit“, „Schöpferische Leistung“, und als wichtigster Satz: „Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch“. Domizlaff rückt Marken nahe an den Menschen heran. Hinter jeder Marke steht ein Mensch, jemand, der die Marke führt, sie beschützt, sie aber auch weiterentwickelt. Hinter der Marke Faber-Castell steht Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell.
Die Marke Faber-Castell und ihr Hintermann erfüllen alle Anforderungen, die Altmeister Domizlaff an große Marken stellt. Qualität, ein Markenkern, der aus dem inneren Kern der Persönlichkeit erwächst und vor allem Kontinuität. Gerade das Thema Kontinuität verdient in unserer schnelllebigen Zeit größte Beachtung. Das vielleicht herausragendste Merkmal des klassischen Markenartikels war seine Beständigkeit. Das semper idem – immer gleich – wie es im Wahlspruch des Unternehmens Underberg beispielhaft zum Ausdruck kommt.
Im Internet-Zeitalter sind Kontinuität und Nachhaltigkeit jedoch alles andere als selbstverständlich. Wer kennt heute noch Altavista, Second Life oder MySpace, die bis vor wenigen Jahren Stars im weltweiten Netz waren? Oder was ist aus Marken wie Nokia und Blackberry geworden? Im Vergleich dazu steht Faber-Castell wie ein Fels in der Brandung der modernen Welt. Das kann man sogar wörtlich nehmen: wie Faber im Lateinischen der Schmied und wie Castell die Burg.
Diese Beständigkeit ist verbunden mit Führungskontinuität, mit Beständigkeit an der Unternehmensspitze. Graf von Faber-Castell führt sein Unternehmen seit 1978, also seit 35 Jahren. Mit einer halben Stunde habe ich also gerade mal eine Minute pro Jahr seiner Amtsdauer. Demgegenüber erscheint die durchschnittliche Amtsdauer der Chefs der Dax-Unternehmen mit 6,1 Jahren geradezu jämmerlich. Selbst im Vergleich zu den Hidden Champions, deren Kapitäne im Mittel 20 Jahre an der Spitze bleiben, liegt Graf von Faber-Castell weit vorne. Hätten wir mehr von seiner Sorte, so bräuchten wir selbst bei den gut geführten Hidden Champions nur halb so viele Chefs und würden die Hälfte der immer wieder riskanten Generationenwechsel vermeiden. Bei den Dax-Gesellschaften würden wir glatt 83 % aller CEOs einsparen, von deren Abfindungen und horrenden Pensionen ganz zu schweigen.
Warum ist das Thema Zeit für eine Marke so konstitutionell? Weil eine Marke im Kern geronnene Zeit ist. Beim Aufbau einer Marke kann Zeit durch nichts anderes ersetzt werden. Selbst mit einer Milliarde Euro können Sie eine Marke wie Faber-Castell nicht in kurzer Zeit schaffen. Vertrauen lässt sich nicht mit Geld erkaufen, sondern entsteht nur durch wiederholte Möglichkeiten, das Produkt und seine Qualität zu testen. Erst wenn diese Tests immer wieder positiv ausfallen, bauen sich Vertrauen und Markenreputation auf.
Hierbei spielen sowohl die einzelne Generation als auch die Abfolge der Generationen eine Rolle. Im Hause Faber-Castell zeigt sich das geradezu exemplarisch. Graf von Faber-Castell repräsentiert die 8. Generation. Er hat die Marke mit ruhiger Hand geführt und zu einer wahrlich globalen Marke entwickelt. Das Erbe, das er antrat, war wohl zugleich leicht und schwer. Leicht, weil es ein Vergnügen sein muss, eine solch starke Marke zu übernehmen und in die Zukunft zu führen. Schwer, weil die ungeheure Tradition der Marke Faber-Castell eine Verpflichtung beinhaltet, die mancher als erdrückende Last empfinden und vor der er zurückschrecken würde. Denn Tradition ist keine Garantie für ewigen Fortbestand, wie gerade jüngste Beispiele belegen. Heute begann in Köln der Oppenheim-Prozess. Sal. Oppenheim wurde 1789 gegründet und ist damit nur 28 Jahre jünger als Faber-Castell. Ich beneide Christopher von Oppenheim, den ich gut kenne, wirklich nicht. Was würde sein Vater sagen, wenn er das alles sähe.

Faber-Castell wurde 1761 gegründet und feierte vor gut zwei Jahren den 250. Geburtstag. Ich habe es damals sehr bedauert, Ihrer Einladung, lieber Graf Faber-Castell, nicht folgen zu können, da ich in China war. 250 Jahre sind für ein Unternehmen ein biblisches Alter. Selbst unter den Hidden Champions sind nur drei Prozent so alt. Tradition ist ein nicht imitierbarer Marken- und Wettbewerbsvorteil. Und welche Tradition! Bismarck schrieb mit Bleistiften von Faber-Castell. Vincent van Gogh pries ihr berühmtes Schwarz und Max Liebermann nannte sie einfach die Besten. Kein Werbebudget kann solche Einzigartigkeit, solche geronnene Zeit kaufen.
Eine Auseinandersetzung zwischen Faber-Castell und Staedtler Mars, dem schärfsten Konkurrenten, wirft ein Licht auf den Wert dieser Traditionen. Im Jahr 1994 veranstaltete die erst 1835 gegründete Firma Staedtler Mars einen Händlerwettbewerb, um an den 333. Jahrestag der Produktion des ersten Bleistiftes durch Friedrich Staedtler zu erinnern, so behauptet Staedtler Mars das. Faber-Castell schlug zurück und verteidigte seine Position als ältestes Unternehmen in diesem Gewerbe. Die Lyra-Bleistiftfabrik, gegründet im Jahre 1806, beansprucht ebenfalls, älter zu sein als Staedtler Mars. Für weiteres Salz in der Suppe sorgt, dass Staedtler Mars 1978 die amerikanische Eberhard Faber erwarb, die 1904 von einem „schwarzen Schaf“ aus der Faber-Sippe gegründet worden war.
Ich besuchte am vergangenen Donnerstag die Bildungsmesse Didacta in Köln und natürlich auch den Faber-Castell-Stand, Halle 7, Stand A40. Und was sah ich dort? Eindrucksvolle Stände des gesamten fränkischen Bleistiftclusters in friedlicher Konkurrenz vereint. Neben den drei schon Genannten gehörte auch der Vierte im Bunde, Schwan Stabilo, dazu. Aber das erkläre ich jetzt hier ganz formell: Auch unter Vieren gibt es immer einen Ersten. Und dieser Erste, der Bekannteste und Markenstärkste ist Faber-Castell.
Ist das nur meine Meinung oder eine Schmeichelei an diesem Abend? Nein! Lassen wir den Markt sprechen, und der Markt spricht bekanntlich durch Preise. Ein Staedtler Noris-Bleistift kostet 65 Cent, ein Faber-Castell 900 1,15 Euro; Unterschied 69 %. Noch Fragen? Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass ein intensiver Wettbewerb wie im Nürnberger Bleistiftcluster das Leben nicht einfach, aber alle Beteiligten für den Weltmarkt umso fitter macht. Das ist wie im Sport. Dazu ein weiteres Erlebnis aus Köln. Dort besuchte ich 1998 das damals noch berühmte Leichtathletiksportfest. Es fielen zwei Weltrekorde im 800-Meter-Lauf und im 3000-Meter-Hindernislauf. Im Hindernislauf blieben vier Läufer unter dem alten Weltrekord, alle waren aus Kenia. Vier aus Kenia, oder vier aus Franken. Das ist dasselbe. Die Gesetze des Wettbewerbs gelten für beide Gruppen, aber nur einer ist Weltmeister.
Wie hoch die Marke Faber-Castell trägt, beweist nicht zuletzt ihre Präsenz im Luxussegment. Ein Füllfederhalter, der streng auf 10 Exemplare limitierten Diamond Edition aus dem Jahre 2012, kostet bei Harrods in London 60.000 britische Pfund, nach aktuellem Wechselkurs sind das knapp 70.000 Euro. Es ist eine Besonderheit, wenn eine Marke ein derart breites Preisspektrum abdecken kann.

Tradition darf aber nicht stehenbleiben, sie muss verbunden werden mit dem Motto von Faber-Castell: das Bessere ist des Guten Feind. Ähnlich wie Miele, eine andere herausragende Marke, immer danach strebt, immer besser zu sein. Ich sehe in diesen Motti eine doppelte Bedeutung: Besser sein gegenüber dem eigenen Gestern, aber auch besser sein als die Konkurrenz.
Schauen wir uns das Kernprodukt, den Bunt- und Bleistift, näher an. Von diesen produziert Faber-Castell mehr als 2 Milliarden Stück pro Jahr. Wenn ich richtig rechne, da bin ich aber nicht so ganz sicher, ist das ein Bleistift von ca. 400.000 Kilometer Länge, zehnmal um die Erde. Kann das sein? Wie schafft man es, mit einem solch scheinbar einfachen Produkt Weltmarktführer zu werden? Letztlich gibt es dafür nur ein Rezept: der Beste zu sein und das Geschäft weltweit zu betreiben. Der Beste wird und bleibt man nur durch Qualität.
Und hier treffen wir bei Faber-Castell auf ein für die Hidden Champions typisches Phänomen, das ich als Tiefe bezeichne. Ich meine damit: tiefe Kenntnis, tiefes Commitment und nicht zuletzt tiefe Fertigung. Bis hin zu den Rohstoffen. Die Wertschöpfungstiefe reicht bei Faber-Castell bis in eigene gigantische Plantagen von 100 Quadratkilometern Fläche in Brasilien. Dort wächst das spezielle Holz, aus dem die Faber-Castell-Stifte hergestellt werden. Genau so wenig bedarf es einer Begründung, dass nur die tiefe und dauerhafte Beschäftigung mit einem Geschäft zu Weltklassekompetenz auf diesem Gebiet führt. Genau diese Weltklassekompetenz in der Wertschöpfung repräsentiert Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell.

und Graf von Faber-Castell
Die Qualität, die Effizienz, die technische Kompetenz sind Grundlagen, sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für Markt- und Markenführerschaft. Eine weitere dann hinreichende Bedingung muss hinzukommen: die objektiven Bestleistungen müssen in die Köpfe der Verbraucher, der Absatzmittler, der Meinungsführer transportiert werden. Damit sind wir bei der kommunikativen Kompetenz sowohl der Marke als auch der Persönlichkeit, die hinter der Marke steht. Dabei ist eine delikate Balance zu beachten. Einerseits muss man nach außen durchdringen, andererseits darf man aber nicht laut oder gar schrill werden. Sie erinnern sich an das Zitat von Domizlaff dazu. Beides ist schwer unter einen Hut zu bringen.
Wir alle kennen Populisten, Marktschreier und Prediger des jeweiligen Tagesgeschmackes, die das Publikum eine Zeitlang täuschen mögen. Aber die Wahrheit ist, wie ein altes deutsches Sprichwort sagt, „eine Tochter der Zeit“. Graf von Faber-Castell hat sein Unternehmen stets in einer dezenten und dennoch wirkungsvollen Art repräsentiert. Und die „Tochter der Zeit“ hat ihn bestätigt, seine und seines Unternehmens Reputation ist mit der Zeit gewachsen, heute stärker als je zuvor.
Ich freue mich, dass auch Georg Domizlaff, der jüngste Sohn des erwähnten Hans Domizlaff, dieses Urteil nachdrücklich bestätigt. Er schreibt: „Dass Graf von Faber-Castell den Ehrenpreis der G·E·M erhält, finde ich fabelhaft. Er hat diese Auszeichnung unzweifelhaft verdient. Ich bewundere insbesondere die vorbildliche Stringenz, mit der er seine Marke pflegt und weiter werterhaltend ausbaut. Das macht ihm in der ansonsten preiswütigen PBS-Industrie (Papier – Bürobedarf – Schreibwaren) keiner nach. Deshalb passt die vorgenommene Ehrung auch so vorzüglich zum Motto der Tagung.“ Ich danke Herrn Disch, dass er mir dieses Zitat von Georg Domizlaff weitergeleitet hat.
Faber-Castell ist ein Weltunternehmen. Bereits im Jahr 1849 wurde in den USA die erste Niederlassung errichtet. Graf von Faber-Castell hat die Chancen der Globalisierung ab 1978 konsequent und beharrlich genutzt und ist mit den enormen Herausforderungen fertig geworden. Er sagte mir eben, als angestellter CEO in einem amerikanischen Unternehmen wäre er mindestens viermal rausgeflogen in dieser Zeit. In typischer Hidden Champions-Manier ist Faber-Castell heute in 25 Ländern mit eigenen Vertriebsgesellschaften präsent und hat Handelsvertretungen in 120 Ländern. Produziert wird an 15 Standorten weltweit. In São Carlos in Brasilien betreibt Faber-Castell die größte Bleistiftfabrik der Welt. Dort werden pro Jahr 1,5 Milliarden Bleistifte hergestellt. Aber Globalisierung ist nicht nur ein organisatorisches Phänomen, bei dem es um Produktionsstandorte, Logistik und Vertrieb geht.
Was bedeutet Globalisierung eigentlich für die Person an der Spitze? Diese Frage wird fast nie diskutiert. Vielleicht wird sie sogar verdrängt. Denn Globalisierung fordert dem Chef ein schier unglaubliches Reisepensum ab. Für den Hidden Champions-Gipfel wollte ich auch Graf von Faber-Castell im letzten Oktober als Referenten gewinnen. Er konnte mir aber nicht zusagen, da er zur fraglichen Zeit bei einer Messe in Schanghai sein musste. Das heißt Globalisierung konkret: überall in der Welt persönlich Flagge zeigen. Warum ist diese globale Präsenz so wichtig?

Überlassen wir Graf von Faber-Castell die Antwort. Zitat: „Ich habe im Ausland die Erfahrung gemacht, dass es enorm geschätzt wird, wenn der Inhaber sich für die Kunden interessiert. Ich interessiere mich nicht nur lebhaft für unsere Produkte, sondern auch für unsere Kunden. Noch heute besuche ich bei jeder Gelegenheit Schreibwarengeschäfte. Als Unternehmensleiter nah am Kunden zu sein, ist meine Passion.“ Nah am Kunden in Globalia, und das mit 71, ein bisschen weiß ich auch, wovon er redet. Ich war selber in den letzten drei Monaten dreimal in Asien und Australien. Ich kann nicht behaupten, dass ich solche Reisen so locker wegstecke wie Graf von Faber-Castell, obwohl ich ja noch einige Jahre jünger bin. Ihnen, lieber Graf Faber-Castell, scheint das nichts auszumachen. Gerade auch für Ihre Globalisierungsleistung zollen wir Ihnen höchsten Respekt.
Eine Laudatio darf natürlich nur die bisherigen Leistungen würdigen. Aber als Hobby-Stratege kann ich mir einen kleinen Blick in die Zukunft nicht ganz verkneifen. Die größte Herausforderung für Familienunternehmen kehrt in jeder Generation wieder, die Regelung der Nachfolge. Ihr Sohn ist 33 und steht in den Startlöchern. Sie haben eine 25-jährige Tochter und zwei weitere Zwillingstöchter, die jetzt 16 sind. Sie haben selbst Zuversicht geäußert, dass diese Nachwuchsmannschaft auch in der Lage sein wird, das Erbe erfolgreich weiterzuentwickeln. Ich wünsche Ihnen und Ihren Kindern, dass diese dann, die Kinder als neunte Generation, die große Tradition von Faber-Castell fortführen. An Chancen wird es nicht fehlen, denn die Globalisierung steht erst am Anfang. Sie hält für denjenigen, der es richtig macht, wie Sie es getan haben, unbegrenzte Wachstumspotenziale bereit. Und da Faber-Castell bereits jetzt global aufgestellt ist, gibt es keinen Grund, die Chinesen oder die Brasilianer zu fürchten. Denn Faber-Castell ist längst Brasilianer oder Malaie oder Indonesier oder Inder. Ich plädiere im Übrigen ernsthaft dafür, dass wir auch die Chinesen bei den Kosten angreifen. Es gibt genügend Standorte, von denen aus wir das können. Und wenn wir dann deutsche Qualität und unsere Marken draufsetzen, dann zittern auch die Chinesen.
Wie wird sich das Schreiben entwickeln? Das weiß heute niemand. Vorgestern las ich von der neuen Technik des Air-Writing, bei der man einfach mit den Händen in der Luft schreibt und ein Sensor am Smartphone die Bewegungen aufnimmt und in Schriftzeichen umwandelt. Ohne Zweifel wird die Technik Änderungen bringen. Solche Probleme werden bei Faber-Castell nicht verdrängt. „Müssen wir die Handschrift abschreiben?“ lautet die Titelgeschichte in der Hauszeitung 2/2012. Faber-Castell ist mit ähnlichen Herausforderungen durchaus vertraut. Das Haus war nämlich Marktführer bei Rechenschiebern. Rechenschieber machten Mitte der 1970er Jahre 25 % des Umsatzes von Faber-Castell aus und wahrscheinlich einen höheren Prozentsatz vom Gewinn. Mit dem Aufkommen der Taschenrechner in den 70er Jahren brach dieses Geschäft innerhalb von zwei Jahren weg. Eine zweite Bedrohung kam in den 80er Jahren mit dem Niedergang des manuellen technischen Zeichnens. Faber-Castell wurde mit beiden Bedrohungen fertig und wuchs trotzdem weiter.
Kinder werden auch in Zukunft malen, mit zunehmendem Wohlstand wird Schönheit wichtiger. Damit sind Kosmetikstifte ein Wachstumsprodukt par excellence und Gräfin Mary von Faber-Castell leitet die zukunftsträchtige Kosmetiksparte, die Gattin des Grafen von Faber-Castell. Um die Perspektiven von Faber-Castell braucht man sich also keine Sorgen zu machen, solange die Prinzipien wie in der Vergangenheit gelebt werden.
Ich will mit wenigen Worten zur Person des Geehrten schließen. Er ist ein Adliger, ein Graf und genau wie ihn stelle ich mir einen Adligen, einen Grafen der guten Sorte vor. Hochgewachsen, schlank, was auf hohe Selbstdisziplin, auf Sportlichkeit und auch ein gesundes Maß an Askese schließen lässt. Er sieht heute noch genau so aus wie auf einem Foto aus dem Jahre 1965. Seine Ausbildung hat ihn perfekt auf die Verantwortung als globaler Unternehmensführer vorbereitet: Jurastudium in Zürich, Management am IMEDE, heute IMD, in Lausanne, Arbeit als Investmentbanker in New York und London. 1975 stieg er dann zunächst in London bei Faber-Castell ein und übernahm bereits 1978 im jungen Alter von 37 Jahren die Unternehmensleitung. Böcke schießt er nach eigener Aussage am liebsten im Büro, nicht im Markt und nicht auf der Jagd. Aber meine Vermutung ist, dass er eher selten im Büro ist und insofern nicht allzu viel Böcke schießen kann. Vielmehr ist er rastlos für sein Unternehmen und seine Marke unterwegs.

„Wenn es um seine Marke geht, ist der Chef nicht weit“, schrieb die FAZ. Graf von Faber-Castell wirkt aber auch darüber hinaus: er hält Vorträge, er interessiert sich für Kunst, er setzt sich für Nachhaltigkeit ein und er hat zahlreiche Ehrenämter inne und viele Ehrungen erhalten. Die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg berief ihn zum Ehrensenator. 2008 wurde er zum Öko-Manager des Jahres gewählt. Und im Jahre 2010 hat ihn die Bundesrepublik Deutschland mit dem Verdienstkreuz erster Klasse geehrt.

Es tut mir leid für das viele Gute, über das ich in meiner Laudatio nicht berichten konnte. Vertiefendes zur Nachhaltigkeit, zu der es übrigens einen eigenen Bericht im Hause Faber-Castell gibt, und zur Sozialcharta konnte ich nicht sagen. Auch auf die Beziehungen zu Künstlern wie Neo Rauch, Oskar Kokoschka oder Paul Klee, um nur wenige zu nennen, bin ich nicht eingegangen. Ich habe nicht die hervorragenden Dokumente des Hauses erwähnt, die echte Lehrbücher sind wie etwa die sehr lesenswerte Broschüre „Auf dem Weg zur Weltmarke“. Auch die exquisite Architektur der Gebäude würdigte ich nicht. Alleine die Fülle kluger Aphorismen von Graf von Faber-Castell verdiente eine eigene Laudatio. Wirklich sehr kluge Sprüche. Aber Sie wissen ja, Herr Disch schaut auf die Uhr.
Die Begründung der Jury
Ich komme zur zusammenfassenden Würdigung. Die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens verleiht den G·E·M Award 2013 an Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell in Würdigung
- seiner langfristig gelebten Philosophie, die Kernwerte der Marke Faber-Castell zu bewahren und damit auf der ganzen Welt unverwechselbar zu sein
- seines Einsatzes für die Bewahrung der Tradition des Hauses Faber-Castell und die Personifizierung des Markenauftritts
- seiner Idee, neben der Schaffung kreativer Pionierleistungen immer auch die ständige Verbesserung der vorhandenen Leistungen voranzutreiben
- seines Bestrebens, den Brückenschlag zwischen Beständigkeit und aktueller Innovationsführerschaft in Design und Technik sichtbar zu leben
- seines ständigen Bemühens, den Begriff Nachhaltigkeit mit Leben und Taten zu füllen
- seiner Initiativen, in der Strategie des Unternehmens ökonomische Zielsetzungen mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu verbinden
- seines Bekenntnisses zum Manufakturstandort Deutschland.
Die Preis-Skulptur
Diese Begründung der Jury ist in einer Urkunde verbrieft, die wir Ihnen, lieber Graf Faber-Castell gleich überreichen werden. Zusammen mit einer Skulptur in Form von Goethes „Stein des guten Glücks“ aus italienischem Marmor, ein Unikat mit Zertifikat, 3 kg schwer.
„Stein des guten Glücks“ heißt das Denkmal, das Johann Wolfgang von Goethe zu Beginn des Jahres 1777 neben sein Gartenhaus in den Ilmwiesen zu Weimar als Geburtstagsgeschenk für seine Seelenfreundin Charlotte von Stein setzen ließ. Es ist aus rötlichem Sandstein, 1,63 m hoch. Goethe wählte für sein Denkmal eine symbolische Formensprache. Sie geht auf Sinnbilder der Renaissance zurück. Es handelt sich um eines der ersten nicht-figürlichen Denkmäler Deutschlands.
Der „Stein des guten Glücks“ ist eine Kugel auf einem mächtigen Kubus. Der Kubus oder Würfel symbolisiert das Statische, Gefestigte und Ruhende, Beständigkeit und Gelassenheit. Die darüber liegende Kugel drückt Bewegung, Kreativität und Dynamik aus. Die Kugel ruht auf dem Kubus. Das Ganze stellt eine gelungene Verbindung dieser beiden Elemente dar. Das Rollende auf dem Festen, das Wandelbare über dem Unabänderlichen.
Lässt sich Marke besser versinnbildlichen?
Und ist das nicht auch Sinnbild der Faber-Castell-Philosophie: die Kugel Innovation auf dem Kubus Tradition.
Lieber Graf Faber-Castell: Herzlichen Glückwunsch zum »G·E·M Award 2013«.
Friedrich Neukirch,
Anton Wolfgang
Graf von Faber-Castell
und Prof. Dr. Hermann Simon
bei der Übergabe des
»G·E·M Award 2013«
Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell sagt Danke
Lieber Herr Neukirch, lieber Herr Disch, lieber Herr Professor Simon, meine Damen und Herren. Es ist so viel Positives gesagt worden, was nicht nur meine Person, sondern auch was unser Unternehmen betrifft. Ich bin wirklich sehr froh und stolz, diesen Preis heute in Empfang zu nehmen. Ich möchte betonen, dass ich ihn nicht nur für mich, sondern auch für unsere Mitarbeiter auf der ganzen Welt in Empfang nehme. Ohne sie würde ich heute nicht hier stehen. Ich hoffe, dass der „Stein des guten Glücks“, so wie es auch meine Vorredner gesagt haben, unserem Unternehmen noch lange viel Erfolg bringen wird. Das Glück jedoch bleibt letzten Endes immer nur beim Tüchtigen.
Aus meiner Sicht ist es für Menschen, die eine angeborene Neugierde haben, etwas sehr Interessantes, mit Produkten wie den unsrigen Wünsche zu erfüllen. Sie, Herr Professor Simon, sprachen auch von den Künstlern. Künstler wie beispielsweise Neo Rauch sind nicht nur treue Abnehmer unserer Produkte, sondern geben uns auch gelegentlich wertvolle Hinweise, diese zu verbessern. Ich bin sicher in der sehr günstigen Situation, es mit Produkten zu tun zu haben, die Werkzeuge für Kreative sind. Was gibt es eigentlich Schöneres? Wir begeistern mit unseren Produkten nicht nur Künstler, sondern bringen auch Kinderaugen zum Leuchten – die Augen der jungen Kreativen.

Was lernt man in 35 Jahren? Wenn man sich fragt, was im Leben eines CEO eines Markenartiklers wirklich zählt, dann ist es der ständige Drang, die Produkte zu verbessern und den Kundennutzen zu erhöhen. Es sind die Neugierde, die Beharrlichkeit und, wie Sie auch schon angesprochen haben, Herr Professor Simon, die Kontinuität, die für den langfristigen Erfolg den Ausschlag geben. Viele von den Pflänzchen, den kleinen Gesellschaften nämlich, die ich ja anfangs der 1980er Jahre und auch gleich nach dem Tod meines Vaters Ende der 70er Jahre in Asien-Pazifik gegründet habe, sind zwischenzeitlich zu stattlichen Bäumen geworden. Ein Beispiel zur Kontinuität: 1997/98 waren in Indonesien Krisenjahre, doch wir sind geblieben. Ein bedeutender amerikanischer Mitwettbewerber hat die Zelte abgebrochen. Heute bereut er es. Ich hatte das Glück, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die mir meine Position als Mehrheitsgesellschafter gegeben hat. Wenn man Entscheidungen mit Verstand und Sorgfalt fällt, ist das auch eine große Chance für den langfristigen Erfolg im Markt.
Ich hoffe, dass es meinen Kindern gelingt, ebenfalls diese Kontinuität zu wahren. Innovation und Kontinuität müssen sich die Balance halten. Zu viel Innovation birgt die Gefahr, das Kerngeschäft zu vernachlässigen. An dieser Stelle möchte ich Herrn Manfred Schmidt vom Institut für Markentechnik Genf zitieren, der in einem Vortrag vor unseren Führungskräften sagte: „Unternehmen werden nie von außen, Unternehmen werden immer nur von innen heraus zerstört.“ Das ist absolut richtig. Unsere Marke wird vom Endverbraucher, also von unseren Kunden, geschätzt. Wir sind seine Lebensbegleiter. Aber wie können wir es vermasseln? Durch interne Fehler wie falsche Einschätzung des Marktes, durch Überheblichkeit und durch mangelnde Marktnähe.
Unternehmen wie die unsrigen, deren Marken über Generationen aufgebaut wurden – und auch das haben Sie aus meiner Sicht sehr gut dargestellt, Herr Professor Simon – haben einen besonderen Wert. Eine solche Marke aufzubauen, dauert seine Zeit. Es sind eben diese kleinen Pflänzchen, die viel Geduld und Zeit brauchen, um ein großer Baum zu werden. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir weiterhin zu einem kräftigen Wald heranwachsen.
Die Ehrung nehme ich gerne mit nach Stein, wo sie einen Ehrenplatz erhalten wird. Ich danke Ihnen sehr herzlich für den heutigen Abend.
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Bericht: Wolfgang K.A. Disch, Hamburg
Fotos: Christian Kruppa, Berlin
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